· Fachbeitrag · Testament
Testament ist nichtig, da die Erbfolge nicht auf Bestimmung des Erblassers beruht
von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn
Eine letztwillige Verfügung, mit der zum Erben die Person einsetzt wird, die „sich bis zu meinem Tode um mich kümmert“, ist nichtig (OLG München 22.5.13, 31 Wx 55/13, Abruf-Nr. 132266). |
Sachverhalt
Der Erblasser war nicht verheiratet und hatte keine Kinder. Aber er hatte 4 Brüder und 4 Nichten und Neffen und schon seit 20 Jahren eine Lebensgefährtin. Dem einen Neffen war eine Vorsorgevollmacht mit Betreuungsverfügung erteilt worden. Mit notariellem Testament vom 28.10.03 setzte der Erblasser seine 4 Neffen bzw. Nichten als Erben zu je 1/4 ein. Zugunsten seiner Lebensgefährtin setzte er ein Geldvermächtnis von 5.200 EUR aus. Weiter liegt ein handschriftliches Testament vom 28.12.10 vor. Darin waren zunächst verschiedene Vermächtnisse bezüglich persönlicher Gegenstände sowie Barvermächtnisse ausgesetzt. Weiter war angeordnet: „Das Haus und meine anderen Sachen soll bekommen, wer sich bis zu meinem Tode um mich kümmert. Sollte das nicht der Fall sein, soll alles das S-Kloster erhalten.“
Zwischen den potenziellen Erben war streitig, wer in welchem Umfang sich um den Erblasser „gekümmert“ hatte. Der Neffe, dem eine Vorsorgevollmacht mit Betreuungsverfügung erteilt worden war, und die Lebensgefährtin beantragten aufgrund des handschriftlichen Testaments vom 28.12.10 jeweils einen Teilerbschein zu je 1/2. Nachdem das Nachlassgericht alle potenziellen Erben gehört hatte, stellte es die Tatsachen für die Erteilung der beantragten Teilerbscheine fest.
Entscheidungsgründe
Die Zuwendung des Hauses als wesentlicher Vermögensgegenstand des Nachlasses kann als Erbeinsetzung ausgelegt werden. Eine ausdrückliche Bestimmung der Person des Bedachten hat der Erblasser in diesem Zusammenhang jedoch nicht getroffen. Diese kann auch nicht im Wege der Anwendung der allgemeinen Auslegungsgrundsätze i.S. der §§ 133, 2084 BGB festgestellt werden. Der Erblasser hat die Zuwendung seiner Immobilie nicht mit einer Namensnennung, sondern mit dem Pronomen „wer“ verknüpft. Insofern ist unklar, ob der Erblasser damit diejenigen Personen gemeint hat, die er bereits mit Einzelgegenständen bedacht hat oder ob er darunter einen Personenkreis über diese Bedachten hinaus verstanden hat. Einer abschließenden Klärung dieser Frage bedarf es jedoch nicht. Das Testament lässt nämlich bereits offen, an welche Art von „kümmern“ der Erblasser gedacht hat. Insofern steht der Inhalt einer solchen Erbeinsetzung nicht im Einklang mit den Anforderungen an eine wirksame Verfügung i.S. des § 2065 Abs. 2 BGB. Danach kann der Erblasser die Bestimmung der Person, die eine Zuwendung aufgrund letztwilliger Verfügung erhalten soll, nicht einem anderen überlassen. Dies bedeutet, dass der Erblasser im Hinblick auf die Individualisierung eines Bedachten seinen Willen nicht in der Weise unvollständig äußern darf, dass es einem Dritten überlassen bleibt, nach Belieben oder Ermessen den Erblasserwillen in wesentlichen Teilen zu ergänzen (BGH 18.11.54, IV ZR 152/54, BGHZ 15, 199/200). Nur die Bezeichnung, nicht die Bestimmung darf also einem Dritten übertragen werden. Dann müssen aber die Hinweise im Testament so genau sein, dass eine jede mit genügender Sachkunde ausgestattete Person den Bedachten bezeichnen kann, ohne dass deren Ermessen auch nur mitbestimmend ist.
Die von dem Erblasser gewählte Formulierung ist so vage, dass die Beantwortung der Frage, ob sich jemand nach Testamentserrichtung bis zum Tode des Erblassers in der Art und Weise um den Erblasser „gekümmert“ hat, von dem jeweiligen Begriffsverständnis des die Person des Bedachten zu bestimmenden Dritten abhängig ist. Insofern beruht die Erbfolge nicht auf einer Bestimmung des Erblassers selbst, sodass dessen Anordnung gegen § 2065 Abs. 2 BGB verstößt. Ein solcher Verstoß führt zur Nichtigkeit der betreffenden letztwilligen Verfügung. Da die letztwillige Verfügung vom 28.12.10 nichtig ist, bestimmt sich die Erbfolge nach dem Testament vom 28.10.03.
Praxishinweis
Gerade in Fällen, in denen der spätere Erblasser keine nahen Verwandten hat, denen er sich erbrechtlich verpflichtet fühlt, ist regelmäßig erwünscht, dass gerade derjenige eine besondere Zuwendung erhalten soll, der sich um den Erblasser „kümmert“. Da die Bestimmung der Erben jedoch keinem Dritten überlassen werden kann, muss die Person des Bedachten selbst im Testament geregelt werden. Allerdings ist immer davon abzuraten, die Erbeinsetzung mit einem Motiv zu verknüpfen - wie z.B.: „XY erhält …., da er sich immer so aufopferungsvoll um mich gekümmert hat“. Nach dem Erbfall wird es für den so Bedachten teilweise schwierig sein, dieses „kümmern“ zu belegen. Andere, beispielsweise übergangene gesetzliche Erben, könnten das Testament aufgrund der Motivangabe anfechten wollen.