Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Nachricht · Verwaltungsgericht Lüneburg

    Bestattungspflicht des Sohnes des Verstorbenen entfällt nicht deshalb, weil der Verstorbene den Sohn nicht kindgerecht behandelt und ihm Bier zu trinken gegeben hat

    | Ist ein Verwandter nach § 1611 BGB von der Unterhaltspflicht befreit, führt dies nicht zugleich zu einem Entfallen der öffentlich rechtlichen Bestattungspflicht (VG Lüneburg 16.12.14, 5 A 146/14 ). |

     

    Mit Bescheid vom 14.11.13 forderte die Beklagte den Sohn des Verstorbenen auf, für die Bestattung der Urne seines Vaters Sorge zu tragen. Hierauf meldete sich eine Verfahrensbevollmächtigte des Sohnes. Sie teilte mit, dass zwischen dem Verstorbenen und dessen Sohn keine Eltern-Kind-Beziehung bestanden habe. Die Eltern hätten sich getrennt, als der Sohn drei Jahre alt gewesen sei. Bei der Scheidung der Ehe der Eltern im Jahr 1995 sei der Mutter das alleinige Sorgerecht zugesprochen worden. Anfängliche Kontakte des Verstorbenen zu seinem Sohn seien eingestellt worden, da der Verstorbene seinen Sohn nicht kindgerecht behandelt und ihm Bier zu trinken gegeben habe. Der Verstorbene habe seinem Sohn nie Unterhalt gezahlt. Aus diesem Grund habe der Altmarkkreis Salzwedel im Jahr 2008 auch festgestellt, dass der Anspruch des Verstorbenen gegen seinen Sohn auf Unterhalt gemäß § 1611 BGB verwirkt sei. Insgesamt bestehe eine Bestattungspflicht des Sohnes nicht, da diese unbillig wäre. Außerdem seien andere Angehörige vorhanden, die dem Verstorbenen nähergestanden hätten.

     

    Die Beklagte hatte die Einäscherung des Verstorbenen bei dem Bestattungsunternehmen D-GmbH in Auftrag gegeben. Die Beklagte teilte der Schwester des Verstorbenen (Klägerin) mit Schreiben vom 17.7.14 mit, dass durch die Einäscherung und Bestattung des Verstorbenen Kosten in Höhe von insgesamt 1.892,27 EUR entstanden seien. Diese Kosten seien anteilig von allen Geschwistern des Verstorbenen zu tragen. Der Anteil der Klägerin belaufe sich auf 157,69 EUR, was einem Zwölftel des Gesamtbetrags entspreche.

     

    Gegen den Bescheid hat die Klägerin geklagt. Sie ist der Auffassung, es müsse zunächst der Nachlass des Verstorbenen zur Begleichung der Bestattungskosten herangezogen werden. Dies gebiete auch § 1968 BGB. Der Sohn des Verstorbenen sei bestattungspflichtig. Im Hinblick auf sie selbst liege eine unbillige Härte vor, wenn sie zu den Kosten der Bestattung herangezogen würde, da sie zu dem Verstorbenen seit mehr als dreißig Jahren keinen Kontakt gehabt habe. Außerdem beziehe sie sich auf § 177 StGB.

     

    Nach § 8 Abs. 4 S. 2 und 3 des Niedersächsischen Bestattungsgesetzes (NBestattG) haftet ein vorrangig Bestattungspflichtiger der Gemeinde für Bestattungskosten, die dieser entstanden sind, weil sonst niemand für die Bestattung gesorgt hat. Die Gemeinde kann die Kosten im Wege des Erlasses eines Leistungsbescheides geltend machen. Vorliegend fehlt es indes an den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme der Klägerin. Die Klägerin ist nicht vorrangig Bestattungspflichtige i.S. des § 8 Abs. 4 S. 2 NBestattG. Vorrangig bestattungspflichtig ist, wer nach der absteigenden Reihenfolge des § 8 Abs. 3 Nr. 1 bis Nr. 6 NBestattG für die Bestattung des Verstorbenen zu sorgen hat. Vorliegend war der Sohn des Verstorbenen (§ 8 Abs. 3 Nr. 2 NBestattG) vor der Klägerin (§ 8 Abs. 3 Nr. 6 NBestattG) bestattungspflichtig.

     

    Ausnahmen von der Bestattungspflicht nach § 8 Abs. 1, Abs. 3 NBestattG sieht das Gesetz nicht vor. Ein Entfallen der Bestattungspflicht aus Billigkeitsgründen kommt daher nur in besonderen Ausnahmesituationen in Betracht, in denen einem Angehörigen schlichtweg unzumutbar ist, für die Bestattung des Verstorbenen Sorge zu tragen. In Erwägung zu ziehen ist ein Entfallen der Bestattungspflicht lediglich bei schweren Straftaten des Verstorbenen zu Lasten des an sich bestattungspflichtigen Angehörigen oder bei einem vergleichbaren besonders schwerwiegenden elterlichen Fehlverhalten und einer daraus folgenden beiderseitigen grundlegenden Zerstörung des Eltern-Kind-Verhältnisses in Betracht. Derartige Ausnahmesituationen können etwa in Fällen erlittener Misshandlungen durch den Verstorbenen vorliegen. Nicht ausreichend sind demgegenüber Unterhaltspflichtverletzungen, ein zerrüttetes Verhältnis des Verstorbenen zu dessen nahen Angehörigen, das zu einem über Jahrzehnte ausbleibendem Kontakt führt.

     

    FAZIT | Nach diesen Maßstäben führen die von der Beklagten vorgetragenen Umstände nicht zu einem Entfallen der Bestattungspflicht des Sohnes des Verstorbenen.

    Quelle: ID 43184288