· Fachbeitrag · Pflichtteilsanspruch
Kein Neustart der Verjährungsfrist, wenn weitere Nachlassgegenstände bekannt werden
von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn
Die Verjährungsfrist beginnt nicht erneut zu laufen, wenn der Pflichtteilsberechtigte erst später von der Zugehörigkeit eines weiteren Gegenstands zum Nachlass erfährt (BGH 16.1.13, IV ZR 232/12, Abruf-Nr. 130576). |
Sachverhalt
Die Klägerin K macht gegen ihre Schwester S Pflichtteilsansprüche geltend. Die beklagte S wurde - nach Auskunftserteilung durch ein notarielles Nachlassverzeichnis - Mitte 2007 zur Zahlung verurteilt. Im Jahr 2009 erfuhren die Parteien, dass in den Nachlass des Erblassers ein weiteres Grundstück fiel. Dieses Grundstück war dem Erblasser als Vermächtnis im Jahr 1978 zugewandt worden. Das Grundstück wurde in der Folgezeit veräußert und S erhielt einen Betrag von 24.934,44 EUR. Die Klägerin meint, ihr stehe aus dem Verkaufserlös als Pflichtteilsberechtigte 1/8 zu - also 3.116,81 EUR. Die Beklagte hat sich unter anderem auf Verjährung berufen.
Entscheidungsgründe
Gemäß § 2332 BGB a.F. verjährt der Pflichtteilsanspruch in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Pflichtteilsberechtigte von dem Eintritt des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in 30 Jahren von dem Eintritt des Erbfalls. Auf dieser Grundlage ist der weitere Pflichtteilsanspruch wegen des Grundstücks, von dessen Zugehörigkeit zum Nachlass die Parteien erst im Jahr 2009 erfuhren, verjährt.
Ob und gegebenenfalls wann an den Fristbeginn neben der Kenntnis vom Erbfall und der beeinträchtigenden Verfügung weitere Voraussetzungen zu stellen sind, wird unterschiedlich beurteilt. Im Schrifttum wird vereinzelt die Auffassung vertreten, dass die Verjährungsfrist des Pflichtteilsanspruchs im Hinblick auf später neu aufgetauchte Nachlassgegenstände, erst mit dem Zeitpunkt zu laufen beginnt, zu dem der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis von der Zugehörigkeit jener Gegenstände zum Nachlass habe (Damrau, ZEV 09, 274, 277). Demgegenüber geht der Senat davon aus, dass es nicht auf die Vorstellung des Pflichtteilsberechtigten über den beim Erbfall vorhandenen Nachlass und seinen Wert ankommt (BGH 25.1.95, IV ZR 134/94, ZEV 95, 219; MünchKomm-BGB/Lange, 5. Aufl., § 2314 Rn. 51).
Diese zuletzt genannte Auffassung trifft auch auf die hier zu beurteilende Fallkonstellation zu, in der Erbe und Pflichtteilsberechtigter erst nachträglich Kenntnis von der Zugehörigkeit eines Gegenstands zum Nachlass erlangt haben. Aus dem Wortlaut von § 2332 Abs. 1 BGB a.F. ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass es für die Verjährung des Pflichtteilsanspruchs neben der Kenntnis vom Eintritt des Erbfalls und der beeinträchtigenden Verfügung in irgendeiner Weise auf die Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten vom Umfang und Wert des Nachlasses ankommen soll. Dies entspricht ferner dem Sinn und Zweck der Verjährung, innerhalb einer überschaubaren Frist Rechtsfrieden zu schaffen.
Gegen ein Abstellen auf die subjektive Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten vom Umfang des Nachlasses spricht ferner das in § 2311 Abs. 1 BGB enthaltene Stichtagsprinzip. Hiernach werden der Berechnung des Pflichtteils der Bestand und der Wert des Nachlasses zur Zeit des Erbfalls zugrunde gelegt. Daraus folgt, dass nachträgliche Änderungen der Berechnungsgrundlagen ohne Einfluss auf die Höhe der Pflichtteilsleistung sind.
Praxishinweis
Nach der Neuregelung des Rechts der Verjährung ist zu beachten, dass für Erbfälle ab dem 1.1.11 die Pflichtteilsansprüche zwar noch immer innerhalb von drei Jahren verjähren; allerdings beginnt die Frist erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte von dem Erbfall und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt hat. Ab dem Erbfall innerhalb von drei Jahren verjähren hingegen Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten nach § 2329 BGB gegen den Beschenkten (§ 2332 Abs. 1 BGB). Ergo: Auch nach neuem Recht hätte K keinen Anspruch geltend machen können.