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  • · Fachbeitrag · Erbengemeinschaft

    Nachlassverbindlichkeiten: Annahme der Erbschaft durch sämtliche Erben maßgebend?

    von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn

    Im Rahmen des § 211 S. 1 BGB ist im Falle mehrerer Erben nicht auf die Annahme der Erbschaft durch den letzten Erben, sondern auf die ­Annahme der Erbschaft durch den Miterben abzustellen, der im Einzelfall in ­Anspruch genommen wird (OLG Frankfurt 3.9.13, 15 U 92/12, Abruf-Nr. 133588).

     

    Sachverhalt

    Die Tochter T schlug wegen beeinträchtigenden Verfügungen formgerecht aus und machte Pflichtteilsansprüche geltend. T wurden die letztwilligen Ver­fügungen, die zu ihrer Erbausschlagung ­führten, am 28.10.04 bekannt­gegeben. Das AG teilte dem Vertreter der T am 6.3.07 mit, dass die Beklagten als Mit­erben feststünden. Die Ermittlung weiterer Erben sei noch nicht ­abgeschlossen. Mit Schreiben vom 3.5.07 erfuhr die T von den Miterben, dass sie bis zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft eine Berichtigung der Nachlassverbindlichkeiten über ihre Anteile am Nachlass hinaus gemäß § 2059 BGB verweigern würden. Weiter wiesen sie darauf hin, dass es nicht in ihrem Sinne sei, die berechtigten Ansprüche der Pflichtteils­berechtigten zu ­beeinträchtigen. Am 31.7.08 strengte T ein schiedsgerichtliches Verfahren gegen die Miterben an. Die Schiedsanträge wurden den Miterben jeweils am 4.5.08 zugestellt. Die Miterben haben die Einrede der Verjährung erhoben.

     

    Entscheidungsgründe

    Pflichtteilsansprüche verjähren innerhalb von drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in welchem der Pflichtteils­berechtigte Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen erlangt hat. Wenn eine Pflichtteilsberechtigte - wie hier - ihren Pflichtteilsanspruch erst ­geltend machen kann, nachdem sie selbst die Erbschaft ausgeschlagen hat, beginnt die Verjährung gleichwohl bereits mit der Kenntnis von dem Eintritt des Erbfalls und von der sie beeinträchtigenden Verfügung. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass man sich den Pflichtteilsanspruch durch Abgabe einer Willenserklärung selbst verschaffen kann. Dieser Umstand rechtfertigt es, dass der Anspruch schon vor Abgabe dieser Erklärung zu verjähren beginnt.

     

    Ein anderes Ergebnis lässt sich auch nicht über § 211 BGB begründen. Nach § 211 S. 1 BGB tritt die Verjährung eines Anspruchs, der zu einem Nachlass gehört, nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die Erbschaft angenommen wurde. Es stellt sich die Frage, auf welchen Zeitpunkt bei mehreren Erben abzustellen ist. Nach der in der Literatur ganz überwiegenden Auffassung soll grundsätzlich die Annahme durch sämtliche Erben maßgebend sein (Palandt, BGB, 72. Aufl., § 211 Rn. 1 m.w.N.).

     

    Das erkennende Gericht schließt sich hier dieser Auffassungen nicht an. Begründet wird dies mit dem Wortlaut der Vorschrift („von dem Erben“). Wenn der Gesetzgeber einen Beginn der Sechsmonatsfrist erst mit der Annahme der Erbschaft durch sämtliche Erben gewollt ­hätte, hätte es nahegelegen, ­eine andere Formulierung (etwa: „ … von dem oder im Falle mehrerer Erben von sämtlichen Erben … “) zu wählen. Die gegenteilige Auffassung kann ­gerade bei einer größeren Anzahl von Miterben dazu führen, dass ein Miterbe, der die Erbschaft umgehend angenommen hat, sich nicht erfolgreich mit der Erhebung der Verjährungseinrede gegen eine erst viele Jahre später erfolgte Inanspruchnahme wegen einer Nachlassverbindlichkeit wehren kann, wenn nur einer seiner Miterben erst zu einem verhältnismäßig späten Zeitpunkt die Erbschaft angenommen hat. Dies kann nicht richtig sein. Das Gericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

     

    Praxishinweis

    Die Verjährung begann auch nicht infolge des Schreibens der Miterben an den Vertreter der T vom 3.5.07 erneut. Dieses Schreiben enthält nach Auf­fassung des Gerichts nämlich kein Anerkenntnis i.S. des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Zwar könne ein Anerkenntnis grundsätzlich auch darin liegen, dass der Erbe auf Verlangen des Pflichtteilsberechtigten Auskunft über den Nachlass ­gemäß § 2314 BGB erteilt. Allerdings komme es nach den tatsächlichen ­Umständen des Einzelfalls darauf an, ob das Verhalten des Schuldners im Zusammenhang mit der Erteilung der Auskunft unzweideutig erkennen ­lasse, dass er sich auch des Bestehens des Zahlungsanspruchs bewusst sei.

    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 11 | ID 42440676