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  • 26.03.2009 | Elternunterhalt

    Nach diesen Grundsätzen müssen Kinder für ihre Eltern aufkommen

    von RA Thurid Neumann, FA Familienrecht, Konstanz

    In der Praxis kommen Unterhaltsansprüche von Eltern gegenüber ihren Kindern nicht oft vor. Dies liegt wohl vor allem daran, dass Eltern des Familienfriedens wegen selbst dann keine Unterhaltsansprüche gegen ihre Kinder geltend machen, wenn sie bedürftig sind. Gerichtsverfahren gibt es vor allem, wenn ein Elternteil in einem Heim untergebracht wird, die Kosten vom Sozialhilfeträger übernommen werden und dieser die Unterhaltsansprüche aus übergegangenem Recht geltend macht. Im Folgenden sollen die Grundsätze des Elternunterhalts dargestellt werden.  

     

    In § 1601 BGB ist die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten in gerader Linie geregelt. Es ist die Anspruchsgrundlage für den Elternunterhalt. Gemäß § 1609 Nr. 6 BGB stehen Eltern am Ende der Rangfolge der Unterhaltsberechtigten.  

     

     

    Checkliste: Voraussetzungen des Anspruchs auf Elternunterhalt
    • Bedürftigkeit: Gemäß § 1602 Abs. 1 BGB muss der Elternteil bedürftig sein. Der Elternteil ist nicht bedürftig, wenn er über ausreichende eigene Einkünfte oder verwertbares Vermögen verfügt.

     

    • Einkünfte: Neben den üblichen Einkünften wie Renten- oder Kapitaleinkünften gehören hierzu vor allem Ansprüche auf die bedarfsorientierte Grundsicherung. Am 1.1.03 ist das Grundsicherungsgesetz in Kraft getreten. Ziel des Gesetzes ist, versteckter und verschämter Altersarmut abzuhelfen. Vor allem ältere Menschen scheuen sich, staatliche Hilfe in Anspruch zu nehmen, weil sie befürchten, dass der entsprechende Träger Regress bei ihren Kindern nehmen wird. Anspruch auf Grundsicherung besteht gemäß § 41 Abs. 2 SGB XII, sobald ein Elternteil seinen Lebensunterhalt nicht aus seinem Einkommen und Vermögen bestreiten kann. Zum Einkommen gehört auch der tatsächlich geleistete Unterhalt seiner Verwandten (BGH FK 07, 170, Abruf-Nr. 071999). Wird kein Verwandtenunterhalt geleistet, liegt auch kein entsprechendes anrechenbares Einkommen vor. Beträgt das Einkommen des Verwandten - unbeschadet etwaigen Vermögens (Klinkhammer, FamRZ 02, 997) - keine 100.000 EUR im Jahr, so darf der Leistungsträger den Elternteil nicht darauf verweisen, Verwandtenunterhalt geltend zu machen (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB XII). Was die Einkommensgrenze betrifft, kommt es auf die Verhältnisse des einzelnen Verwandten an. Bei zusammen veranlagten Eltern ist auf das Gesamteinkommen des einzelnen Elternteils abzustellen (Münder, NJW 02, 3661).

     

    Verfügt ein Verwandter lediglich über ein Einkommen unter 100.000 EUR, kann er den Elternteil auf die vorrangige Inanspruchnahme der Grundsicherung verweisen (BGH FK 07, 170, Abruf-Nr. 071999). Mangels Subsidiarität hat der Elternteil dann keinen Anspruch auf Elternunterhalt (Klinkhammer, FamRZ 02, 997). Der Elternteil muss einen Antrag auf Grundsicherung stellen und bei hinreichenden Erfolgsaussichten auch entsprechende Rechtsmittel (Widerspruch oder Klage) einlegen (BGH FK 07, 170, Abruf-Nr. 071999).

     

    Verfügt ein Verwandter über ein Einkommen von mehr als 100.000 EUR jährlich, hat der Elternteil keinen Anspruch auf Grundsicherung, da zu seinen Einkünften auch realisierbare Ansprüche auf Verwandtenunterhalt gehören. Hat der Elternteil dennoch Grundsicherung bezogen, erfolgt kein Anspruchsübergang auf den Träger der Grundsicherung im Umfang der Leistung (§ 94 Abs. 1 S. 3 2. Halbsatz SGB XII).

