26.01.2011 | Ehegattenunterhalt
Unterhaltsbegrenzung bei Fehlen ehebedingter Nachteile
von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf
1. Bei der Billigkeitsprüfung nach § 1578b Abs. 1 S. 2 BGB ist vorrangig zu berücksichtigen, ob ehebedingte Nachteile eingetreten sind, die schon deswegen regelmäßig einer Befristung des nachehelichen Unterhalts entgegenstehen, weil der Unterhaltsberechtigte dann seinen eigenen angemessenen Unterhalt nicht selbst erzielen kann. |
2. Ob bei Fehlen ehebedingter Nachteile eine Herabsetzung des Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 S. 1 BGB) auf den angemessenen Lebensbedarf (§ 1578b Abs. 1 S. 1 BGB) in Betracht kommt, ist gemäß § 1578b BGB im Wege einer umfassenden Billigkeitsabwägung zu bestimmen, die dem Tatrichter obliegt. Dabei ist auch eine über die Kompensation ehebedingter Nachteile hinausgehende nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen (im Anschluss an das Senatsurteil vom 17. 2.10, XII ZR 140/08, FK 10, 93, Abruf-Nr. 101007 = FamRZ 10, 629). |
3. Die Ehedauer gewinnt durch eine wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht, die insbesondere durch Aufgabe einer eigenen Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung eintritt (im Anschluss an das Senatsurteil vom 11.8.10, XII ZR 102/09, FamRZ 10, 1637). |
(BGH 6.10.10, XII ZR 202/08, FamRZ 10, 1971, Abruf-Nr. 103672) |
Sachverhalt
Die Parteien streiten um nachehelichen Aufstockungsunterhalt. Die 1952 geborene Antragstellerin und der 1949 geborene Antragsgegner schlossen im November 80 die Ehe, aus der ein 1982 geborener Sohn hervorgegangen ist. Im Januar 03 trennten sich die Parteien. Der Antragsgegner ist eine neue Partnerschaft eingegangen, aus der im September 03 eine Tochter hervorgegangen ist. Nach ihrer Ausbildung zur Gymnastiklehrerin war die Antragstellerin als Sportlehrerin an einem Gymnasium tätig, danach als entsprechende Fachlehrerin. Nach ihrer Arbeitslosigkeit absolvierte sie eine Ausbildung zur Motopädin und war ab der Heirat nur noch mit 12 Stunden wöchentlich in diesem Beruf tätig. Seit der Geburt des gemeinsamen Sohnes war sie zunächst nicht erwerbstätig und übernahm den Haushalt und die Kindererziehung. Ab Oktober 1987 arbeitet sie wieder - bis zur Scheidung mit reduzierter Stundenzahl und seit August 08 vollschichtig - in ihrem Beruf als Motopädin. Das OLG hat den nachehelichen Unterhalt herabgesetzt und diesen auf die Zeit bis 31.7.12 begrenzt. Die dagegen gerichtete Revision der Antragstellerin, die einen unbefristeten Unterhalt begehrt, führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Entscheidungsgründe
Eine Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts auf den angemessenen Lebensbedarf kommt nur in Betracht, wenn der volle Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen unbillig wäre. Dabei ist bei der Billigkeitsabwägung vorrangig zu berücksichtigen, ob durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Bei Eintreten ehebedingter Nachteile kann der Unterhalt in dieser Höhe regelmäßig nicht begrenzt werden, weil der Unterhaltsberechtigte in diesem Fall seinen eigenen angemessenen Unterhalt nicht selbst decken kann. Folglich ist der Unterhalt nur zu begrenzen, wenn er zum Ausgleich ehebedingter Nachteile nicht benötigt wird.
Wenn keine ehebedingten Nachteile gegeben sind, kommt eine Unterhaltsbegrenzung bzw. eine Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf nicht zwangsläufig in Betracht. Vielmehr beschränkt sich § 1578b BGB nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile, sondern berücksichtigt auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität. Dabei ist die Ehedauer kein entscheidendes Kriterium, wenn beide Ehegatten vollschichtig erwerbstätig waren und die Einkommensdifferenz nur auf dem unterschiedlichen Qualifikationsniveau beruht. Die Ehedauer gewinnt aber durch eine wirtschaftliche Verflechtung an Gewicht, wenn der berechtigte Ehegatte seine eigenen Erwerbstätigkeit wegen der Betreuung gemeinsamer Kinder oder der Haushaltsführung aufgegeben hat.
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