02.10.2008 | Aktuelle Gesetzgebung
FamFG: Verfahren in Familiensachen
von VRiOLG Dieter Büte Bad Bodenteich/Celle
In der letzten Ausgabe von FK haben wir einen Überblick über den allgemeinen Teil des FamFG gegeben, das voraussichtlich am 1.9.09 in Kraft treten wird (FK 08, 157). Der Beitrag informiert Sie über das Verfahren in Familiensachen.
Übersicht: FamFG: Verfahren in Familiensachen |
Auch in Familienstreitsachen ergeht gemäß § 116 Abs. 1 die Entscheidung durch Beschluss.
§ 111 definiert Familiensachen und ersetzt die Kataloge der §?23b Abs. 1 S. 2 GVG und § 621 Abs. 1 ZPO. Die Einführung des Großen Familiengerichts und die Abschaffung des Vormundschaftsgerichts erweitern den Kreis der Familiensachen, z.B. durch § 111 Nr. 4 für Adoptionssachen und durch § 111 Nr. 10 für sonstige Familiensachen. § 112 definiert als Familienstreitsachen Unterhalts-, Güterrechts- sowie sonstige Familiensachen und die entsprechenden Streitigkeiten bei Lebenspartnerschaften.
Trotz Zuweisung zum FamG wird weiterhin zwischen FamFG- und ZPO-Sachen unterschieden. Zu den ZPO-Sachen zählen Ehe- und die sog. Familienstreitsachen. §?113 Abs. 1 FamFG-E regelt, dass anstelle der §§ 7 bis 32, 40 bis 48 und 76 bis 96 FamFG-E die ZPO greift, sodass das Beweisrecht, das PKH-Verfahren, die Kostenentscheidung und die Vollstreckung nach ZPO-Grundsätzen erfolgen. Die Vorschriften des FamFG gelten für das einstweilige Anordnungs- und das Rechtsmittelverfahren. Weiterhin werden Entscheidungen in Ehe- und in Familienstreitsachen wegen ihres rechtsgestaltenden Charakters erst mit Rechtskraft wirksam, § 16 Abs. 2 u. 3. In Familiensachen kann und bei Unterhaltsanordnungen soll das Gericht die sofortige Wirksamkeit der Entscheidung anordnen.
§ 117 enthält Sonderregelungen zum Rechtsmittel in Ehe- und Familienstreitsachen. Danach ist das Rechtsmittel einheitlich als unbeschränkte zweite Tatsacheninstanz ausgestaltet. Die Beschwerde ist – abweichend von § 65 – binnen zwei Monaten zu begründen, § 117 Abs. 1 S. 2. § 520 Abs.?2 S.?2 und 3 sowie § 522 Abs. 1 S. 1 und 2 und 4 ZPO gelten entsprechend, ebenso gemäß § 117 Abs.?2 die §§ 514, 524 Abs. 2 S. 2 und 3, §§ 528, 538 Abs. 2 und § 539 ZPO. Einer Güteverhandlung bedarf es im Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeverfahren nicht.
§ 119 Abs. 1 S. 1 verweist in Familienstreitsachen auf die FamFG-Vorschriften zur einstweiligen Anordnung und damit auf die §§ 49 bis 57. In Güterrechtssachen und sonstigen Familiensachen gemäß § 119 Abs. 1 S. 2 ZPO ist 945 ZPO (Ersatz des durch die Vollstreckung erlittenen Schadens) analog anwendbar. Zudem ist gemäß § 119 Abs. 1 in Familienstreitsachen der Arrest zulässig.
Im Grundsatz verbleibt der Scheidungsverbund (§ 137). Eine Kindschaftssache kann nur einbezogen werden, wenn ein Ehegatte dies vor Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug beantragt und Gründe des Kindeswohls nicht dagegen sprechen. Die Vorschrift entspricht weitgehend § 623 Abs. 1 bis 3 ZPO. Die Folgesache muss aber spätestens zwei Wochen vor der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug in der Scheidungssache anhängig gemacht worden sein.
