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  • · Fachbeitrag · Testament

    Umdeutung eines gemeinschaftlichen Testaments in ein Einzeltestament wegen Demenz

    von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn

    Auch wechselbezügliche Verfügungen eines wegen Testierunfähigkeit eines Ehegatten unwirksamen gemeinschaftlichen Testaments können in ein Einzeltestament des anderen Ehegatten umgedeutet werden (OLG München 23.7.14, 31 Wx 204/14, Abruf-Nr. 142884).

     

    Sachverhalt

    Anfang 2009 hatten die Ehegatten ein notarielles gemeinschaftliches Testament errichtet, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben eingesetzt haben. Als Schlusserbe nach dem überlebenden Ehegatten wurde der gemeinsame Sohn S eingesetzt, jedoch nur als Vorerbe; als Nacherben auf dessen Ableben sind dessen Abkömmlinge eingesetzt. Nach dem Tod des Vaters beantragte S einen Teilerbschein aufgrund gesetzlicher Erbfolge, der ihn als Miterben zu 1/2 neben seiner Mutter ausweist. Das Testament der Eltern sei unwirksam, weil seine Mutter zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung aufgrund fortgeschrittener Demenz testierunfähig gewesen sei. Die Nichtigkeit der Willenserklärungen der EF habe die Unwirksamkeit der Erklärungen des Erblassers einschließlich der Erbeinsetzung der EF zur Folge.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Ehefrau ist Alleinerbin geworden. Selbst wenn sie bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments Anfang 2009 testierunfähig gewesen ist, ist jedenfalls nicht gesetzliche Erbfolge eingetreten. Eine als gemeinschaftliches Testament unwirksame letztwillige Verfügung kann im Wege der Umdeutung als einseitige letztwillige Verfügung aufrechterhalten werden. Das gilt nicht nur dann, wenn es an den formellen Voraussetzungen fehlt - wie etwa bei Nichtehegatten oder wegen des fehlenden Beitritts eines Ehegatten -, sondern auch, wenn wegen Testierunfähigkeit eines Ehegatten ein gemeinschaftliches Testament nicht wirksam errichtet wurde (Staudinger/Kanzleiter BGB, § 2265 Rn. 14; Palandt/Ellenberger BGB, § 140 Rn. 10).

     

    § 2270 Abs. 1 BGB steht der Umdeutung nicht entgegen. Danach hat bei wechselbezüglichen Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge. Diese Vorschrift ist jedoch nicht zwingend; es steht den Testierenden frei, die an die Nichtigkeit einer wechselbezüglichen Verfügung geknüpfte Rechtsfolge abzumildern oder auszuschließen. Ein solcher Wille kann auch durch Auslegung ermittelt werden. Hier ergibt die Auslegung, dass der Erblasser seine Ehefrau durch einseitige letztwillige Verfügung zur Alleinerbin eingesetzt hätte, wenn er gewusst hätte, dass wegen ihrer Testierunfähigkeit eine gemeinschaftliche letztwillige Verfügung mit einer gegenseitigen Erbeinsetzung nicht wirksam getroffen werden konnte. Die Ehegatten waren seit 1952 verheiratet. Das von ihnen gemeinsam bewohnte wertvolle Hausgrundstück stand im Alleineigentum des Erblassers. Mit ihrem einzigen Sohn hatten die Ehegatten im Mai 2008 einen Überlassungsvertrag mit Pflichtteilsverzicht abgeschlossen. Diese Umstände legen nahe, dass es dem Erblasser bei Errichtung des Testaments vorrangig darum ging, seine Ehefrau zu versorgen und abzusichern. Hinzu kommt, dass nach den Angaben des Urkundsnotars der Erblasser die Initiative zur Errichtung des Testaments ergriffen und die inhaltliche Ausgestaltung bestimmt hat.

     

    Praxishinweis

    Ob die Ehefrau hier bei der Testamentserrichtung tatsächlich aufgrund der von S behaupteten fortgeschrittenen Demenz testierunfähig gewesen war, war folglich nicht entscheidungserheblich: War sie testierfähig, ergibt sich die Alleinerbenstellung der EF aus dem gemeinschaftlichen Testament; war sie testierunfähig ergibt sich ihre Alleinerbenstellung daraus, dass das gemeinschaftliche Testament in ein Einzeltestament des Erblassers umzudeuten war. Beim Tod der Mutter wird S dann wiederum auf die Testierunfähigkeit der Mutter verweisen. Er ist aufgrund der angeordneten Vor- und Nacherbfolge in seinem Erbrecht eingeschränkt. Eine Ausschlagung nützt ihm nichts, da er aufgrund des erklärten Pflichtteilsverzichts dann gänzlich leer ausgehen würde.

     

    Weiterführender Hinweis

    • Slabon, Nachweis über Testierunfähigkeit der Erblasserin wurde nicht erbracht, ErbBstg 14, 164 f.
    Quelle: Ausgabe 10 / 2014 | Seite 260 | ID 42944657