29.06.2009 | FamFG
Die Rechtsmittel nach dem FamFG
von VRiOLG Dieter Büte, Bad Bodenteich/Celle
Die Beitragsreihe zum neuen FamFG (FK 09, 43, 66, 80) wird fortgeführt mit der Darstellung der Rechtsmittel, die im 3. Abschnitt des 1. Buches des FamFG geregelt sind.
1. Beschwerde
Die ZPO kennt als Rechtsmittel die Berufung, die Revision, die sofortige Beschwerde und die befristete sowie die Rechtsbeschwerde; das FGG die einfache und sofortige Beschwerde, die weitere und sofortige weitere Beschwerde. Nunmehr ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG gegen alle im ersten Rechtszug ergangenen Endentscheidungen - einschließlich der Ehe- und Familienstreitsachen -, die einheitlich durch Beschluss ergehen (§ 38, § 116 Abs. 1 FamFG) und die mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen sein müssen (§ 39 FamFG), das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben. Die §§ 58-75 FamFG enthalten die allgemeinen Bestimmungen über die Rechtsmittel, die vorbehaltlich besonderer Regelungen für alle im FamFG erfassten Verfahrensgegenstände gelten. Für einstweilige Anordnungen gilt § 57 FamFG. Das Buch 2 enthält besondere Regelungen für einzelne Verfahrensgegenstände in den §§ 117, 143-148, § 197 Abs. 3 S. 1, § 198 Abs. 3 S. 1 FamFG sowie §§ 228, 229 FamFG.
Nach Art. 111 Abs. 1 FGG-RG ist auf alle bereits vor dem 1.9.09 eingeleiteten Verfahren das bisherige Recht der ZPO und des FGG anwendbar. Das bedeutet, dass auch für die Rechtsmittel das bisherige Recht gilt, denn Verfahren in diesem Sinne werden als ganzes, also einschließlich des Instanzenzuges und damit des Verfahrens in Rechtsmittelinstanzen, verstanden (BT-Drucks. 16/6803, S. 359). Das FamFG behält die formelle Anknüpfung (vgl. dazu BGH FamRZ 09, 219 f.) bei. Damit ist das OLG Beschwerdegericht, unabhängig davon, ob das Familiengericht auch tatsächlich in einer Familiensache im Sinne des § 111 FamFG entschieden hat. Zwischen- und Nebenentscheidungen sind grundsätzlich nicht anfechtbar (§ 58 Abs. 2 FamFG), außer das Gesetz regelt die selbstständige Anfechtbarkeit von Zwischen- und Nebenentscheidungen.
Die Beschwerde steht jedem Beteiligten gegen eine ihn beschwerende Endentscheidung (§ 59 FamFG) zu. Eine Beteiligung am erstinstanzlichen Verfahren ist nicht erforderlich, entscheidend ist allein die eigene materielle Beschwer. Nicht ausreichend ist eine nur mittelbare Beeinträchtigung wirtschaftlicher, persönlicher oder ideeller Interessen (BGH NJW 99, 3718). Einzelregelungen zur Beschwerdeberechtigung von Behörden sind in § 59 Abs. 3 FamFG, für das Jugendamt in den § 162 Abs. 3, § 176 Abs. 2, § 194 Abs. 2, § 205 Abs. 2, § 213 Abs. 2 FamFG und für andere Behörden in § 129 Abs. 2 FamFG normiert.
Für vermögensrechtliche Angelegenheiten gilt der Beschwerdewert von 600 EUR nach §
61 Abs. 1 S. 1 FamFG. Beschwerden in Versorgungsausgleichssachen sind unabhängig vom Beschwerdewert zulässig, soweit sich das Rechtsmittel gegen eine Sachentscheidung richtet, §