Neu ist die Auflösung des Verbunds durch Abtrennung, §?140. Angesichts des in Kindschaftsfolgesachen geltenden Grundsatzes der Beschleunigung im Interesse des Kindeswohls kann das Gericht ein Sorgerechtsverfahren abtrennen und vorab entscheiden, wenn sich wegen eines anderen Verfahrens eine erhebliche Verzögerung ergibt und die Entscheidungsreife ungewiss ist. § 140 Abs.?2 Nr. 4 erleichtert dies. Sind seit Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags drei Monate verstrichen, haben beide Ehegatten beim Versorgungsausgleich (VA) mitgewirkt und beantragen übereinstimmend dessen Abtrennung, kann das Gericht den VA abtrennen. Die Frist von drei Monaten beginnt erst mit Ablauf des Trennungsjahres (§ 140 Abs. 4), um verfrühte Scheidungsanträge zu verhindern.
§ 155 regelt das Beschleunigungsgebot, das § 61a Abs. 1 ArbGG nachgebildet ist. Es gilt für alle Verfahren wegen Gefährdung des Kindeswohls und für solche, die den Aufenthalt des Kindes, das Umgangsrecht oder die Herausgabe des Kindes betreffen. Das Gericht muss die Sache im Termin mündlich erörtern, der spätestens einen Monat nach Verfahrensbeginn stattfinden soll. Im Termin ist das Jugendamt anzuhören. Diese Regelung gilt sowohl in Verfahren der einstweiligen Anordnung als auch im Hauptsacheverfahren. Eine Verlegung des Termins ist nur aus glaubhaft zu machenden zwingenden Gründen zulässig. Zwingende Gründe sind nur solche, die eine Teilnahme am Termin tatsächlich unmöglich machen, z.B. eine Erkrankung. Kein ausreichender Grund ist eine Terminskollision eines Beteiligtenvertreters in einem anderen Verfahren, sofern es sich nicht ebenfalls um eine der in Abs. 1 aufgeführten Angelegenheiten handelt. Dieser muss in der anderen Sache die Verlegung beantragen, dem das Gericht wegen des Vorrangs der Kindschaftssache stattgeben muss.
Das Beschleunigungsgebot gilt in sämtlichen Phasen des Verfahrens. Nach §?163 ist einem beauftragten Sachverständigen eine Frist zu setzen, innerhalb derer er das Gutachten vorlegen muss. Ausnahmen von der Monatsfrist sind zulässig, sofern es nur um die Erweiterung einer funktionierenden Umgangsregelung geht sowie, wenn das Kindeswohl dem frühen Termin entgegensteht.
Nach § 156 muss das Gericht auf ein Einvernehmen der Beteiligten hinwirken. Die Regelung entspricht damit im Wesentlichen § 52 Abs. 1 S. 1 und 2 FGG. Neu ist jedoch der Hinweis, dass das Gericht die Eltern auf die Möglichkeit zur Teilnahme an einer Mediation oder sonstigen außergerichtlichen Streitbeilegung hinzuweisen hat. Auch kann angeordnet werden, dass die Eltern an einer Beratung teilnehmen. Diese Anordnung ist weder anfechtbar noch mit Zwangsmitteln durchsetzbar.
Nach § 156 Abs. 2 ist im Fall des Einvernehmens aller Beteiligten über den Umgang ein Vergleich zulässig, der nach Billigung durch das Gericht vollstreckbar ist. Scheitert ein Vergleich, muss das Gericht in Kindschaftssachen bezüglich des Aufenthalts des Kindes, des Umgangsrechts und der Herausgabe des Kindes den Erlass einer einstweiligen Anordnung prüfen. In Fällen der Kindeswohlgefährdung nach §§ 1666 und 1666a BGB muss diese Prüfung unverzüglich erfolgen. Das Gericht soll das Kind vor dem Erlass einer einstweiligen Anordnung persönlich anhören.
§ 158 regelt die Voraussetzungen für die Bestellung eines Verfahrensbeistands für ein minderjähriges Kind. Die Norm ersetzt den Verfahrenspfleger (§ 50 FGG), den es allerdings im Betreuungs- und Unterbringungsrecht nach wie vor gibt. Im Einzelnen sind sechs Fälle aufgezählt, in denen i.d.R. die Bestellung eines Verfahrensbeistands notwendig ist. Dieser wird mit dem Akt der Bestellung Beteiligter und muss deshalb einem gerichtlich gebilligten Vergleich zustimmen.
