· Fachbeitrag · Insolvenz
So ist die Alleinerbin ihren Gläubigern entkommen
von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn
Die Mitwirkung des vertraglich eingesetzten Erben an der Aufhebung seiner Erbeinsetzung ist höchstpersönlich und kann nicht angefochten werden (BGH 20.12.12, IX ZR 56/12, Abruf-Nr. 130304). |
Sachverhalt
Die Erblasserin setzte die Schuldnerin mit notariellem Erbvertrag zur Alleinerbin ein. Dieser Erbvertrag wurde später wieder aufgehoben und durch einen neuen Erbvertrag ersetzt, wonach die Schuldnerin zur alleinigen, nicht befreiten Vorerbin, und deren Tochter zur Nacherbin eingesetzt wurde.
Über das Vermögen der Schuldnerin wurde in der Folgezeit das Insolvenzverfahren eröffnet, danach verstarb die Erblasserin. Der Insolvenzverwalter K hat den zweiten Erbvertrag angefochten. Klageziel ist, dass die Schuldnerin Vollerbin geworden ist, mit der Folge, dass der Nachlass für die Gläubiger verwertbar wäre.
Entscheidungsgründe
Der Insolvenzverwalter kann weder die im zweiten Erbvertrag vereinbarte Aufhebung der im ersten Erbvertrag erfolgten Erbeinsetzung der Schuldnerin noch ihre Mitwirkung am zweiten Erbvertrag, noch die Erbeinsetzung der Beklagten als Nacherbin anfechten. Die Aufhebung der Erbeinsetzung in dem zweiten Erbvertrag unterfällt nicht der Insolvenzanfechtung, weil es sich um eine höchstpersönliche Entscheidung der Schuldnerin handelt. Dies ergibt sich aus der Rechtsprechung des Senats zur Annahme oder Ausschlagung von Erbschaften und Vermächtnissen sowie zur Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen. Für den erbrechtlichen Erwerb im Insolvenzverfahren gelten folgende Grundsätze:
- Ausschlagung: Ist der Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während des Verfahrens Erbe geworden, fällt der Nachlass bis zur Annahme oder zur Ausschlagung (§§ 1942 ff. BGB) vorläufig in die Masse (§ 1922 Abs. 1 BGB, § 35 Abs. 1 InsO). Die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft steht wegen ihrer höchstpersönlichen Natur (BGH 10.3.11, IX ZB 168/09, NJW 11, 2291) ausschließlich dem Schuldner zu (§ 83 Abs. 1 InsO). Die wirksame Ausschlagung beseitigt den Anfall der Erbschaft von Anfang an (§ 1953 Abs. 1 BGB). Die Ausschlagung einer Erbschaft ist der Insolvenzanfechtung entzogen (BGH 19.3.92, IX ZR 14/91, ZIP 92, 558, 561), auch wenn der Ausschlagende im Einvernehmen mit dem an seine Stelle tretenden Erben mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung gehandelt hat.
- Entsprechendes gilt für den Vermächtnisnehmer. Der Vermächtnisnehmer kann das Vermächtnis annehmen oder ausschlagen (§ 2180 BGB). Auch dieses Recht steht als höchstpersönliches Recht in seiner Insolvenz allein dem Schuldner zu (§ 83 Abs. 1 InsO). Die Ausschlagung des Vermächtnisses ist ebenso wenig anfechtbar wie der Verzicht auf das Vermächtnis.
- Pflichtteil: Der Anspruch auf den Pflichtteil (§ 2303 BGB) entsteht ebenfalls mit dem Erbfall (§ 2317 Abs. 1 BGB, § 1922 Abs. 1 BGB). Wegen der familiären Verbundenheit zwischen dem Erblasser und dem Pflichtteilsberechtigten ist allein diesem die Entscheidung darüber vorbehalten, ob der Anspruch gegenüber dem Erben durchgesetzt werden soll. Dieses persönliche Entscheidungsrecht des Schuldners darf nicht durch Anwendung der Anfechtungsvorschriften unterlaufen werden (BGH 6.5.97, IX ZR 147/96, NJW 97, 2384). Deswegen stellt der Verzicht auf die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs in der Wohlverhaltensphase ebenfalls keine Obliegenheitsverletzung des Schuldners dar (BGH 16.7.09, IX ZB 72/09, ZInsO 09, 1831).
- Aufhebung Erbvertrag: Die vorgenannten Grundsätze gelten auch im vorliegenden Fall, in dem die Schuldnerin der Aufhebung ihrer erbvertraglichen Einsetzung zur Erbin zugestimmt hat. Auch diese Erklärung ist höchstpersönlicher Natur; auch ihre Wirkungen dürfen nicht durch die anfechtungsrechtliche Rückgewähr (§ 143 Abs. 1 InsO) unterlaufen werden.
Praxishinweis
Der BGH stellt nochmals ausdrücklich klar, dass die Entscheidung, Erbe oder Vermächtnisnehmer zu werden oder Pflichtteilsansprüche geltend zu machen höchstpersönlicher Natur ist. Diese Entscheidungen sind sämtlich der Insolvenzanfechtung entzogen. Dies gilt ausdrücklich auch dann, wenn die Entscheidung gegen ein Erbe oder Vermächtnis bzw. die Nichtgeltendmachung des Pflichtteilsrechts dazu führt, dass die Gläubiger leer ausgehen.