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  • · Fachbeitrag · Grundbuchamt

    Kombination aus auflösend bedingter Vollerbschaft und aufschiebend bedingter Vorerbschaft

    von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn

    | Regeln Eheleute in ihrem gemeinschaftlichen Testament eine Wiederverheiratungsklausel, bedeutet das eine Kombination aus auflösend bedingter Vollerbschaft und aufschiebend bedingter Vorerbschaft. Das OLG Köln hatte sich nun in seiner Entscheidung vom 10.11.16 mit der Frage beschäftigt, ob die Vorerbschaft eine befreite oder nicht befreite Vorerbschaft darstellt. |

     

    Sachverhalt

    Die Eheleute hatten sich zunächst in einem gemeinschaftlichen notariellen Testament gegenseitig als Alleinerben bestimmt. Weiter war bestimmt: „Sollte der Überlebende von uns wieder heiraten, so soll er nur Vorerbe sein. Die Nacherbfolge soll jedoch erst beim Tod des Überlebenden eintreten.“ Als Nacherben bestimmten die Eheleute ihre gemeinschaftlichen Abkömmlinge.

     

    Der ursprünglich vorgesehene Passus in Ziffer IV „die Bestimmungen unter III. dieser Niederschrift stellen, wenn der Überlebende von uns nicht wieder heiratet, einseitige Verfügungen von Todes wegen dar, die der Überlebende von uns beliebig ändern und auch im ganzen widerrufen kann“ wurde während der Beurkundung gestrichen.

     

    Nach dem Tod des Ehemanns veräußerte die überlebende Ehefrau ein den Ehegatten gemeinsam gehörendes Grundstück. Der einzige Sohn hat der Veräußerung in dem notariellen Kaufvertrag als bedingter Nacherbe zugestimmt. Das Grundbuchamt fordert nun die Zustimmungserklärung der Nacherben in der Form des § 29 GBO, wobei im Hinblick auf mögliche unbekannte Nacherben für die Zustimmung ein Pfleger zu bestellen sei.

     

    Entscheidungsgründe

    Das Grundbuchamt ist zu Recht davon ausgegangen, dass für die Eigentumsumschreibung die Berechtigung der Ehefrau nicht ausreichend belegt ist (OLG Köln 10.11.16, 2 Wx 534/16, Abruf-Nr. 191482).

     

    In dem gemeinschaftlichen Testament der Ehegatten ist eine sogenannte Wiederverheiratungsklausel geregelt. Daher ist der überlebende Ehegatte zunächst Vollerbe und bleibt es auch, wenn er nicht heiratet. Daneben ist er allerdings auch bedingter Vorerbe. Dabei ist umstritten, ob bei der bedingten Nacherbeneinsetzung bei Fehlen entgegenstehender Anhaltspunkte anzunehmen ist, dass der überlebende Ehegatte von den gesetzlichen Beschränkungen der §§ 2113 ff. BGB, soweit möglich, befreit sein soll. Ist er befreiter Vorerbe (§ 2136 BGB), kann er über Grundbesitz entgeltlich verfügen.

     

    Für eine Befreiung des Vorerben im Falle einer Wiederverheiratungsklausel spricht, dass dem Überlebenden anderenfalls die ihm grundsätzlich zugedachte unbeschränkte Stellung als Vollerbe praktisch wieder entzogen würde (Horn/Kroiß, Testamentsauslegung, § 22 Rn. 23, m. w. N.).

     

    Allerdings greift die Vermutung für eine befreite Vorerbschaft nur dort, wo nicht die Auslegung des Testaments zu einem entgegenstehenden Ergebnis führt. Hierzu hat der BGH bereits mit Urteil vom 18.1.61 (V ZR 83/59, BB 61, 228) entschieden, dass es auf den Umfang des Vertrauens ankäme, das der Erblasser dem Vorerben hinsichtlich der Wahrung der Interessen der Kinder entgegenbringt. Insofern sei zweifelhaft, ob ein Befreiungswille auch dann zu vermuten sei, wenn der Testamentswortlaut selbst hierüber nichts Konkretes ergibt. So genüge der bloße Gebrauch des Wortes „alleinige Erbin“ als Ausdruck des Befreiungswillens nicht. Den entscheidenden Hinweis für eine nicht befreite Vorerbschaft sieht das Gericht hier in der Streichung der ursprünglichen Ziffer IV des Testaments. Dies spricht für ein überwiegendes Interesse der Erblasser am Schutz des Letztberufenen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Wenn in einem gemeinschaftlichen Testament eine Wiederverheiratungsklausel geregelt wird, ist damit eine Kombination aus auflösend bedingter Vollerbschaft und aufschiebend bedingter Vorerbschaft angeordnet. Besser wäre es gewesen, statt der bloßen Wiederverheiratungsklausel die Vor- und Nacherbfolge anzuordnen. Dabei ist dann in dem Testament klarzustellen, ob die aufschiebend bedingte Vorerbschaft eine befreite oder nicht befreite ist.

     

    Da hier als Nacherben die „gemeinschaftlichen Abkömmlinge“ eingesetzt waren und der einzige Sohn der Eheleute bereits der Veräußerung zugestimmt hatte, konnte die „Hürde“ dadurch genommen werden, dass die Ehefrau eine eidesstattliche Versicherung des Inhalts abgab, dass aus ihrer Verbindung mit dem Erblasser (neben dem Sohn) keine weiteren gemeinschaftlichen Abkömmlinge hervorgegangen sind.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2017 | Seite 88 | ID 44570884