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  • · Nachricht · Oberlandesgericht Frankfurt

    Verknüpfung von Erbenstellung und Besuchspflicht sittenwidrig

    | In einem handschriftlichen Testament hatte der Erblasser E verfügt, dass seine Ehefrau und sein Sohn zu einer Quote von je 25 % erben. Die restlichen 50 % des dann noch vorhandenen Geldes sollten zu gleichen Teilen seine zwei Enkel bekommen, allerdings nur dann, wenn sie ihn regelmäßig, also mindestens sechs Mal im Jahr besuchen. Nach dem Tod des E beanspruchten die Enkel den ihnen ausgelobten Teil der Erbschaft, obwohl die verlangten regelmäßigen Besuche offenbar nicht stattgefunden haben. |

     

    Das OLG Frankfurt verhalf den Enkeln dennoch zu ihren Erbanteilen (OLG Frankfurt 5.2.19, 20 W 98/18, Abruf-Nr. 207718): Es kommt zu dem Ergebnis, dass die Verknüpfung zwischen Erbenstellung und Besuchspflicht sittenwidrig ist. Grundsätzlich kann der Erblasser nach der von Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG geschützten Testierfreiheit die Erbfolge nach seinen eigenen Vorstellungen gestalten. Die Sittenwidrigkeit einer Bedingung kann deshalb nur in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen angenommen werden. Ein solcher Ausnahmefall ist hier gegeben, da der E durch einen wirtschaftlichen Anreiz in einer gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ verstoßenden Weise ein bestimmtes Verhalten zu „erkaufen“ sucht. Der dabei zu erlangende Vermögensvorteil war im Hinblick auf das Gesamtvermögen des E von 250.000 EUR bis 300.000 EUR auch so erheblich, dass er ohne Weiteres geeignet war, die Entscheidung über die Besuchsfrage zu beeinflussen. Die Nichtigkeit der Besuchsbedingung führte hier jedoch nicht auch zu einer Nichtigkeit der Erbeinsetzung der Enkelkinder: Es seien keine Umstände ersichtlich, die dafür sprechen, dass der E anders testiert hätte, wenn er gewusst hätte, dass die von ihm getroffene Besuchsbedingung unwirksam ist.

    Quelle: Ausgabe 04 / 2019 | Seite 79 | ID 45798643