· Nachricht · Oberlandesgericht Frankfurt
Testierfähigkeit: Chronische Wahnvorstellungen, luzide Momente
| Die Erblasserin E hatte eine übertriebene Angst vor Einbrechern und deshalb über zehn Jahre zwei Detektive beschäftigt, die sie in ihrem Testament dann als Erben benannt hatte. Die gesetzlichen Erben wenden sich gegen die Erteilung eines Erbscheins an die Detektive. Sie sind der Ansicht, die E habe im Zeitpunkt der Testamentserrichtung an einem krankhaften Verfolgungswahn gelitten und sei deshalb nicht mehr testierfähig gewesen. |
Das Nachlassgericht (Vorinstanz) hatte ein Sachverständigengutachten eingeholt. Danach könne keine Testierunfähigkeit festgestellt werden, da die Möglichkeit bestehe, dass die E bei Testamentserrichtung in einem „lichten Augenblick“ gehandelt habe.
Das OLG Frankfurt (17.8.17, 20 W 188/16, Abruf-Nr. 196719) hat den Beschluss aufgehoben und die Sache an das Nachlassgericht zur weiteren Aufklärung zurückverwiesen: Es könne nicht verlässlich festgestellt werden, dass die E bei Testamentserrichtung in einem „lichten Augenblick“ gehandelt habe. Wahnhafte Störungen könnten in Abgrenzung zu alterstypischen „verbohrten“ Meinungen dann die freie Willensbildung ausschließen, wenn sie krankhaft seien. Dies sei der Fall, wenn eine „Abkoppelung von Erfahrung, Logik und kulturellen Konsens sowie der Verlust der Kritik und Urteilsfähigkeit“ vorliege.
MERKE | Sofern sich eine chronische Störung bei der Beurteilung der Testierfähigkeit feststellen lasse, seien jedenfalls nach der dem Senat verfügbaren wissenschaftlichen Literatur kurzfristige „luzide Intervalle“ praktisch ausgeschlossen. |