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  • · Fachbeitrag · Vorsorgevollmacht

    Bevollmächtigter muss sich gegenüber Erben für Kontoabflüsse rechtfertigen

    von RA Notar StB Dipl.-Kfm. Gerhard Slabon, FA ErbR, Paderborn

    Wird eine Vorsorgevollmacht erteilt, wird hierdurch ein rechtsgeschäftlich bindendes Auftragsverhältnis begründet. Somit bestehen seitens des Bevollmächtigten grundsätzlich Auskunfts- und Rechenschaftspflichten (Brandenburgisches OLG 20.11.13, 4 U 130/12, Abruf-Nr. 140331).

     

    Sachverhalt

    Die im Alter von fast 90 Jahren verstorbene Erblasserin wohnte seit 1984 mit ihrer Schwiegertochter S in deren Haus. Bereits am 23.7.02 hatte die Erblasserin der Schwiegertochter eine Kontovollmacht für ihr Girokonto erteilt. Am 1.1.05 erteilte die Erblasserin ihr auch noch eine Vorsorgevollmacht. Die Enkel der Erblasserin (Kläger) nehmen als Erben die S, die zweite Ehefrau des bereits im Jahr 1999 verstorbenen Vaters der Kläger, auf Erstattung von Verfügungen in Anspruch, die die S im Zeitraum von 2005 bis zum Tod der Erblasserin von deren Girokonto vorgenommen hat.

     

    Im Zeitraum von 2003 bis einschließlich 2008 nahm S im Wege von Barabhebungen oder Überweisungen Verfügungen über das Girokonto der Erblasserin in einem Umfang von insgesamt 146.000 EUR vor, davon 90.500 EUR im Zeitraum von 2005 bis einschließlich 2008. Es handelte sich überwiegend um Barabhebungen in einem Umfang von 1.000 EUR bis 3.000 EUR. Hinzu kommen zwei Verfügungen über 20.000 EUR und 15.000 EUR.

     

    Die Kläger haben die beklagte S im Wege einer Stufenklage zunächst auf Rechenschaftslegung über die Verwendung der Geldbeträge in Anspruch genommen. Die S wurde zu einer entsprechenden Rechenschaftslegung für die Zeit ab dem 1.1.05 verurteilt. In der Leistungsstufe haben die Kläger die S nun auf Zahlung von 90.500 EUR in Anspruch genommen. Mit dem nun angefochtenen Schlussurteil hat das LG Cottbus die S antragsgemäß zu einer Zahlung von 90.500 EUR nebst Zinsen an die Kläger als Gesamtgläubiger verurteilt.

     

    Entscheidungsgründe

    Den Klägern steht als Erben der Erblasserin aufgrund des - im Rahmen der Vorsorgevollmacht vom 1.1.05 begründeten - Auftragsverhältnisses, ein Anspruch auf Zahlung zu. Das Brandenburgische OLG hat den Anspruch auf Zahlung von 59.500 EUR festgestellt. Dabei kann dahinstehen, ob dieser Anspruch dogmatisch als Herausgabeanspruch aus § 667 BGB i.V. mit § 1922 BGB oder als Schadensersatzanspruch aus §§ 667, 280 BGB i.V. mit § 1922 BGB herzuleiten ist.

     

    Das Gericht geht hier davon aus, dass mit der Vorsorgevollmacht vom 1.1.05 ein rechtsgeschäftlich bindendes Auftragsverhältnis begründet worden ist. Dafür spreche bereits, dass in dem Text der Vorsorgevollmacht sogar ausdrücklich der Begriff des „Auftragsverhältnisses“ verwandt worden ist. Der Auftrag ist dahin auszulegen, dass die beklagte S nicht nur zur Erhaltung oder Mehrung des Vermögens der Erblasserin verpflichtet sein sollte, sondern vor allem auch im Sinne einer Verpflichtung, der Erblasserin Bargeld zu besorgen, das zur Bestreitung des Lebensunterhalts oder auch zur Erfüllung von Wünschen der Erblasserin benötigt wurde. Hinsichtlich der von der S getätigten Barabhebungen und Überweisungen von dem Girokonto der Erblasserin hatte diese zu beweisen, dass sie die Geldmittel der Erblasserin auftragsgemäß verwandt hat. Das Gericht unterscheidet im Folgenden aber zwischen kleineren und größeren Abhebungen.

     

    Für den Anspruch aus § 667 BGB kommt es nicht nur darauf an, ob die Beklagte hinreichend dargelegt und unter Beweis gestellt hat, dass sie die von dem Konto der Erblasserin abgehobenen Geldbeträge der Erblasserin übergeben hat; ein auftraggemäßer Verbrauch der abgehobenen Geldbeträge ist vielmehr auch anzunehmen, soweit die Beklagte die Geldmittel für den Lebensunterhalt oder für sonstige Zwecke der Erblasserin verwandt hat. Das Gericht schätzt diesen Mindestbedarf auf 16.000 EUR.

     

    Hinsichtlich des abgehobenen Betrags von 20.000 EUR vom 23.9.05 lässt das Gericht den Einwand der S aber nicht zu, die Erblasserin hätte die Kontoauszüge erhalten und kontrolliert. Zwar könnte aus einer Kontrolle der Kontoauszüge durch die Erblasserin zu schließen sein, dass sie entweder den Betrag von 20.000 EUR tatsächlich erhalten hat oder mit dem Verbleib dieses Betrags bei der Beklagten einverstanden war und keine weitere Rechenschaft über dessen Verwendung verlangte. Im Streitfall hatte das Gericht aufgrund eines Pflegegutachtens aus 2005 jedenfalls erhebliche Zweifel, ob die Erblasserin tatsächlich am 23.9.05 noch in der Lage war, anhand von Kontoauszügen den Verbleib ihrer Mittel zu kontrollieren.

     

    Praxishinweis

    Wird eine Vorsorgevollmacht erteilt, bestehen seitens des Bevollmächtigten grundsätzlich Auskunfts- und Rechenschaftspflichten aufgrund eines Auftragsverhältnisses i.S. von § 666 BGB. Der Bevollmächtigte hat - notfalls gegenüber den Erben - die zweckentsprechende Verwendung der abgehobenen oder überwiesenen Gelder nachzuweisen. Gelingt ihm das nicht, haftet er für diese Beträge. Etwas anderes gilt, wenn der Vollmachtgeber auf die Auskunfts- und Rechenschaftspflichten verzichtet. Ein solcher Verzicht kann auch konkludent erfolgen, nach der Rechtsprechung jedoch nur in engen Grenzen und bei einem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen dem Vollmachtgeber und dem Bevollmächtigten, z.B. bei Ehegatten.

     

     

    Weiterführender Hinweis

    • Slabon, Gericht bestellt Betreuer - trotz Vorsorgevollmacht, ErbBstg 14, 7
    Quelle: Ausgabe 02 / 2014 | Seite 42 | ID 42477414