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  • 27.09.2010 | Ehegattenunterhalt

    Unterhaltsanspruch eines vollständig erwerbsunfähigen Berechtigten

    von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf

    1. Ist der Unterhaltsberechtigte vollständig an einer Erwerbstätigkeit gehindert, ergibt sich der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt allein aus den §§ 1570 bis 1572 BGB, und zwar auch für den Teil des Unterhaltsbedarfs, der nicht auf dem Erwerbshindernis, sondern auf dem den angemessenen Lebensbedarf übersteigenden Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen gemäß § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB beruht. Ist der Unterhaltsberechtigte hingegen nur teilweise an einer Erwerbstätigkeit gehindert, ergibt sich der Unterhaltsanspruch wegen des allein durch die Erwerbshinderung verursachten Einkommensausfalls aus den §§ 1570 bis 1572 BGB und im Übrigen als Aufstockungsunterhalt aus § 1573 Abs. 2 BGB (im Anschluss BGHZ 179, 43 = FK 09, 93, Abruf-Nr. 090398 = FamRZ 09, 406).  
    2. Bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen im Rahmen der Dreiteilung trifft den Unterhaltspflichtigen die Darlegungs- und Beweislast für die Umstände, die die Unterhaltsbedürftigkeit seiner neuen Ehefrau begründen, weil es sich dabei um eine das Einkommen mindernde Verbindlichkeit handelt (im Anschluss an BGH FamRZ 88, 930, 931).  
    (BGH 14.4.10, XII ZR 89/08, FamRZ 10, 869, Abruf-Nr. 101443)

     

    Sachverhalt

    Die Parteien streiten um Abänderung des nachehelichen Unterhalts ab Januar 08. Aus ihrer Ehe sind drei in den Jahren 1985, 1988 und 1995 geborene Kinder hervorgegangen. Der Beklagte ist wieder verheiratet und hat aus der neuen Ehe zwei weitere Kinder. Auf die Abänderungsklage der Klägerin, die unter psychosomatischen Beschwerden leidet und deshalb nur teilweise erwerbsfähig ist, hat das AG den Unterhalt erhöht. Das OLG hat eine in der Berufungsinstanz erhobene Abänderungswiderklage des Beklagten, mit der er eine Befristung begehrt hat, abgewiesen. Die dagegen gerichtete Revision führt hinsichtlich der Widerklage zur Aufhebung und Zurückverweisung.  

     

    Entscheidungsgründe

    Ist der Unterhaltsberechtigte durch Kinderbetreuung oder Krankheit vollständig an einer Erwerbstätigkeit gehindert, beruht der gesamte Unterhaltsanspruch auf §§ 1570 bis 1572 BGB. Es wird nicht danach differenziert, ob ein Teil Aufstockungsunterhalt ist oder nicht.  

     

    Bezüglich der Unterhaltsbegrenzung kommt eine Erwerbsunfähigkeit als ehebedingter Nachteil nur in Betracht, wenn die Krankheit ehebedingt ist. Sonst können sich ehebedingte Nachteile aufgrund der Versorgungslage ergeben, die ohne die Ehe besser wäre. Dies ist aber Aufgabe des Versorgungsausgleichs (VA). Hier liegen keine ehebedingten Nachteile vor. Allerdings sind bei der Prüfung der Billigkeit nicht nur ehebedingte Nachteile zu berücksichtigen. Vielmehr muss auch eine darüber hinausgehende Solidarität berücksichtigt werden, wozu insbesondere der Unterhalt wegen Krankheit Veranlassung gibt. Der Maßstab des angemessenen Lebensbedarfs nach § 1578b BGB richtet sich nach dem Existenzminimum.