Anders als bisher ist die Aufgaben- und Rechtsstellung des Verfahrenspflegers gesetzlich geregelt. Er muss das Interesse des Kindes feststellen und im gerichtlichen Verfahren zur Geltung bringen. Er muss das Kind über das Verfahren informieren. Er kann Gespräche mit den Eltern und weiteren Bezugspersonen des Kindes führen sowie am Zustandekommen einer einvernehmlichen Regelung mitwirken. Schließlich kann er im Interesse des Kindes Rechtsmittel einlegen. Der Aufwendungsersatzanspruch bestimmt sich nach den §§ 1835, 1836 BGB. Die Staatskasse muss die Vergütung und den Aufwendungsersatz des Verfahrensbeistands tragen, § 277 Abs. 5, § 158 Abs. 7. Sofern der Verfahrensbeistand beruflich tätig wird, fällt eine Gebühr zwischen 350 EUR und 550 EUR an.
Gesetzlich geregelt ist nun auch, dass die Entscheidung über die Bestellung oder Aufhebung einer Bestellung eines Verfahrensbeistands sowie die Ablehnung einer derartigen Maßnahme nicht selbstständig anfechtbar ist. Dies entspricht der Rechtsprechung des BGH (FamRZ 03, 1275) zum Verfahrenspfleger im Betreuungsverfahren.
In § 166 Abs. 2 wird – wie bereits in dem im Juli 08 in Kraft getretenen § 1696 Abs. 3 BGB n.F. durch das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls – die Überprüfung des Gerichts bei lang andauernden Kindesschutzmaßnahmen auf der Grundlage des SGB VIII angeordnet. Ebenfalls ist geregelt, dass eine Überprüfung nach drei Monaten stattfinden muss, wenn von einer Maßnahme nach dem §§ 1666, 1667 BGB abgesehen worden ist.
Nach § 216a teilt das Gericht Anordnungen nach den §§ 1 und 2 des GewSchG sowie deren Änderung oder Aufhebung der zuständigen Polizeibehörde und anderen öffentlichen Stellen, die von der Durchführung der Anordnung betroffen sind, unverzüglich mit, soweit nicht schutzwürdige Interessen eines Beteiligten an der Nichtübermittlung überwiegen. Die Beteiligten sollen über die Mitteilung unterrichtet werden.
Die örtliche Zuständigkeit ist nun in § 232 geregelt. Anders als in § 642 ZPO gilt die ausschließliche örtliche Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt auch für privilegierte volljährige Kinder. Beim Zusammentreffen mehrerer ausschließlicher Zuständigkeiten, z.B. nach den §§?7 Abs. 1 und 802 ZPO geht gemäß § 232 Abs. 2 eine Zuständigkeit nach Abs. 1 der ausschließlichen Zuständigkeit eines anderen Gerichts vor, d.h. die unterhaltsrechtlich bestimmte ausschließliche Zuständigkeit hat Vorrang. In § 232 Abs. 3 werden die Wahlgerichtsstände des § 642 Abs. 3 ZPO übernommen.
Eine wesentliche Veränderung gegenüber dem derzeitigen Rechtszustand stellen die verfahrensrechtlichen Auskunftspflichten der Beteiligten nach den §§ 235, 236 dar. Während § 643 ZPO es in das Ermessen des Gerichts stellt, Auskünfte einzuholen, besteht zukünftig unter bestimmten Voraussetzungen eine Verpflichtung des Gerichts, die Auskünfte vom Gegner oder von Dritten einzuholen. Auch besteht nun die Möglichkeit nach § 236 Abs. 1 Nr. 5, in allen Unterhaltsverfahren eine Auskunft vom Finanzamt einzuholen, das insoweit zur Auskunft verpflichtet ist.
§ 235 Abs. 3 verpflichtet die Parteien, d.h. Antragsteller und Antragsgegner, dem Gericht ohne Aufforderung mitzuteilen, wenn sich während des Verfahrens Umstände, die Gegenstand der Anordnungen nach Abs. 1 gewesen sind, wesentlich verändert haben. Damit ist der von der Rechtsprechung entwickelte Grundsatz (BGH FamRZ 88, 270; 97, 483) der Pflicht zur ungefragten Information in das Gesetz übernommen worden.
