· Fachbeitrag · Testament
Umfassende Enterbung der Verwandten
Die Erblasserin hatte ihn ihrem Testament bestimmt, dass „jegliche Forderungen von Verwandten (...) ausdrücklich ausgeschlossen“ werden. Sie hatte seit Jahrzehnten keinen Kontakt mit den Verwandten gehabt. Die Formulierung bedeutet eine umfassende Enterbung (OLG Hamm 9.12.11, I-15 W 701/10, Abruf-Nr. 120873). |
Entscheidungsgründe
Das AG hat den Erbscheinsantrag, der die gesetzliche Erbfolge bezeugen soll, zu Recht abgelehnt, da die gewählte Formulierung als umfassende Enterbung i.S. des § 1938 BGB auszulegen ist. Die Testamentsauslegung hat zum Ziel, den wirklichen Willen des Erblassers zu erforschen. Dabei ist zunächst vom Wortlaut auszugehen, der jedoch nicht bindend ist. Vielmehr sind der Wortsinn und die vom Erblasser benutzten Ausdrücke zu hinterfragen, um festzustellen, was er mit seinen Worten hat sagen wollen und ob er mit ihnen genau das wiedergegeben hat, was er zum Ausdruck bringen wollte. Maßgeblich ist insoweit allein sein subjektives Verständnis der von ihm verwendeten Formulierung. Die nächstliegende Bedeutung der Formulierung „Forderung ausgeschlossen“ bedeute danach eine Enterbung der betreffenden Personen. Dafür, dass die Erblasserin hier nur schuldrechtliche Ansprüche gleich welcher Art ausschließen wollte, lassen sich keine Anhaltspunkte finden. Denn die Formulierung „jegliche Forderungen“ spricht für einen weitergehenden Regelungswillen.
Praxishinweis
Allgemein ist - bei einem nicht ganz eindeutigen Testament - bei der Annahme der Enterbung aller Verwandten Zurückhaltung geboten. Denn es besteht durchaus ein allgemeiner Erfahrungssatz dahingehend, dass ein Erblasser das Erbrecht eines auch noch so entfernten Verwandten zumeist dem Erbrecht des Fiskus vorziehen wird. Der Wille zum umfassenden Ausschluss des Verwandtenerbrechts muss daher anhand der letztwilligen Verfügung feststellbar sein und darf nicht vorschnell angenommen werden. (GS)