228 FamFG. Der Wert von 600 EUR gilt auch für die Anfechtbarkeit von Kosten- und Auslagenentscheidungen.
Die Zulassungsbeschwerde
ist in §
61 Abs. 2 FamFG geregelt. Für unter 600 EUR liegende Werte ist die Beschwerde zulässig, wenn sie vom erstinstanzlichen Gericht zugelassen wird. Dieses hat die Beschwerde - auch in Endentscheidungen über Kosten und Auslagen - zuzulassen, wenn:
- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, d.h. dass Rechtsfragen mit einem über den Einzelfall hinausgehenden Stellenwert zu entscheiden sind oder Fragen von besonderem tatsächlichen bzw. wirtschaftlichem Gewicht zu beurteilen sind (Zöller/Heßler ZPO, 27. Aufl. § 511 ZPO Rn. 37)
- oder eine Entscheidung des Beschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist, d.h. wenn es zu einzelnen Rechtsfragen noch keine gefestigte Rechtsprechung gibt oder das erstinstanzliche Gericht nicht nur in einem Einzelfall von einer obergerichtlichen Rechtsprechung abweichen will.
Die Nichtzulassung durch den Richter kann nicht angefochten werden; sofern der Rechtspfleger entschieden hat, ist die Erinnerung nach §
11 RPflG zulässig. Die Zulassung bindet das Beschwerdegericht.
Die Beschwerde ist - anders als zurzeit die Berufung - innerhalb der Beschwerdefrist beim erstinstanzlichen Gericht einzulegen, §
64 Abs. 1 FamFG. Die Einlegung des Rechtsmittels beim OLG wahrt die Frist nicht. Ein beim
OLG eingelegtes Rechtsmittel ist unverzüglich an das erstinstanzliche Gericht weiterzuleiten. Für die Wahrung der Beschwerdefrist ist der Zeitpunkt des Eingangs bei diesem Gericht maßgeblich. Achtung: Verzögerungen wirken sich zum Nachteil des Beschwerdeführers aus.
Die Beschwerde kann durch einen Schriftsatz oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des erstinstanzlichen Gerichts eingelegt werden, §
64 Abs. 2 FamFG. Die Einlegung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle ist in Ehesachen und Familienstreitsachen ausgeschlossen.
Nach §
63 Abs. 1 FamFG beträgt die Beschwerdefrist grundsätzlich einen Monat. Eine Beschwerdefrist von zwei Wochen gilt, wenn sich die Beschwerde gegen eine einstweilige Anordnung oder gegen einen Beschluss richtet, der die Genehmigung eines Rechtsgeschäft zum Gegenstand hat, §
63 Abs. 2 FamFG.
Nach §
65 Abs. 1 FamFG soll die Beschwerde in Anlehnung an §
571 Abs. 1 ZPO begründet werden, so dass eine Nichterfüllung der Begründungsfrist nicht zu einer Verwerfung der Beschwerde als unzulässig führen kann. Gemäß Abs. 2 ist dem Beschwerdeführer eine Frist zur Begründung einzuräumen. Die Beschwerde kann nach Abs. 3 auf neue Tatsachen und neue Beweismittel gestützt werden. Lediglich in Ehe- und Familienstreitsachen besteht nach §
115 FamFG die Möglichkeit der Zurückweisung von nicht rechtzeitig vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmitteln. Hierunter fallen auch Tatsachenbehauptungen, das Bestreiten von Tatsachen und das Anbieten neuer Beweismittel. Abs. 4 bestimmt zum Zweck der Verfahrensbeschleunigung, dass die Beschwerde nicht darauf gestützt werden kann, dass das Gericht des 1. Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat, wohl aber wenn es sie verneint hat.