§§ 238, 239 enthalten spezielle Vorschriften für die Abänderung von Entscheidungen und sonstigen Titeln in Unterhaltssachen, die bisher ausschließlich nach § 323 ZPO erfolgt sind. Die Vorschriften orientieren sich zwar an der bisherigen Fassung, enthalten aber ausdrückliche Regelungen sowohl für die Erhöhung als auch für die Herabsetzung des Unterhalts.
§ 238 regelt die Möglichkeit, eine in der Hauptsache ergangene Endentscheidung über künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen abzuändern. Deshalb sind Entscheidungen in einstweiligen Anordnungsverfahren nach wie vor nicht mit der Abänderungsklage angreifbar. Sie können jedoch nach § 54 Abs. 1 abgeändert werden. Neu ist nach § 238 Abs. 3 S. 3, dass die Abänderung zulässig ist für die Zeit ab Rechtshängigkeit des Antrags. Ist der Antrag auf Erhöhung des Unterhalts gerichtet, ist er auch zulässig für die Zeit, für die nach den Vorschriften des BGB Unterhalt für die Vergangenheit verlangt werden kann. Ist der Antrag auf Herabsetzung gerichtet, ist er zulässig für die Zeit ab dem Zugang des dem Auskunfts- oder Verzichtsverlangen des Antragstellers folgenden Monats. Für eine mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit kann eine Herabsetzung nicht verlangt werden. Ziel der Vorschrift ist die Gleichbehandlung von Gläubiger und Schuldner im Unterhaltsverfahren.
§ 239 regelt die Abänderbarkeit von Vergleichen und Urkunden über Unterhalt. Diese sind zwar vollstreckbar, aber nicht der Rechtskraft fähig. Damit unterfallen auch Prozessvergleiche nach §?294 Abs. 1 Nr. 1 und Jugendamtsurkunden nach den §§ 59, 60 SGB VIII dieser Norm. Die Abänderbarkeit eines Unterhaltstitels unterliegt aber weder einer Wesentlichkeitsgrenze noch einer zeitlichen Beschränkung. Die Parteien eines Vergleichs können die Kriterien der Abänderbarkeit selbstständig bestimmen. Nach § 239 Abs. 2 bestimmen sich wie schon nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 01, 3618) die Voraussetzungen für die Abänderbarkeit allein nach dem materiellen Recht und damit insbesondere nach den Regeln über die Störung bzw. den Wegfall einer Geschäftsgrundlage, § 313 BGB.
Besonders bedeutsam ist § 241. Während nach der BGH-Rechtsprechung (FamRZ 98, 952) ein auf Herabsetzung gerichteter Abänderungsantrag bei Rückforderung überzahlter Unterhaltsbeträge nicht zur verschärften Haftung nach § 818 Abs. 4 BGB geführt hat, vielmehr die Leistungsklage auf Herausgabe des Erlangten oder auf Leistung von Wertersatz notwendig war, um die Bösgläubigkeit des Empfängers der Unterhaltsleistung herbeizuführen, genügt nun nach § 241 die Rechtshängigkeit eines auf Herabsetzung gerichteten Abänderungsantrags, verbunden mit der Rückforderungsklage. § 242 stellt klar, dass im Fall der Anhängigkeit eines auf Herabsetzung gerichteten Abänderungsantrags oder der Einreichung eines diesbezüglichen Antrags auf Bewilligung von PKH § 769 ZPO analog gilt.
§ 243 enthält Sonderregelungen für die Kosten des Unterhaltsverfahrens. Das Gericht muss in allen Unterhaltssachen über die Kosten nach billigem Ermessen entscheiden.
Die §§ 246 bis 248 enthalten besondere Vorschriften für die Beantragung und den Erlass einstweiliger Anordnungen in Unterhaltssachen. Anders als in § 49 ist für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ein dringendes Bedürfnis für ein sofortiges Tätigwerden nicht erforderlich. Auch kann mit der einstweiligen Anordnung der volle laufende Unterhalt ohne zeitliche Begrenzung zuerkannt werden, sofern die Voraussetzungen glaubhaft gemacht sind. Die §§ 249 bis 260 enthalten Vorschriften über das vereinfachte Verfahren über den Unterhalt Minderjähriger und entsprechen inhaltlich den bisherigen §§ 645 bis 660 ZPO.
|
Quelle: Ausgabe 10 / 2008 | Seite 176 | ID 121827