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  • · Fachbeitrag · Gemeinschaftliches Testament

    Die Formulierung „für den Fall des gleichzeitigen Versterbens“ konnte nicht wörtlich gemeint sein

    von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn

    Die Kombination einer „Schlusserbeneinsetzung“ mit Einräumung einer Abänderungsbefugnis zugunsten des überlebenden Ehegatten bei aus­drücklicher Anordnung der Wechselbezüglichkeit der Verfügungen können Anhaltspunkte dafür sein, dass die Ehegatten die Formulierung „für den Fall des gleichzeitigen Versterbens“ nicht im Wortsinn verwendet ­haben, ­sondern den Fall des zeitlich nacheinander Versterbens geregelt haben (OLG München 24.10.13, 31 Wx 139/13, Abruf-Nr. 133654).

     

    Sachverhalt

    Die Ende 2012 verstorbene Erblasserin hatte mit ihrem vorverstorbenen Ehemann ein gemeinschaftliches handschriftliches Testament errichtet. Die Ehe war kinderlos geblieben. In dem Testament hatten sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben eingesetzt. Weiter war darin geregelt: „Für den Fall des gleichzeitigen Versterbens bestimmen wir hiermit als unseren Schlusserben JK. (...) Nach dem Tode eines Teils von uns soll aber der überlebende Teil berechtigt sein, einseitig dieses Testament zu ändern.“

     

    Nach dem Tod der Erblasserin war zunächst Nachlasspflegschaft ­angeordnet worden. JK beantragte einen ihn als Alleinerben ausweisenden Erbschein. Der Nachlasspfleger meldete Zweifel an der Erbberechtigung des JK an. Dieser habe sich, als sich der Ehemann im Krankenhaus befunden habe, „sehr schlecht“ gegenüber der Erblasserin benommen. Diese habe immer gesagt, „der bekommt gar nichts, lieber schenke ich alles der Gemeinde“. Nach ­Angaben der Betreuerin wollten die Ehegatten ihr gemeinsames Testament ändern; der Ehemann der Erblasserin hätte JK aus dem Testament streichen wollen, was mehrere namentlich benannte Zeugen bestätigen könnten.

     

    Entscheidungsgründe

    Das gemeinschaftliche Testament ist auslegungsbedürftig, da die Eheleute keine ausdrückliche Regelung für den Fall getroffen haben, dass die Ehe­gatten im zeitlichen Abstand versterben. Andererseits sollte JK nach dem Wortlaut des Testaments im Fall des gleichzeitigen Versterbens „Schluss­erbe“ sein. Eine solche Erbenstellung ist aber nur gegeben, wenn der vorversterbende Ehegatte zunächst durch den anderen beerbt wird und bei dessen Ableben der von den beiden Ehegatten gemeinsam bestimmte Erbe die Rechtsnachfolge des überlebenden Ehegatten antreten soll. Insofern ist nicht eindeutig, ob die Ehegatten allein eine Erbeinsetzung bei ihrem zeitgleichen Ableben treffen wollten oder sie damit auch den Fall geregelt haben, dass sie nacheinander in erheblichem zeitlichen Abstand versterben.

     

    Es ist daher im Wege der erläuternden Testamentsauslegung der wirkliche Wille der Ehegatten zu erforschen. Diese soll klären, was ein Erblasser mit seinen Worten sagen wollte und nicht einen von der Erklärung losgelösten Willen ermitteln. Grundsätzlich ist bei nicht eindeutigem und daher auslegungsbedürftigem Testamentswortlaut gemäß §§ 133, 2084 BGB nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Vielmehr ist der Wortsinn der vom Erblasser benutzten Ausdrücke zu hinterfragen, um festzustellen, was er mit seinen Worten sagen wollte und ob er mit ihnen genau das unmiss­verständlich wiedergab, was er zum Ausdruck bringen wollte.

     

    Ehegatten, die sich gegenseitig zu Erben einsetzen, ohne diese Regelung mit einer Erbeinsetzung für den Tod des Längerlebenden von ihnen (Schlusserben­einsetzung) zu verbinden, bezwecken damit, dass dem Überlebenden der Nachlass des Erstversterbenden zufällt und dass er über das ­Gesamtvermögen - auch von Todes wegen - frei verfügen kann. Ein zusätzlicher Regelungs­bedarf besteht dann für den Fall des „gleichzeitigen Todes“, in dem es nicht zu einer Beerbung des einen Ehegatten durch den anderen kommt.

     

    Eine für den Fall des „gleichzeitigen Versterbens“ getroffene Erbeinsetzung gilt deshalb grundsätzlich nicht für den Fall, dass die Ehegatten ­nacheinander - in erheblichem zeitlichen Abstand - versterben. Eine Ausnahme hiervon kann nur angenommen werden, wenn aufgrund besonderer Umstände des Einzelfalls festgestellt werden kann, dass die Testierenden den Begriff des „gleichzeitigen Versterbens“ entgegen dem Wortsinn dahin verstanden ­haben, dass er auch das Versterben in erheblichem zeitlichem Abstand ­umfassen sollte, und wenn sich darüber hinaus eine Grundlage in der vor­liegenden Verfügung von Todes wegen findet.

     

    Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist der Senat der Auffassung, dass dem gemeinschaftlichen Testament Umstände entnommen werden können, die darauf hindeuten, dass die Ehegatten durch die Formulierung „für den Fall des gleichzeitigen Versterbens“ tatsächlich den Fall geregelt haben, dass sie nacheinander - in erheb­lichem zeitlichen Abstand - versterben: Die ­Ehegatten haben ausdrücklich unmittelbar nach Einsetzen des JK als „Schlusserben “ die Wechsel­bezüglichkeit ihrer Verfügungen angeordnet, jedoch bei Über­leben eines der Ehegatten eine Abänderungsbefugnis bestimmt. Ein solche ­Befugnis gibt nur Sinn, wenn ein Ehegatte den anderen überlebt und dieser nach der Vorstellung der Ehegatten noch die Möglichkeit hat, in Bezug auf die bindende Verfügung zugunsten des „Schluss­erben“ anders zu verfügen.

     

    Praxishinweis

    Der Einwand des Nachlasspflegers, die Erblasser hätten ihr Testament ­ändern wollen, weil sich der Schlusserbe „schlecht benommen habe“, greift hier nicht durch. Für die Auslegung kommt es grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung an. Die spätere Willens­änderung der Ehegatten kann im Wege der Auslegung nicht berücksichtigt werden. Vor­liegend haben die Ehegatten weder zu ihren gemeinsamen Lebzeiten die von ihnen getroffene Verfügung zugunsten des Schlusserben widerrufen bzw. aufgehoben, noch hat die Erblasserin von der ihr im gemeinschaftlichen Testa­ment eingeräumten Abänderungsbefugnis Gebrauch gemacht und die Ein­setzung des Schlusserben im Wege einer neuen Testierung abgeändert.

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 01 / 2014 | Seite 8 | ID 42439808