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  • · Fachbeitrag · Pressemitteilung Oberlandesgericht Frankfurt a.M.

    Sittenwidrige Verknüpfung zwischen Erbenstellung und Besuchspflicht

    | Setzt ein Erblasser erbrechtliche Vermögensvorteile als Druckmittel für zu Lebzeiten durchzuführende Besuche seiner Enkelkinder ein, ist eine an die Besuchspflicht geknüpfte bedingte Erbeinsetzung der Enkel sittenwidrig und damit nichtig. Die Enkel sind unter Berücksichtigung des hypothetischen Willens des Erblassers auch ohne Erfüllung der Besuchspflicht Miterben, entschied das OLG Frankfurt a.M. mit heute veröffentlichtem Beschluss. |

     

    Die Beschwerdeführer sind die Enkel des Erblassers. Ihr Großvater hatte in einem handschriftlichen Testament seine Ehefrau sowie einen Sohn aus erster Ehe zu jeweils 25 % als Erben eingesetzt. Hinsichtlich der restlichen 50 % hatte er verfügt, dass dieses Geld die beiden Enkel ‒ Kinder eines anderen Sohnes ‒ zu gleichen Teilen bekommen sollten, „aber nur dann, wenn sie mich regelmäßig d.h. mindestens sechsmal im Jahr besuchen ... Sollte das nicht der Fall sein, d.h. mich keiner besuchen, werden die restlichen 50 % des Geldes zwischen meiner Frau ... und meinem Sohn ... aufgeteilt“. Diese Erbregelung war den Familienangehörigen zu Lebzeiten des Erblassers bekannt. Die damals minderjährigen Enkel erfüllten die jährliche Besuchszahl nicht.

     

    Die Ehefrau des Erblassers sowie der Sohn beantragten die Erteilung eines Erbscheins, der sie als hälftige Miterben ausweisen sollte. Das Nachlassgericht hatte diesem Antrag entsprochen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der beiden Enkel, die vor dem OLG Erfolg hatte. „Die von dem Erblasser ... aufgestellte aufschiebende Bedingung, die die Erbenstellung der Beschwerdeführer von der Erfüllung einer ihnen auferlegten Besuchspflicht bei dem Erblasser abhängig macht, ist vielmehr sittenwidrig und damit nichtig“, führte das OLG aus.

     

    Grundsätzlich sei zwar die im Grundgesetz geschützte Testierfreiheit eines Erblassers zu gewährleisten. Es müsse möglich sein, die Erbfolge nach seinen eigenen Vorstellungen zu gestalten. Die Sittenwidrigkeit einer Bedingung könne nur in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen angenommen werden. Die Grenze zu einem solchen Ausnahmefall sei dann überschritten, „wenn die von dem Erblasser erhobene Bedingung unter Berücksichtigung der höchstpersönlichen oder wirtschaftlichen Umstände die Entschließungsfreiheit der bedingten Zuwendungsempfänger unzumutbar unter Druck setzt und durch das Inaussichtstellen von Vermögensvorteilen Verhaltensweisen bewirkt werden sollen, die regelmäßig eine freie innere Überzeugung des Handelnden voraussetzen.“ Maßgeblich seien die Umstände des Einzelfalls, die erkennen lassen müssten, „ob der Erblasser durch einen wirtschaftlichen Anreiz in einer gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ verstoßenden Weise ein bestimmtes Verhalten zu „erkaufen sucht“, betont das OLG.

     

    Hier stellten sich die eingeforderten regelmäßigen Besuche der Enkelkinder als Voraussetzung für die Erlangung der Erbenstellung als sittenwidrig dar. Grundsätzlich sei zwar nichts gegen den Wunsch einzuwenden, seine Enkelkinder in regelmäßigen Abständen zu sehen. In der hier gewählten Form habe der Großvater jedoch faktisch seine Enkelkinder ‒ unter Zwischenschaltung der Eltern ‒ durch Inaussichtstellen der Erbenstellung im Falle regelmäßiger Besuche dem Druck ausgesetzt, „zur Erlangung eines Vermögensvorteils zwingend die im Testament genannten Besuchsbedingungen zu erfüllen“. Dabei seien die hier zu erlangenden Vermögensvorteile im oberen fünfstelligen Bereich auch erheblich gewesen. Der Erblasser habe über dieses Druckmittel gerade ein Verhalten seine Enkelkinder erreichen wollen, das regelmäßig deren innere, freie Überzeugung voraussetze. „Eine derartige Einflussnahme des Erblassers auf die Entschließungsfreiheit seiner Enkelkinder ... ist von der Rechtsordnung auch im Hinblick auf die Testierfreiheit des Erblassers nicht hinzunehmen und damit als sittenwidrig und somit nichtig einzuordnen“, resümiert das OLG.

     

    Die Nichtigkeit der Besuchsbedingung führe jedoch nicht zur Nichtigkeit der Erbeinsetzung. Hätte der Erblasser gewusst, dass die von ihm testierte Besuchsbedingung unwirksam wäre, sei davon auszugehen, dass er seine beiden Enkelkinder trotzdem als Miterben eingesetzt hätte. Dafür spreche gerade die von ihm gewünschte enge Bindung zu den Enkeln.

     

    Der Beschluss ist nicht anfechtbar.

     

    Urteil: OLG Frankfurt a.M. 5.2.19, 20 W 98/18, Beschluss

    Quelle: Pressemitteilung OLG Frankfurt a.M. vom 19.2.19, www.iww.de/s2455

    Quelle: ID 45772077