     

    • Verwertbares Vermögen: Der Elternteil ist grundsätzlich verpflichtet, bevor er Unterhalt von einem Kind verlangt, verwertbares Vermögen zu verbrauchen. Die Grenze der Zumutbarkeit ist hier enger zu ziehen, da § 1577 Abs. 3 BGB zweite Alternative im Verwandtenunterhalt nicht gilt. Abzustellen ist auf grobe Unbilligkeit (BGH FamRZ 98, 367). Grundsätzlich ist dem Elternteil ein sogenannter Notgroschen entsprechend dem sozialhilferechtlichen Schonbetrag gemäß § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII zu belassen. Im Einzelfall kann jedoch auch ein angemessener Einsatz des Notgroschens erforderlich sein (Wendl/Staudigl, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 7. Auflage, § 2 Rn. 630). Ein Notgroschen ist im Einzelfall auch dann nicht zu belassen, wenn der Elternteil wegen vorgerückten Alters mit Bettlägerigkeit und Heimpflege auf diesen nicht mehr angewiesen ist (OLG Köln FamRZ 01, 437). Grundsätzlich ist eine umfassende Zumutbarkeitsabwägung auch unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Situation des verpflichteten Kindes vorzunehmen (BGH FamRZ 98, 367).

     

    Eine Ausnahme von der Pflicht zur Verwertung besteht, wenn diese nicht möglich oder unwirtschaftlich ist. Der BGH verlangt auch eine Überprüfung, ob an Stelle der Veräußerung eine Verwertung als Kreditunterlage in Betracht kommt (BGH FamRZ 06, 935). Bewohnt der Elternteil ein in seinem Eigentum stehendes Hausgrundstück, ist eine Verwertung nicht zuzumuten, wenn der Erlös und dessen Erträge den Unterhaltsbedarf nur für eine nicht erhebliche Zeit befriedigen können. In diesem Fall ist die langfristige Deckung und Sicherung des Wohnbedarfs wirtschaftlicher (Wendl/Staudigl, a.a.O.). Ist ein Elternteil nach Vollziehung einer Schenkung bedürftig geworden, gehört auch der entsprechende Herausgabe- beziehungsweise Rückforderungsanspruch gemäß § 528 Abs. 1 BGB zu dessen Vermögen (vgl. hierzu: Wendl/Staudigl, a.a.O., § 2 Rn. 631 f.).

     

    • Bedarf: Der Bedarf des Elternteils richtet sich nach seiner Lebensstellung, § 1610 BGB. Diese wiederum wird grundsätzlich nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen bestimmt. Auch ein Elternteil hat einen Mindestbedarf. Dieser beträgt nach der Düsseldorfer Tabelle (Stand: 1.1.09) monatlich 770 EUR bei Nichterwerbstätigen. Eine etwaige Unterhaltspflicht des Elternteils, zum Beispiel für seinen Ehegatten, erhöht dessen Bedarf nicht. Der Unterhaltsanspruch des Elternteils gegen seine Kinder soll lediglich dessen eigenen Unterhaltsbedarf decken (BGH FamRZ 04, 1370). Heim- und/oder Pflegekosten gehören ebenfalls zum Unterhaltsbedarf (BGH FamRZ 04,1370). Der Elternteil hat jedoch keine freie Heimauswahl. Er muss ein nach seinen Verhältnissen angemessenes Alten- und Pflegeheim wählen. Kann die Versorgung des Elternteils in der eigenen Wohnung organisiert werden, ist eine Heimunterbringung nicht notwendig und die Kosten für das Pflegeheim gehören dann nicht zum Unterhaltsbedarf.

     

    • Leistungsfähigkeit: Neben der Bedürftigkeit des Elternteils muss zeitgleich die Leistungsfähigkeit des Kindes vorliegen (BGH FK 06, 815, Abruf-Nr. 062699). Ob das Kind leistungsfähig ist, bestimmt sich nach seinen Einkünften und seinem Vermögen:

     

