· Fachbeitrag · Zugewinnausgleich
Schenkungsteuerpflichtig: Zinslose Stundung einer Zugewinnausgleichsforderung
von WP StB Dipl.-Kfm. Gerrit Grewe, Berlin
| Folgende zwei Fragen hat der BFH mit Urteil vom 22.8.18 beantwortet: Wie ist eine zinslos gestundete Zugewinnausgleichsforderung im Nachlass zu bewerten? Und in welcher Höhe ist die aus dieser Stundung resultierende Zinsschenkung als Vorschenkung zu erfassen? |
Sachverhalt
X und dessen Ehefrau Y lebten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, bevor sie am 7.12.04 in den Güterstand der Gütertrennung wechselten. Die Zugewinnausgleichsforderung der Y von 375.823,95 EUR wurde auf Lebenszeit des X zinslos gestundet. Zudem setzten sich X und Y gegenseitig zu Alleinerben ein. Am 26.11.09 verstarb Y.
Das FA erfasste die Zugewinnausgleichsforderung als Erwerb des X mit dem Nennwert. Ferner berücksichtigte es den Zinsvorteil aus der zinslosen Stundung mit dem Kapitalwert einer lebenslänglichen Nutzung (192.499 EUR) als Vorschenkung gemäß § 14 ErbStG. Nach Auffassung des FG Münster (10.9.15, 3 K 1870/13 Erb, EFG 16, 45) war die Zugewinnausgleichsforderung nur mit einem abgezinsten Wert von 177.107 EUR anzusetzen. Die aus der zinslosen Stundung resultierende Vorschenkung setzte das FG auf den laufzeitbezogenen Kapitalwert i.H. von 90.522 EUR herab. Mit der Revision wandte sich das FA gegen die Bewertung der Vorschenkung.
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Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet (BFH 22.8.18, II R 51/15, Abruf-Nr. 206480). Der Nutzungsvorteil aus der zinslosen Stundung einer Zugewinnausgleichsforderung ist regelmäßig eine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Dies zeigt sich schon darin, dass bei einer Stundung der Zugewinnausgleichsforderung durch das Familiengericht die gestundete Forderung durch den Schuldner zu verzinsen wäre (§ 1382 Abs. 2 BGB). Die zinslose Stundung der Zugewinnausgleichsforderung ist deshalb nicht mit der zinslosen Stundung eines nicht geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs vergleichbar (BFH 31.3.10, II R 22/09, BStBl II 10, 806). Als Bereicherung ist der kapitalisierte Jahreswert des Nutzungsvorteils anzusetzen.
Die Berücksichtigung des Kapitalwerts des Nutzungsvorteils aus der zinslosen Stundung nach § 14 Abs. 2 S. 1 BewG ist auch nicht durch § 10 Abs. 3 ErbStG ausgeschlossen. Nach § 10 Abs. 3 ErbStG gelten die infolge des Anfalls durch Vereinigung von Recht und Verbindlichkeit oder von Recht und Belastung erloschenen Rechtsverhältnisse nicht als erloschen. Dem zivilrechtlich eintretenden Wegfall von Forderung und Schuld kommt bei der Berechnung der ErbSt also keine Bedeutung zu (BFH 7.10.98, II R 64/96, BStBl II 99, 25).
Handelt es sich beim Vorerwerb um eine lebenslängliche Nutzung oder Leistung, die nach § 14 Abs. 1 BewG zu bewerten und deren Wert nach § 14 Abs. 2 BewG zu berichtigen ist, ist der berichtigte Wert der zutreffende Wertansatz. Die speziell für lebenslängliche Nutzungen und Leistungen getroffene Regelung in § 14 Abs. 2 mit Abs. 1 BewG geht der allgemein ein Erlöschen von Rechtsverhältnissen ausschließenden Fiktion in § 10 Abs. 3 ErbStG vor.
Relevanz für die Praxis
Die Zugewinnausgleichsforderung wurde mit dem nach § 12 Abs. 3 BewG abgezinsten Kapitalbetrag angesetzt.
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Lebenserwartung des X (§ 14 Abs. 1 S. 2 BewG, Sterbetafel 2005/2007) |
14,07 Jahre |
Vervielfältiger gemäß Anhang B10 des Erbschaftsteuerhandbuchs Tabelle 1 zu § 12 Abs. 3 BewG | (zwischen dem Vervielfältiger für 14 und für 15 Jahre interpoliert) 0,47125 |
Zugewinnausgleichsforderung | 375.823 EUR x 0,47125 = 177.107 EUR |
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Alter des X bei der Änderung des Güterstands am 7.12.04 |
64 Jahre |
Todestag der Y am 26.11.09 | Laufzeit weniger als 5 Jahre; Ansatz der wirklichen Dauer (§ 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 BewG) anstelle des Ansatzes einer lebenslänglichen Nutzung |
Abzinsung nach § 13 Abs. 1 BewG i.V. mit Anlage 9a | Zugewinnausgleichsforderung 375.824 EUR Jahreswert der Nutzung 5,5 % (§ 15 Abs. 1 BewG) 20.670 EUR Vervielfältiger gemäß Anlage 9a zu § 13 BewG: 4,388 (5 Jahre), 3,602 (4 Jahre) |
Im Streitfall angesetzt 4,3794 (vermutlich interpoliert) ergibt 90.522 EUR |
Mit Urteil vom 7.1.98 hat der BFH entschieden, dass im Fall des § 10 Abs. 3 ErbStG eine Berichtigung des Kapitalwerts wegen des Eintritts des Erbfalls ausscheidet (BFH 7.1.98, II R 64/96, BStBl II 99, 25). In jenem Fall ging es jedoch um die Frage der Anpassung einer von vornherein zeitlich begrenzten Nutzungsüberlassung, während es im Streitfall um die Änderung einer lebenslänglichen Nutzung in eine solche auf bestimmte Zeit geht. Sollte sich aus dem BFH-Urteil vom 7.1.98 eine Nichtanwendung des § 14 Abs. 2 BewG auf Vorerwerbe im Fall des § 10 Abs. 3 ErbStG ableiten lassen, stellt der BFH nun klar, daran nicht mehr festzuhalten.