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  • · Fachbeitrag · Vor- und Nacherbschaft

    Grundstück: Recht der Nacherben vereitelt, Veräußerung war in vollem Umfang unwirksam

    von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn

    | Das OLG München hat klargestellt, dass auch eine Teilunentgeltlichkeit zur Gesamtunwirksamkeit der das Recht der Nacherben vereitelnden Verfügung führt. |

     

    Sachverhalt

    Die Erblasserin E bestimmte in ihrem Testament beide Enkelkinder (I und G) zu ihren Erben zu gleichen Teilen, wobei jeder der beiden zugleich Nacherbe des anderen werden sollte, falls dieser keine Nachkommen hatte; andernfalls sollten deren Nachkommen Nacherben sein.

     

    Nach dem Tod der E setzten sich die beiden Vorerben dergestalt auseinander, dass jeder von ihnen Grundbesitz erhielt. Der Wert des dem G zugefallenen Grundstücks betrug Mitte 1989 laut einem Verkehrswertgutachten 1,4 Mio. DM. Grund für die Bewertung war die Vorbereitung der Scheidung des G von seiner Ehefrau. Ende 1990 verkaufte der G eine Teilfläche von dem Grundstück von 788 qm zu einem Preis von 550.000 DM. Die verbliebene Teilfläche von 0,187 ha verkaufte G Mitte 1992 an die Eheleute Werner und Renate T zu einem Gesamtkaufpreis von 600.000 DM. Ein Nacherbenvermerk zugunsten der beiden Urenkelinnen der E war im Grundbuch eingetragen; darauf war im notariellen Kaufvertrag auch hingewiesen worden. Im Zuge der Umschreibung auf die Eheleute T wurde der Nacherbenvermerk gelöscht.

     

    1994 übertrugen die Eheleute T den Grundbesitz unentgeltlich im Wege vorweggenommener Erbfolge auf ihren Sohn S. Auch die Eheleute T ließen sich in der Folgezeit scheiden. Sodann heiratete G im Jahr 2004 die Frau T.

     

    Im Jahr 2013 verstarb der G und wurde von seinen beiden Töchtern ‒ den Nacherbinnen ‒ je zur Hälfte beerbt. Diese Töchter vertreten die Auffassung, dass sie mit dem durch den Tod ihres Vaters G eingetretenen Nacherbfall Eigentümerinnen der Teilfläche von 0,187 ha geworden sind. Sie haben gegenüber dem S einen Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB geltend gemacht, hilfsweise einen Herausgabeanspruch nach § 985 BGB.

     

    Entscheidungsgründe

    Im Ergebnis bekamen die Töchter hier Recht (OLG München 16.5.18, 20 U 2903/17, Abruf-Nr. 202400). Die Übereignung des Grundstücks durch den G an die Eheleute T war teilweise unentgeltlich gewesen und deshalb gemäß § 2113 Abs. 2 BGB in vollem Umfang unwirksam.

     

    Dem aufgegebenen Vermögenswert stand objektiv keine gleichwertige, in den Nachlass zu erbringende Gegenleistung gegenüber, und der G hätte diese Ungleichwertigkeit nach dem Maßstab ordnungsgemäßer Verwaltung jedenfalls erkennen müssen. Auch eine Teilunentgeltlichkeit führt zur Gesamtunwirksamkeit der das Recht der Nacherben ‒ wie hier unstreitig ‒ vereitelnden Verfügung (§ 2113 Abs. 2 S. 1 und Abs. 1 BGB, § 2136 BGB).

     

    Auf eine etwaige „Gutgläubigkeit“ des Vorerben hinsichtlich der Entgeltlichkeit kommt es nicht an. Entscheidend ist, ob der Vorerbe die Ungleichwertigkeit der Gegenleistung nach dem Maßstab ordnungsgemäßer Verwaltung hätte erkennen können. Dies war hier der Fall. Hier wurde die erste Grundstücksteilfläche von 788 qm für einen Preis von 550.000 DM verkauft. Das an die Eheleute T verkaufte Restgrundstück war mit 0,187 ha mehr als doppelt so groß. Trotzdem wurde nur ein marginal höherer Preis von 600.000 DM vereinbart. Die teilweise Unentgeltlichkeit liegt hier auf der Hand und war von dem Vorerben auch zu erkennen.

     

    Allerdings erwarb der S von seinen Eltern gutgläubig das Eigentum an dem Grundstück. Der Nacherbenvermerk war gelöscht, eine positive Kenntnis des S von der Nichtberechtigung seiner Eltern war nicht behauptet worden. Dies führt hier allerdings lediglich dazu, dass die Klage nicht schon im Haupt-, sondern erst im Hilfsantrag, dem Herausgabeanspruch gemäß § 816 Abs. 1 S. 2 BGB, erfolgreich ist.

     

    Die Verfügung der nichtberechtigten Eheleute T wurde aufgrund des gutgläubigen Erwerbs des S den Berechtigten (den Töchtern des G) gegenüber wirksam (§ 816 Abs. 1 S. 1 BGB). Der S hat das Grundstück unentgeltlich übertragen bekommen. Dass im Vertrag bestimmt ist, dass die Zuwendung auf Pflichtteilsansprüche angerechnet werden soll, stellt keine Gegenleistung für den Grundstückserwerb dar.

     

    Relevanz für die Praxis

    Der Nacherbe ist ‒ auch wenn der Vorerbe von allen Beschränkungen befreit ist ‒ insbesondere vor unentgeltlichen Verfügungen umfassend geschützt (§ 2113 Abs. 2 S. 1 BGB, § 2136 BGB). Auch eine teilweise unentgeltliche Verfügung fällt unter diesen Schutz zugunsten des Nacherben.

    Quelle: Ausgabe 08 / 2018 | Seite 183 | ID 45357797