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  • · Fachbeitrag · Pflichtteilsrecht

    Verjährung des Pflichtteilsanspruchs

    von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn

    Ist der Verjährungsbeginn kenntnisabhängig, kommt es für Beginn und Lauf der Verjährung im Falle des Gläubigerwechsels zunächst auf den Kenntnisstand des ursprünglichen Gläubigers an. Hatte dieser die für den Verjährungsbeginn erforderliche Kenntnis, geht der Anspruch so, d.h. mit in Gang gesetzter Verjährung auf den Rechtsnachfolger über, selbst wenn dieser die Kenntnis nicht mit oder erst nach dem Übergang des Anspruchs auf ihn erhält (BGH 30.4.14, IV ZR 30/13, Abruf-Nr. 141616).

     

    Sachverhalt

    Der Kläger K macht gegen die Beklagte S, seine Schwester, einen Pflichtteilsanspruch nach dem Tod des am 27.10.01 verstorbenen Großvaters, dem Erblasser, geltend. Dieser hatte durch notarielles Testament vom 1.3.00 die S zur Alleinerbin eingesetzt. Der am 1.3.02 verstorbene Sohn des Erblassers und Vater der Parteien hatte mit notariellem Testament vom 3.6.96 den K zum Alleinerben eingesetzt. Auf die am 8.4.09 eingereichte und am 27.5.09 zugestellte Klage erhebt die S die Einrede der Verjährung.

     

    Nach dem Tod des Vaters der Parteien legte dessen Witwe ein handschriftliches „Gemeinsames Testamente“ mit Datum vom 14.10.97 vor, in dem sich die Eheleute gegenseitig zu „Alleinerben“ eingesetzt hatten und der Vater der Parteien sein Testament vom 3.6.96 aufgehoben hatte. In einem Rechtsstreit war aber die Erbunwürdigkeit der Witwe wegen Fälschung dieses Testaments rechtskräftig festgestellt worden.

     

    Entscheidungsgründe

    Nach § 2332 Abs. 1 BGB (a.F.) verjährte der Pflichtteilsanspruch in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Pflichtteilsberechtigte von dem Eintritt des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangte. Da Pflichtteilsberechtigter zunächst der vom Erblasser enterbte Vater der Parteien war, kommt es darauf an, ob und wann dieser vom Tode des Erblassers und der Einsetzung der Beklagten als Alleinerbin Kenntnis erlangte. Hier ist davon auszugehen, dass der Vater der Parteien vor seinem Tod am 1.3.02 diese Kenntnis erlangt hatte. Mithin lief bereits zu Lebzeiten des Vaters der Parteien die Verjährungsfrist des § 2332 Abs. 1 BGB (a.F.). Nur wenn der Kenntnisstand des Rechtsvorgängers nicht geeignet war, die Verjährung in Lauf zu setzen, ist auf den Rechtsnachfolger abzustellen.

     

    Auf die Umstände, unter denen der K in die Erbenstellung nach seinem Vater eingerückt ist, kommt es nicht an. Die Verjährungsfrist begann für den K nicht erst mit Klärung seiner Erbenstellung. Das von der Witwe seines Vaters vorgelegte gefälschte Testament konnte ihre Erbenstellung nicht begründen. Durch das gegen sie ergangene Anfechtungsurteil wurde gemäß den § 2339 Abs. 1 Nr. 4 BGB, § 2342 Abs. 2 BGB festgestellt, dass sie auch unter keinem anderen rechtlichen Gesichtspunkt Erbin nach ihrem Ehemann geworden war. Die testamentarische Erbenstellung des K wurde dadurch nicht berührt. In jedem Fall beendete der Tod des Vaters der Parteien die noch zu seinen Lebzeiten in Gang gesetzte Verjährungsfrist nicht; vielmehr lief die Verjährung in der Person desjenigen weiter, auf den der Pflichtteilsanspruch kraft Erbfolge übergegangen war.

     

    Praxishinweis

    Im Fall des BGH vom 19.6.85 (IVa ZR 114/83, BGHZ 95, 76) kannte der ursprünglich Pflichtteilsberechtigte das ihn enterbende Testament und meinte, es sei durch späteres Testament aufgehoben worden. Nachdem ein entsprechender Erbschein, der ihn als Miterben ausgewiesen hatte, eingezogen worden war, machte er den Pflichtteilsanspruch geltend. Hier hatte der BGH entschieden, dass die ursprünglich vorhandene Kenntnis (enterbendes Testament), die den Fristlauf zunächst in Gang gesetzt hat, wieder entfallen kann (Erbschein).

     

    Vorliegend gilt aber: Der Vater der Parteien hatte seine Kenntnis vom Tod des Erblassers und der Alleinerbenstellung der S nicht infolge neuer Umstände verloren. Die beim K durch Vorlage des gefälschten Testaments ausgelösten Zweifel an seiner Erbenstellung lassen die für den Beginn der Verjährung des zum Nachlass gehörenden Pflichtteilsanspruchs erforderliche Kenntnis nicht entfallen.

     

    Den Schwierigkeiten, die sich aus einer solchen Fallgestaltung für Erben ergeben, trägt § 211 S. 1 BGB Rechnung. Danach tritt die Verjährung eines Anspruchs, der zu einem Nachlass gehört, nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen wird.

    Quelle: Ausgabe 07 / 2014 | Seite 160 | ID 42748912