    • Einkünfte: Ob fiktive Einkünfte zu Grunde zu legen sind, beurteilt sich nach Zumutbarkeitsgesichtspunkten. Die Zumutbarkeitsschwelle beim Elternunterhalt ist hoch anzusetzen. Vorrangige Unterhaltsverpflichtungen sind in Abzug zu bringen. Kreditverbindlichkeiten sind im Rahmen einer umfassenden Interessenabwägung nach billigem Ermessen zu berücksichtigen (BGH FamRZ 03, 1179). Beim Elternunterhalt wird hier ein großzügigerer Maßstab zugrunde gelegt. Grundsätzlich wird vom Nettoeinkommen nach Abzug von Steuern und Sozialabzügen ausgegangen. Beim Nichtselbstständigen sind noch berufsbedingte Aufwendungen abzuziehen. Ein Selbstständiger ist zudem berechtigt, in Höhe von etwa 20 Prozent seines Vorjahresbruttoeinkommens Altersvorsorge zu betreiben (BGH FamRZ 03, 860). Allerdings muss diese auch tatsächlich betrieben werden. Beim Elternunterhalt ist das pflichtige Kind zusätzlich berechtigt, weitere fünf Prozent des Bruttoeinkommens als Altersvorsorge zu verwenden (BGH FK 06, 815, Abruf-Nr. 062699). Dies gilt für Nichtselbstständige und für Selbstständige. Hat ein Kind die ungünstige Steuerklasse V gewählt, so kann das Gericht einen entsprechenden Abschlag von der Belastung vornehmen (BGH FK 04, 98, Abruf-Nr. 040441). Ein unterhaltspflichtiges Kind darf nicht auf Kosten eines unterhaltsberechtigten Elternteils eine Vermögensbildung beginnen oder fortsetzen. Eine Vermögenserhaltung ist aber zulässig (OLG München FamRZ 00, 307). Das Kind braucht keine spürbare und dauerhafte Senkung seines berufs- und einkommenstypischen Unterhaltsniveaus, an das es sich selbst schon längerfristig angepasst hat, hinzunehmen, soweit es nicht nach den Verhältnissen unangemessenen Aufwand betreibt oder ein Leben im Luxus führt (BGH FamRZ 03, 1179). Bewohnt das Kind Wohnungseigentum, so ist nach der Rechtsprechung des BGH nicht der objektive Mietwert als Wohnvorteil anzusetzen, sondern die ersparten Mietaufwendungen für eine dem entsprechenden Lebensstandard angemessene Mietwohnung (BGH FamRZ 03, 1179). In Abzug zu bringen hiervon sind die allgemeinen Grundstückskosten und -lasten, die Zinsen und die sonstigen verbrauchsunabhängigen Kosten. Grundsätzlich sind auch die Tilgungsleistungen abzuziehen (BGH a.a.O.).

     

    Der Mindestbedarf des pflichtigen Kindes beträgt nach der Düsseldorfer Tabelle (Stand 1.1.09) 1.400 EUR, der sich um einen weiteren Bonus von 50 Prozent des den Mindestbedarf übersteigenden Einkommens erhöht.

     

    • Vermögen: Die Verpflichtung zur Verwertung des Vermögens ist beim Kind nicht so streng zu beurteilen wie beim Berechtigten. Zwar müssen die Kinder grundsätzlich zur Befriedigung von Unterhaltsansprüchen ihrer Eltern den Stamm ihres Vermögens einsetzen. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Kinder mit Hilfe ihres Vermögens Vorsorge für ihr eigenes Alter und für die Sicherung ihres eigenen Lebensbedarfs bzw. des Lebensbedarfs ihrer Familie betreiben. Auch hier kommt es auf Zumutbarkeitsgesichtspunkte an. Dem Kind ist grundsätzlich nicht zuzumuten, verwertbares Vermögen in einer kurzen Zeitspanne zu verbrauchen. Vorrangig ist stets die Absicherung der eigenen Existenz und der vorrangigen Unterhaltsverpflichtungen. Zudem darf die Vermögensverwertung nie wirtschaftlich unvernünftig sein. In welchem Umfang das Vermögen dem eigenen angemessenen Unterhalt und der eigenen Altersvorsorge dient, beurteilt sich stets nach dem konkreten Einzelfall. Hat das Kind seine Lebensstellung auf bestimmte regelmäßige Einkünfte oder sein vorhandenes Vermögen gestützt, ohne unangemessenen Aufwand zu betreiben oder ein Leben in Luxus zu führen, oder benötigt es das Vermögen, um seine Lebensstellung im Alter auf Dauer aufrecht zu erhalten, so ist das Vermögen grundsätzlich nicht zu verwerten (BGH FK 06, 815, Abruf-Nr. 062699). Im Einzelfall ist auch zu prüfen, ob eine Beleihung, auch von einem Miteigentumsanteil, zumutbar ist (Wendl/Staudigl, a.a.O. § 2 Rdnr. 642). Dem Kind muss stets eine angemessene Vermögensreserve bleiben. Zur Höhe gibt es verschiedene Empfehlungen, die von 25.000 EUR bis 80.000 EUR reichen (vgl. hierzu Wendl/Staudigl, a.a.O., § 2 Rdnr. 642).

    Praxishinweis: Gemäß § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB haften gleichrangige Verwandte anteilig entsprechend ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Diese Verwandten haben nach Treu und Glauben gegenseitig einen Auskunftsanspruch, der sich auch auf die Einkünfte des Ehegatten des auskunftspflichtigen Verwandten erstrecken kann (BGH FamRZ 03, 1836).