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  • · Fachbeitrag · Gemeinschaftliches Testament

    Erbschein erforderlich: Wie sich eineVerwirkungsklausel auf den Erbnachweis auswirkt

    von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn

    | Wenn Eheleute sich in einem notariellen gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben und ihre Kinder als Schlusserben einsetzen, wird daneben oft auch eine Pflichtteilsstrafklausel oder allgemeine Verwirkungsklausel aufgenommen. Für den Schlusserbfall genügt dann das notarielle Testament allein nicht mehr als Erbnachweis. Der BGH hat sich aktuell mit den Auswirkungen einer Verwirkungsklausel auf den Erbnachweis im Schlusserbfall beschäftigt. |

     

    Sachverhalt

    Die Eheleute setzten sich in einem notariellen gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Alleinerben und ihre drei Kinder als Schlusserben ein. Weiter war bestimmt: „Derjenige, der mit diesen Testamentsbestimmungen nicht einverstanden ist, erhält nur den Pflichtteil unter Anrechnung dessen, was er bereits zu Lebzeiten von uns bekommen hat, wozu auch die Kosten einer Ausbildung, Ausstattung oder sonstige Zuwendungen gehören.“

     

    Nach dem Tod des Vaters verlangte eine der Töchter T ihren Pflichtteil. Nach dem Tod der Mutter wurden die drei Kinder - auf entsprechenden Antrag der T hin und unter Vorlage des notariellen gemeinschaftlichen Testaments - in Erbengemeinschaft als neue Eigentümer der Grundstücke ihrer Eltern in das Grundbuch eingetragen. Hiergegen wenden sich die anderen Kinder. T hätte ihr Erbrecht verloren, weil sie nach dem Tod des Vaters ihren Pflichtteil geltend gemacht habe.

     

    Enthält ein notarielles Testament eine allgemein gehaltene Verwirkungsklausel oder eine spezielle Verwirkungsklausel mit nicht eindeutigen Verhaltensanforderungen, erfordert der Nachweis der Erbfolge in der Regel die Vorlage eines Erbscheins (Abruf-Nr. 189322).

     

    Entscheidungsgründe

    Voraussetzung dafür, dass die Erben als Eigentümer der Grundstücke im Grundbuch eingetragen werden, ist der Nachweis ihrer Erbfolge. Dieser Nachweis kann nach § 35 Abs. 1 S. 1 GBO nur durch einen Erbschein geführt werden. Ergibt sich die Erbfolge aus einem notariell beurkundeten Testament, genügt als Nachweis nach § 35 Abs. 1 S. 2 HS. 1 GBO die Vorlage des Testaments nebst Eröffnungsniederschrift. Das gilt jedenfalls dann, wenn sich die Erbfolge allein aus dem notariellen Testament ergibt. Enthält das Testament dagegen eine bedingte Erbeinsetzung, so genügt das notarielle Testament allein als Nachweis der Erbfolge nicht. Vielmehr ist das Grundbuchamt gehalten, einen Erbschein oder für den Nachweis ausreichende Erklärungen der Beteiligten in der Form des § 29 GBO zu verlangen.

     

    Entsprechendes gilt bei allgemein gehaltenen Verwirkungsklauseln und bei speziellen Verwirkungsklauseln mit nicht eindeutigen Verhaltensanforderungen. Solche Verwirkungsklauseln führen ebenso wie eine Pflichtteilsstrafklausel nach § 2075 BGB dazu, dass die vorgesehene Erbeinsetzung durch den Umstand oder das Verhalten auflösend bedingt ist.

     

    Ob die auflösende Bedingung eingetreten ist oder nicht bzw. an welches konkrete Verhalten die Sanktion geknüpft ist, kann nicht vom Grundbuchamt geklärt werden. Denn zunächst muss hier die Sanktionsklausel selbst ausgelegt werden. Die bei der Ermittlung des Erblasserwillens gebotene Berücksichtigung der Gesamtumstände ist im Grundbucheintragungsverfahren regelmäßig nicht möglich. In dem Testament der Eltern ist die Einsetzung der Schlusserben dadurch auflösend bedingt, dass diese mit den Testamentsbestimmungen nicht einverstanden sind. Welches der Bezugspunkt dieses Nichteinverständnisses ist - die testamentarischen Anordnungen oder ein darüber hinaus angestrebtes wirtschaftliches Ziel -, ist hier nicht offensichtlich und kann daher vom Grundbuchamt nicht geprüft werden.

     

    Hintergrund der Verwirkungsklausel kann der Wunsch der Eltern gewesen sein, dass dem überlebenden Teil bis zu seinem Tod der Nachlass ungeschmälert verbleibt. Dieser Wille wäre durchkreuzt, wenn Kinder Pflichtteilsansprüche nach dem Tod des zuerst versterbenden Ehegatten geltend machen. Im Erbscheinsverfahren bzw. im Erbenfeststellungsverfahren ist nun die Frage zu prüfen, ob die Eltern unter einem Nichteinverständnis mit den Testamentsbestimmungen auch die Geltendmachung des Pflichtteils verstanden haben.

     

    Relevanz für die Praxis

    Der BGH bestätigt mit seiner Entscheidung die bisherige Rechtsprechung der Instanzgerichte. Enthält ein notarielles gemeinschaftliches Testament eine automatisch wirkende Pflichtteilsstrafklausel - der Abkömmling, der auf den Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteilsanspruch geltend macht, ist im Schlusserbfall enterbt -, genügt im Schlusserbfall das notarielle Testament allein nicht als Erbnachweis.

     

    • Wurden von keinem der Kinder beim Tod des Erstversterbenden Pflichtteilsansprüche geltend gemacht, kann diese negative Tatsache mit einer eidesstattlichen Versicherung sämtlicher eingesetzter Schlusserben nachgewiesen werden.

     

    • Wurden hingegen von einem oder mehreren der Kinder beim Tod des Erstversterbenden Pflichtteilsansprüche geltend gemacht, benötigen die in der Erbfolge verbliebenen Kinder zum Nachweis ihres Erbrechts einen Erbschein.

     

    Weiterführende Hinweise

    • Slabon, Zwei Verfahren, ein Ergebnis: Erbenfeststellungsverfahren und Erbscheinsverfahren, ErbBstg 16, 138 f.
    • Checkliste: Die 24 wichtigsten Fragen zum Erbscheinsverfahren, ErbBstg 12, 142 ff.
    Quelle: Ausgabe 01 / 2017 | Seite 7 | ID 44425985