· Fachbeitrag · Gemeinschaftliches Testament
Schlusserbe verstirbt vor Eintritt des Schlusserbfalls - und nun?
von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn
Ein gemeinschaftliches Testament, in dem sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben und die gemeinsamen Kinder als Schlusserben einsetzen, erlangt mit dem Tod des Erstversterbenden regelmäßig Bindungswirkung. Durch das Versterben eines als Schlusserben eingesetzten Kindes nach dem Tod des Erstversterbenden, aber vor Eintritt des Schlusserbfalls entfällt die Bindungswirkung zugunsten eines Ersatzerben, wenn sich dessen Berufung nicht aufgrund einer individuellen Auslegung des Testaments ermitteln lässt, sondern nur auf der Zweifelsregelung des § 2069 BGB beruht (KG Berlin 19.12.14, 6 W 155/14, Abruf-Nr. 144033). |
Sachverhalt
Die Eheleute errichteten Ende 2002 ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig auf den Tod des Erstversterbenden zu Alleinerben und ihre beiden Kinder S und T als Schlusserben nach dem Überlebenden einsetzten. Die Ehefrau verstarb im März 2008, der Sohn S im August 2008. Im April 2013 testierte der überlebende Ehegatte neu und enterbte hierbei ausdrücklich seine Tochter T und den Sohn seines verstorbenen Sohnes S. Nach dem Tod des Erblassers beantragte die T einen sie als Alleinerbin nach ihrem Vater ausweisenden Erbschein.
Entscheidungsgründe
Der Erblasser war aufgrund des gemeinschaftlich mit seiner Ehefrau errichteten Testaments von Ende 2002 an einer abweichenden Testierung und damit an einer Enterbung der T gehindert, weil die Einsetzung als Schlusserbin eine wechselbezügliche Verfügung i.S. des § 2270 Abs. 1 BGB darstellt, die den überlebenden Ehegatten bindet. Die Enterbung der T im Testament des Erblassers vom April 2013 ist damit ohne Wirkung geblieben. Allerdings ist die T nicht Alleinerbin geworden, denn ihr ist nicht auch gemäß § 2094 Abs. 1 S. 2 BGB der hälftige Schlusserbenanteil ihres im August 2008 - und damit vor Eintritt des Schlusserbfalls - verstorbenen Bruders angewachsen.
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