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  • · Fachbeitrag · Gemeinschaftliches Testament

    Zuwendungsverzicht erstreckt sich auch auf Abkömmlinge

    von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn

    Haben Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament zwei Kinder als Schlusserben eingesetzt und schließt der überlebende Ehegatte mit einem dieser Kinder einen entgeltlichen Zuwendungsverzicht mit Erstreckung auf dessen Abkömmlinge, so bezieht sich die Bindungswirkung der Schlusserbeinsetzung für den überlebenden Ehegatten im Zweifel auch auf den Erbteil, der dem anderen Kind infolge des Zuwendungsverzichts angewachsen ist (OLG Hamm 28.1.14, 15 W 503/14, Abruf-Nr. 144425).

     

    Sachverhalt

    Die Eheleute errichteten Anfang 1980 ein formwirksames Ehegattentestament, in dem sie sich gegenseitig zu befreiten Vorerben, sowie zwei ihrer Kinder, die Tochter M und den Sohn D gleichanteilig als Nacherben und Schlusserben nach dem Überlebenden einsetzten. Nach dem Tod des Ehemanns wurde der Ehefrau auf Antrag ein Erbschein als befreite Vorerbin erteilt. Danach schloss die Ehefrau mit ihren Kindern M und D einen notariellen Vertrag, in dem die Vertragsbeteiligten erklärten, dass die Tochter M in der Vergangenheit von der Erblasserin E Zahlungen von insgesamt 150.000 DM erhalten habe. M wolle daher ihr Nacherbenrecht auf den Bruder D übertragen und aus der gesetzlichen Erbfolge nach der E insgesamt ausscheiden sowie auf ihr Erb- und Pflichtteilsrecht nach der E verzichten. M verstarb am 10.2.02 und hinterließ zwei Kinder.

     

     

    Mitte 2013 errichtete die E ein handschriftliches Testament, in dem sie die Kinder der M zu ihren Erben bestimmte. Die E verstarb wenige Monate später. D beantragte einen Erbschein, der ihn als Alleinerben nach der E ausweisen sollte. Die Kinder der M sind dem entgegengetreten. Sie vertreten die Ansicht, dass sie die Erben der E sind.

     

    Entscheidungsgründe

    D ist auf der Grundlage des gemeinschaftlichen Testaments der Eheleute in Verbindung mit dem von der Schwester erklärten Zuwendungsverzicht Alleinerbe geworden. Entscheidend waren dabei zwei Fragen:

    • Erstreckt sich der Zuwendungsverzicht auch auf die Abkömmlinge?
    • Und nimmt der dadurch bei D angewachsene Erbteil an der Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments teil?

     

    In ihrem gemeinschaftlichen Ehegattentestament haben die Eltern ihre Kinder M und D zu Erben des Letztversterbenden berufen. Die Erbeinsetzung der Tochter M ist dadurch weggefallen, dass diese in dem notariellen Vertrag auf diese testamentarische Berufung verzichtet hat. Die Abkömmlinge der Tochter M sind nicht testamentarisch als Ersatzerben berufen. Denn der Zuwendungsverzicht erstreckt sich auch auf die Abkömmlinge der Tochter M.

     

    § 2352 BGB verweist in seiner seit 1.1.10 geltenden neuen Fassung in Satz 3 auch auf § 2349 BGB. § 2349 BGB lautet: „Verzichtet ein Abkömmling oder ein Seitenverwandter des Erblassers auf das gesetzliche Erbrecht, so erstreckt sich die Wirkung des Verzichts auf seine Abkömmlinge, sofern nicht ein anderes bestimmt ist“.

     

    Der Wegfall der Erbeinsetzung der M mit Erstreckung auf ihre Abkömmlinge führt dazu, dass dieser Erbteil dem D gemäß § 2094 Abs. 1 BGB angewachsen ist. Die E war nach dem Tod ihres Ehemanns durch die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments gehindert, durch eine einseitige letztwillige Verfügung die Rechtsstellung des Beteiligten D als Alleinerbe zu beeinträchtigen (§ 2271 Abs. 2 S. 1 BGB, § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB). Die Bindungswirkung erstreckt sich auf den Erbanteil des D einschließlich des ihm durch den Zuwendungsverzicht angewachsenen Erbanteils. Die Bindungswirkung setzt voraus, dass die Einsetzung des Beteiligten D als Schlusserbe im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit zu der Einsetzung der E als Vorerbin ihres erstverstorbenen Ehemanns steht (§ 2270 BGB). Die Testamentsauslegung führt hier zu einer Bejahung der Wechselbezüglichkeit. Dies ergibt sich aus folgender Erwägung: Für den Fall, dass ein Ehegattentestament eine Pflichtteilsstrafklausel enthält und einer von mehreren Abkömmlingen durch ein Pflichtteilsverlangen die auflösende Bedingung seiner Schlusserbeneinsetzung herbeiführt, ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die auf diese Weise begründete Anwachsungswirkung bei den Erbanteilen der übrigen Abkömmlinge an der Bindungswirkung für den überlebende Ehegatten teilnimmt.

     

    Praxishinweis

    Insbesondere mit Blick auf die erhaltenen lebzeitigen Zahlungen, spricht alles dafür, dass die Parteien beim Abschluss des notariellen Verzichtsvertrags davon ausgegangen sind, dass der gesamte Stamm der Tochter M aus der Erbfolge ausscheiden soll. Es wäre sinnvoll gewesen, wenn die damals gewollte Rechtsfolge eindeutig zwischen den Beteiligten fixiert worden wäre.

    Quelle: Ausgabe 05-06 / 2015 | Seite 122 | ID 43345950