08.01.2008 | Aktuelle Gesetzgebung
Neues Jahr, neues Recht: Was Sie ab sofort zum neuen Unterhaltsrecht wissen müssen
von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf
Der Bundestag hat am 9.11.07 die Reform des Unterhaltsrechts verabschiedet, das zum 1.1.08 in Kraft getreten ist. Ein letzter Meilenstein für die Reform war die Entscheidung des BVerfG zur Unterhaltsbefristung nach § 1615l Abs. 2 S. 3 BGB (FK 07, 109, Abruf-Nr. 071847 = FamRZ 07, 965). Der folgende Beitrag erläutert die letzten Reformanpassungen.
Checkliste: Letzte Reformanpassungen |
- Änderung der Rangfolgen: Bei der o.g. Entscheidung des BVerfG ging es um die Änderungen des Betreuungsunterhalts gemäß § 1570 BGB und des Unterhalts von nicht verheirateten Müttern und Vätern aus Anlass der Geburt nach § 1615l BGB (FK 07, 109, Abruf-Nr. 071847). Dadurch wurden aber auch die Rangverhältnisse beeinflusst. Denn das ursprüngliche Reformgesetz sah vor, dass nur Ehegatten, die einen Anspruch auf Betreuungsunterhalt haben, neben Ehegatten bei Ehen von langer Dauer an zweiter Rangstelle stehen. Alle übrigen kinderbetreuenden Elternteile sowie sonstige Ehegatten befanden sich an dritter Rangstelle. Hier musste eine Änderung herbeigeführt werden.
- Gleichschaltung von §§ 1570und 1615l BGB: Als Grund für eine Differenzierung zwischen dem Unterhalt von Ehegatten und demjenigen nicht verheirateter Mütter/Väter hat das BVerfG die nacheheliche Solidarität angeführt, diese aber in § 1570 BGB a.F. vermisst. Bei der neuen Gesetzesfassung musste der Gesetzgeber daher die beiden Unterhaltsansprüche gleichschalten. Dies ist in der Weise geschehen, dass grundsätzlich bis zum dritten Jahr nach der Geburt eines Kindes keine Erwerbstätigkeit verlangt werden kann und Betreuungsunterhalt sowie Unterhalt nach § 1615l BGB zu zahlen ist.
- Verlängerung des Unterhaltsanspruchs möglich: Die Dauer des Unterhaltsanspruchs verlängert sich, solange und soweit dies der Billigkeit entspricht. Dabei sind die Belange des Kindes und die Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen. Auch dies ist für beide Vorschriften gleichgeschaltet. Die Begriffe „soweit und solange“ sollen verdeutlichen, dass es auf den Einzelfall ankommt und eine Erwerbsobliegenheit in dem Maß verlangt werden kann, in dem eine kindgerechte Betreuungsmöglichkeit besteht. Die Neuregelung verlangt keineswegs einen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zur Vollerwerbstätigkeit. Im Interesse des Kindeswohls wird auch künftig ein gestufter Übergang möglich sein. Dies gilt insbesondere auch für den Unterhalt nach § 1615l BGB.
- Maßgeblich ist das Kindeswohl: Die Möglichkeiten der Kinderbetreuung orientieren sich am Kindeswohl. Dies wird insbesondere bei der Betreuung durchVerwandte bedeutsam. Der Begriff des Kindeswohls ist dem Sorge- und Umgangsrecht entnommen. Daher dürfte das Ergebnis der sorge- und umgangsrechtlichen Regelung die freien Kapazitäten für Betreuungsmöglichkeiten bestimmen. Ferner hat der Gesetzgeber betont, dass bei den Belangen des Kindes auch zu berücksichtigen ist, inwieweit diese durch die Trennungssituation belastet werden. Dies gilt auch für § 1615l BGB. Insoweit müssen also beide Vorschriften gleichgeschaltet werden.
- Differenzierungskriterium nacheheliche Solidarität: Mit § 1570 Abs. 2 BGB n.F. hat der Gesetzgeber nach den Vorgaben des BVerfG die mögliche nacheheliche Solidarität als Differenzierungskriterium gegenüber dem Anspruch aus § 1615l BGB vorgesehen. Danach kann der Betreuungsunterhalt im Einzelfall allein aus Gründen der Ehe verlängert werden. Maßgeblich ist das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die vereinbarte und praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung. So kann einem geschiedenen Ehegatten, der im Interesse der Kindererziehung seine Erwerbstätigkeit dauerhaft aufgegeben oder zurückgestellt hat, ein längerer Anspruch auf Betreuungsunterhalt eingeräumt werden als einem Ehegatten, der von vornherein alsbald wieder in den Beruf zurückkehren wollte. Es handelt sich also bei § 1570 Abs. 2 BGB nicht um einen selbstständigen Unterhaltstatbestand, sondern um eine ehespezifische Ausprägung des Betreuungsunterhaltsanspruchs und damit um eine Art Annex zum Anspruch nach § 1570 Abs. 1 BGB.
