· Fachbeitrag · Generalvollmacht
Kann Nacherbenvermerk aufgrund postmortaler Vorsorgevollmacht für Vorerben gelöscht werden?
von RA und Notar, StB, FA ErbR Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, Paderborn
| Das OLG Bremen hatte sich in seinem Beschluss vom 19.12.24 (3 W 26/24 ) mit der Frage zu beschäftigen, ob eine über den Tod hinaus wirkende Vollmacht des Erblassers nach dessen Ableben bis zum Eintritt des Nacherbfalls den Bevollmächtigten auch zur Vertretung des Nacherben legitimiert. Konkret stellte sich die Frage, ob ein Nacherbenvermerk aufgrund der postmortalen Vollmacht gelöscht werden kann. |
Sachverhalt
Erblasser E setzte die V als befreite Vorerbin ein. Zu Nacherben bestimmte er deren Abkömmlinge. Den Herren A und B erteilte er eine umfassende notarielle Generalvollmacht. Darin ist bestimmt: „Die Bevollmächtigten sollen gemeinsam befugt sein, jede Rechtshandlung, welche ich selbst vornehmen könnte und bei welcher eine Stellvertretung gesetzlich zulässig ist, an meiner statt und mit derselben Wirkung vorzunehmen, als ob ich sie selbst vorgenommen hätte. Diese Vollmacht soll durch meinen Tod nicht erlöschen und erstreckt sich auch auf meine Vertretung bei allen öffentlichen Registern.“ Die Bevollmächtigten sind von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.
Nach dem Tod des E wurde Grundbesitz auf die V umgeschrieben und dabei die angeordnete befreite Vorerbschaft durch einen Nacherbenvermerk im Grundbuch festgehalten. Die V als Eigentümerin sowie A und B, jeweils in ihrer Eigenschaft als zur gemeinsamen Vertretung berechtigte Bevollmächtigte für den Nachlass des E, bewilligten und beantragten in notariell beglaubigter Form die Löschung des Nacherbenvermerks. Das Grundbuchamt hat den Löschungsantrag allerdings mit Zwischenverfügung beanstandet. Es meint, es bedürfe für die isolierte Löschung des Nacherbenvermerks der Anhörung der bereits bekannten und (noch) unbekannten Nacherben.
Entscheidungsgründe
Das OLG Bremen (19.12.24, 3 W 26/24, Abruf-Nr. 246676) ist der Ansicht, dass der Nacherbenvermerk ‒ ohne Anhörung ‒ zu löschen ist, da die Bevollmächtigten aufgrund der postmortalen Generalvollmacht auch für und gegen die Nacherben handeln könnten. Für die vollständige isolierte Löschung des Nacherbenvermerks sei zwar die Zustimmung aller Nacherben, auch etwaiger Ersatznacherben, erforderlich. Diese sei aber mit der Bewilligung durch die Generalbevollmächtigten im Namen der Nacherben gegeben.
In Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob eine über den Tod hinaus wirkende Vollmacht des Erblassers nach dessen Ableben bis zum Eintritt des Nacherbfalls den Bevollmächtigten auch zur Vertretung des Nacherben legitimiert. Nach einer Auffassung berechtigt eine solche Vollmacht bis zum Nacherbfall nur zur Vertretung des Vorerben. Erst mit Eintritt des Nacherbfalls könne der Bevollmächtigte den Nacherben vertreten. Eine Vertretung des Nacherben laufe zudem dem Zweck der Nacherbfolge zuwider, insbesondere nehme sie dem Nacherben seine Schutzrechte gegenüber dem Vorerben. Bei zustimmungspflichtigen Verfügungen müsse der Nacherbe deshalb zustimmen (Staudinger/Avenarius, 2019, § 2112, Rn. 34).
Die Gegenauffassung hält es hingegen für zulässig, dass der Erblasser den Bevollmächtigten ermächtigt, trans- oder postmortal auch den Nacherben zu vertreten. Durch nach dem Tod des Vollmachtgebers seitens des Bevollmächtigten vorgenommene Rechtsgeschäfte würden sämtliche Erben einschließlich etwaiger Nacherben berechtigt und verpflichtet. Als Vertreter des Nacherben könne der Bevollmächtigte vor Eintritt der Nacherbfolge insoweit im Namen des Nacherben handeln, als der Nacherbe selbst vor Eintritt der Nacherbfolge in seiner Eigenschaft als Nacherbe handeln könne (Grüneberg/Weidlich, BGB, § 2112 Rn. 4; MüKoBGB/Schubert, 9. Aufl. 2021, BGB § 168 Rn. 52). Das OLG Bremen schließt sich der letztgenannten Auffassung an.
Im Zeitraum zwischen dem Eintritt des (ersten) Erbfalls und dem Nacherbfall ist zwar zunächst der Vorerbe Erbe geworden. Der Nacherbe erlangt jedoch bereits in diesem Zeitraum ein gegenwärtiges, unentziehbares und gesichertes Anwartschaftsrecht, über das er bereits verfügen kann. Diese Stellung des Nacherben ist ebenso wie die Gesamtrechtsnachfolge des Vorerben unmittelbar vom Erblasser abgeleitet. Die bezüglich des Gesamtvermögens erteilte Generalvollmacht betrifft die gesamten Rechte des Erblassers und geht, wenn sie transmortal erteilt wurde, bezüglich der jeweils vom Erblasser abgeleiteten Rechtspositionen auf den Vor- und den Nacherben über. Der Übergang der Vollmacht beinhaltet gleichzeitig die freie Widerrufsmöglichkeit des Nacherben. Der Einwand, das Widerrufsrecht des Nacherben sei aus tatsächlichen Gründen kaum zu realisieren, mag zutreffen, spricht aber nicht gegen die vom Erblasser abgeleitete und von den Erben hinzunehmende Befugnis des Bevollmächtigten, auch den Nacherben zu vertreten.
Im Ergebnis folgt aus der vollumfänglichen Vertretungsmacht der Generalbevollmächtigten in Bezug auf das Anwartschaftsrecht der Nacherben, dass diese als Vertreter der Nacherben nicht nur die Zustimmung zu einem einzelnen Grundstücksverkauf, sondern auch die Zustimmung zur Löschung des Nacherbenvermerks erteilen können.
Relevanz für die Praxis
Die Entscheidung mag richtig sein, verursacht indes ein gewisses Unbehagen. Es stellt sich die Frage, ob die Erteilung der transmortalen Generalvollmacht und die damit einhergehende Möglichkeit, den Nacherbenvermerk zu löschen, mit der Schutzfunktion des Nacherbenvermerks und dem Sinn und Zweck der angeordneten Nacherbschaft vereinbar ist. Dies ist jedoch aufgrund der nach außen unbegrenzt erteilten Vollmacht allein eine Frage des Innenverhältnisses und der ordnungsgemäßen Geschäftsführung durch die Bevollmächtigten. Wenn ein Erblasser Vor- und Nacherbfolge anordnet und daneben eine (transmortale) Generalvollmacht erteilt, wird er in den meisten Fällen nicht davon ausgehen, dass sein Bevollmächtigter imstande ist, den Nacherbenvermerk zur Löschung zu bringen. Unter Umständen sollte daher die Vollmacht entsprechend eingeschränkt werden.