Ein
Begründungszwang besteht bei
Ehe- und Familienstreitsachen. Nach §
117 Abs. 1 S. 1 FamFG ist die Beschwerde - zwingend - zu begründen. Die Frist beträgt zwei Monate und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens nach Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses, wobei die Frist verlängert werden kann (Verweis auf §
520 Abs. 2 S. 2, 3 ZPO). Die Begründung ist beim Beschwerdegericht einzureichen. Die Beschwerde kann als unzulässig verworfen werden, wenn sie nicht frist- und formgerecht begründet wurde. Gegen diesen Beschluss ist die Rechtsbeschwerde eröffnet (Verweis auf §
522 Abs. 1 S. 1, 2 und 4 ZPO). Gemäß §
117 Abs. 2 S. 1 FamFG sind die §
514 ZPO (Versäumnisbeschlüsse), §
516 Abs. 3 ZPO (Verlustigkeitserklärung und Kostenbeschluss nach Rücknahme des Rechtsmittels), §
521 Abs. 2 ZPO (Frist zur schriftlichen Beschwerdeerwiderung und Frist zur schriftlichen Stellungnahme auf die Beschwerdeerwiderung), §
524 Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO (Anschlussberufung), §
528 ZPO (Bindung an Anträge), §
538 Abs. 2 ZPO (Zurückverweisung), §
539 ZPO (Versäumnisverfahren) entsprechend anwendbar. Eine Güteverhandlung ist nicht erforderlich.
Bezüglich der
Anschlussbeschwerde nach §
117 Abs. 2 Satz 1 FamFG (Verweis auf §
524 Abs. 2 S. 2 und 3 ZPO) ist zu beachten, dass die Anschließung ohne Einhaltung einer Frist möglich ist, wenn sie sich auf künftig fällig werdende wiederkehrende Leistungen nach §
323 ZPO bezieht. Das gilt insbesondere für Unterhaltssachen. Dazu ist es nicht erforderlich, dass ein Abänderungsgrund nach Schluss der mündlichen Verhandlung im ersten Rechtszug entstanden ist (BGH FamRZ 2009, 529).
Für das
Verfahren in Scheidungsfolgesachen (§§
133-150 FamFG) ist §
145 FamFG zu beachten, der dem Regelungsgehalt des bisherigen §
629a Abs. 3 S. 1 ZPO entspricht. Ist eine nach §
142 FamFG einheitlich ergangene Entscheidung (Verbundbeschluss) teilweise durch Beschwerde oder Rechtsbeschwerde angefochten worden, können Teile der einheitlichen Entscheidung, die eine andere Familiensache betreffen, durch Erweiterung des Rechtsmittels oder im Wege der Anschließung an das Rechtsmittel nur noch bis zum Ablauf eines Monats nach Zustellung der Rechtsmittelbegründung angefochten werden; bei mehreren Zustellungen ist die letzte maßgeblich. §
145 Abs. 2 S. 1 FamFG entspricht §
629a Abs. 3 S. 2 ZPO; §
145 Abs. 2 S. 2 FamFG entspricht §
629a Abs. 3 S. 3 ZPO.
Nach §
68 Abs. 1 Satz 2 FamFG ist das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, nicht zur Abhilfe befugt, wenn sich die Beschwerde gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet. In allen anderen Fällen nach §
68 Abs. 1 S. 1 FamFG hat das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, der Beschwerde abzuhelfen, wenn es diese für begründet hält. Anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Beabsichtigt das Beschwerdegericht, von einzelnen Verfahrensvorschriften nach §
68 Abs. 3 S. 2 FamFG abzusehen, muss es die Beteiligten darauf nach §
117 Abs. 3 FamFG zuvor hinweisen. Damit soll dasselbe Ziel wie in §
522 ZPO erreicht werden, nämlich eine vereinfachte, zügige Erledigung von offensichtlich unbegründeten Rechtsmitteln. §
522 Abs. 2 S. 2 ZPO ist nicht mehr anwendbar. Während nach §
522 Abs. 2 S. 2 ZPO der Partei vorab die Gründe für die beabsichtigte Zurückverweisung mitzuteilen sind, stellt §
117 Abs. 3 FamFG an diesen Hinweis keine besonderen Anforderungen. Offensichtliche unbegründete Rechtsmittel erfordern jedenfalls keine mündliche Verhandlung. Auch kann zukünftig - wenn das Rechtsmittel nur einen Teilerfolg hat - im schriftlichen Verfahren entschieden werden.