- Differenzierungskriterium elternbezogene Gründe: Auch beim Anspruch nach § 1615l BGB ist ein ähnlicher zusätzlicher Aspekt zu berücksichtigen, der in der BGH-Entscheidung vom 5.7.06 Anklang gefunden hat (FK 06, 127, Abruf-Nr. 061996). Danach sind bei einer Verlängerung des Unterhaltsanspruchs auch elternbezogene Umstände zu berücksichtigen. Dazu gehören insbesondere die Krankheit des betreuenden Elternteils oder eine besondere Vertrauenslage durch eine Bestärkung des Kinderwunsches durch den Pflichtigen oder durch eine Geburt des Kindes in einer nicht ehelichen Lebensgemeinschaft. Dies sieht die Begründung des Gesetzes ausdrücklich vor.
- Neue zweite Rangstelle: Alle Elternteile, die wegen der Betreuung eines Kindes unterhaltsberechtigt sind oder bei der Scheidung wären, stehen nun auf der zweiten Rangstelle. Hinzu kommen Ehegatten und geschiedene Ehegatten bei einer Ehe von langer Dauer. Damit wird die ursprüngliche Fassung des § 1609 BGB wieder aufgegriffen. Folge: Elternteile, die einen Unterhaltsanspruch nach § 1570 BGB oder nach § 1615l BGB haben, sind wieder gleichrangig. Bei der Ehedauer ist ergänzt worden, dass auch Nachteile i.S. des § 1578b Abs. 2 S. 2und 3 BGB n.F. zu berücksichtigen sind. Folge: Kann sich der bedürftige Ehegatte auf ehebedingte Nachteile berufen, ist eher von einer langen Ehedauer auszugehen, als wenn solche Nachteile nicht bestehen. Wann im Übrigen eine Ehe von langer Dauer ist, wird der Rechtsprechung vorbehalten bleiben. Hier wird es noch Klärungsbedarf geben.
- Neue dritte Rangstelle: Auf der dritten Rangstelle stehen nun die sonstigen Ehegatten, die nicht unter die zweite Rangstelle fallen. Dies bedeutet, dass nach wie vor ein Unterhaltsanspruch nach § 1615l BGB die Existenzgrundlage einer Ehe zerstören kann, wenn der Unterhaltspflichtige verheiratet ist und sein Ehegatte sich nicht auf eine lange Ehedauer i.S. des § 1609 Nr. 2 BGB berufen kann. Ob dies verfassungsgemäß ist, bleibt abzuwarten.
- Keine Regelung bei Totgeburten: Leider sind bei den Rangverhältnissen nach wie vor die Unterhaltsansprüche, die sich aus 1615n BGB ergeben, also bei Totgeburt des Kindes, nicht erfasst. Dies bedeutet, dass diese Ansprüche ranglos stehen. Im Hinblick darauf, dass dem Gesetzgeber dieses Problem bekannt war, ist dies mehr als unverständlich.
- Mehr Rechtssicherheit: Bei § 1585c BGB wird darauf hingewiesen, dass § 127a BGB auch auf eine Vereinbarung Anwendung findet, die im Verfahren in Ehesachen vor dem Prozessgericht protokolliert wird. Damit soll Rechtssicherheit geschaffen werden für den in der forensischen Praxis häufigen Fall, in dem die Ehegatten in einer Ehesache das Gericht um Protokollierung einer zuvor getroffenen Einigung ersuchen, ohne dass eine Unterhaltssache anhängig ist.
- Übergangsvorschriften: § 35 Nr. 4 EGZPO legt einen neuen Mindestunterhalt i.S. des § 1612a Abs. 1 BGB fest. Der Mindestunterhalt beträgt: 279 EUR für die 1. Altersstufe, 322 EUR für die 2. Altersstufe und 365 EUR für die 3. Altersstufe. Darauf wird das halbe Kindergeld angerechnet, gemäß § 1612a BGB. Folge: Es ergeben sich Zahlbeträge, die den Regelbeträgen der jetzigen Regelbetragverordnung entsprechen. Damit will der Gesetzgeber ein Herabsenken des Unterhaltsniveaus für Minderjährige verhindern. Da der Gesetzgeber allerdings einen neuen Mindestunterhalt formuliert, ist es erforderlich, die im Mai 07 beratene Düsseldorfer Tabelle neu zu konzipieren, weil nun die in der Übergangsvorschrift enthaltenen Beträge die Tabellenbeträge der ersten Einkommensgruppe darstellen müssen. Einen Mindestunterhalt nach Maßgabe des § 1612a BGB gibt es z.z. nicht, vielmehr sind die in der Übergangsvorschrift enthaltenen Beträge maßgebend. Dies bedeutet, dass diese als Mindestunterhalt die 1. Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle ausfüllen werden. Auf Grundlage dieser Beträge muss die Dynamisierung erfolgen.
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Quelle:
Ausgabe 01 / 2008 | Seite 1 | ID 116774
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