· Fachbeitrag · Gemeinschaftliches Testament
Nur ein Ehepartner hatte unterschrieben - handelt es sich nun um ein Einzeltestament?
von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn
(OLG München 23.4.14, 31 Wx 22/14, Abruf-Nr. 141897) |
Sachverhalt
Der Erblasser ist Anfang 2013 im Alter von 91 Jahren verstorben. Der Erblasser und seine Ehefrau haben keine Abkömmlinge. Es liegen vier inhaltsgleiche, vom Erblasser handschriftlich geschriebene und unterschriebene Testamente vor. Sie lauten auszugsweise:
„Gemeinschaftliches Testament: Wir, die Eheleute ... setzen uns hiermit gegenseitig als Alleinerben ein. Der Erbe des Letztverstorbenen soll T (die einzige Tochter T eines vorverstorbenen Bruders des Erblassers) sein. Als zweiten gleichberechtigten Erben setzen wir N (den Neffen N der Ehefrau) ein.“
Die Ehefrau hat einen Erbschein beantragt, der sie als alleinige befreite Vorerbin und T und N als Nacherben ausweist. Nach ihrer Auffassung sind die Verfügungen des Erblassers in Einzeltestamente umzudeuten.
Entscheidungsgründe
Die vorliegenden letztwilligen Verfügungen können nicht in Einzeltestamente des Erblassers umgedeutet werden. Die letztwilligen Verfügungen stellen sich jeweils als unvollständiges gemeinschaftliches Testament dar. Ein solcher Entwurf eines gemeinschaftlichen Testaments kann als Einzeltestament aufrechterhalten werden, wenn der Ehegatte, der seine Erklärung in der Form des § 2247 BGB vollständig abgegeben hat, gewollt hat, dass seine Verfügung unabhängig vom Beitritt des anderen Ehegatten gelten soll, ihre Wirkung also sofort eintreten und nicht von der entsprechenden Erklärung des anderen Ehegatten abhängig sein soll. Maßgeblich ist, dass der Erblasser auch in Kenntnis der fehlenden entsprechenden Verfügung des anderen Ehegatten seine eigene Verfügung treffen wollte. Es muss außer Zweifel stehen, dass der Erblasser die Urkunde als seine rechtsverbindliche letztwillige Verfügung angesehen hat und sich dessen bewusst war, diese könne als sein Testament betrachtet werden.
Die in den unvollständigen gemeinschaftlichen Testamenten vorgesehenen Regelungen zielen darauf ab, dem überlebenden Ehegatten zunächst das gesamte gemeinschaftliche Vermögen zur freien Verfügung zu belassen und es nach dessen Tod gleichmäßig auf die Familien beider Ehegatten aufzuteilen. Die vorgesehenen Regelungen enthalten im Kern eine gegenseitige Alleinerbeneinsetzung, verbunden mit der Einsetzung von zwei Schlusserben.
Bei einer Auslegung als Einzeltestament würde die angestrebte gleichmäßige Aufteilung des gemeinschaftlichen Vermögens auf Verwandte des Ehemanns und Verwandte der Ehefrau nicht erreicht, denn dann wird der Verwandte der Ehefrau als Nacherbe am Nachlass des Ehemanns beteiligt, während die Verwandte des Ehemanns am Nachlass der Ehefrau nicht partizipiert.
Praxishinweis
Nur im Einzelfall dürfte ein nur von einem Ehegatten unterzeichnetes gemeinschaftliches Testament als Einzeltestament bestehen bleiben; das gilt insbesondere dann, wenn sowohl der Ehegatte als auch Schlusserben bedacht sind. Dies gründet sich schon daraus, dass das Einzeltestament keine Bindungen in Bezug auf das Vermögen des anderen Ehegatten entfalten kann.