Die Entscheidung ergeht durch Beschluss, der nach §
69 Abs. 2 FamFG zu begründen ist. §
69 Abs. 1 S. 2 und 3 FamFG ermöglicht, die Sache auf Antrag zurückzuverweisen. Die Vorschrift ist eng angelehnt an §
538 Abs. 2 S. 1 ZPO. Die Voraussetzungen liegen vor, wenn das erstinstanzliche Gericht den Antrag als unzulässig zurückgewiesen hat, aber auch, wenn die Sache an einem schweren Verfahrensfehler leidet und es zur Entscheidung einer umfangreichen und aufwendigen Beweisaufnahme bedarf. Die dem jetzigen Berufungsrecht entnommene Vorschrift (§
538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) gilt für alle Verfahren und erschwert den Verfahrensablauf in Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erheblich. Zur Vermeidung weiterer Verzögerungen kann es sich empfehlen, mit der Beschwerde zugleich hilfsweise einen Antrag auf Zurückverweisung zu verbinden, wenn eine weitere Aufklärung des Sachverhalts erforderlich erscheint.
2. Rechtsbeschwerde
Die in § 70 FamFG geregelte Rechtsbeschwerde tritt an die Stelle der bisherigen weiteren Beschwerde und übernimmt die Grundsätze der in den §§ 574 ff. ZPO geregelten Rechtsbeschwerde.
Rechtsbeschwerdeinstanz ist ausschließlich der BGH. Das gilt auch in den Fällen, in denen das OLG bisher Rechtsbeschwerdeinstanz gewesen ist; das gilt insbesondere für Betreuungs- und Unterbringungssachen sowie Freiheitsentziehungssachen (§ 70 Abs. 3 FamFG) ohne dass es insoweit einer Zulassung bedarf. Allerdings müssen sich die Beteiligten bei dem Rechtsbeschwerdegericht, also dem BGH (§ 133 GVG), durch einen beim BGH zugelassenen Rechtsanwalt vertreten lassen, § 10 Abs. 4 FamFG. Das gilt allerdings nicht für Verfahren über die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe. Dieser Antrag kann von einem Beteiligten persönlich beim BGH gestellt werden.
Abweichend vom erstinstanzlichen Verfahren ist die Rechtsbeschwerde weiterhin beim Rechtsbeschwerdegericht, also dem BGH, einzulegen.
Die Rechtsbeschwerde ist nur statthaft, wenn sie vom Beschwerdegericht im Beschluss zugelassen worden ist, also bei grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder wenn die Fortbildung des Rechts oder die Sicherheit einheitlichen Rechtsprechung dies erfordert. Wie bisher ist das Rechtsbeschwerdegericht an die Zulassung durch das Beschwerdegericht gebunden, § 70 Abs. 2 FamFG. Die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde beträgt einen Monat ab schriftlicher Bekanntgabe der Entscheidung.
Die Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ergeht durch Beschluss. Von einer Begründung kann abgesehen werden, sofern sich die Entscheidung nicht zur Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eignet, § 74 Abs. 7 FamFG. Daneben ermöglicht § 74a FamFG dem BGH die Möglichkeit, die Rechtsbeschwerde durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen, wenn seiner Überzeugung nach die Zulässigkeitsvoraussetzungen fehlen und die Rechtsbeschwerde keine Aussicht auf Erfolg hat. Darauf ist zuvor in einem begründeten Beschluss hinzuweisen.
3. Weitere Rechtsbehelfe
Weitere Rechtsbehelfe im FamFG sind der Einspruch (bei Versäumnisentscheidungen nach § 143 FamFG), der Widerspruch (im Löschungsverfahren und in unternehmensrechtlichen Verfahren) sowie die Erinnerung (§ 57 FamGKG, § 11 Abs. 2 RPflG).
Weiter zulässig ist auch die sofortige Beschwerde nach den §§ 567 bis 572 ZPO, soweit darauf im FamFG verwiesen wird. Die sofortige Beschwerde ist das Rechtsmittel in allen Neben- und Zwischenentscheidungen.
In Familiensachen unterliegen der sofortigen Beschwerde:
- Zurückweisung eines Ablehnungsgesuches (§ 6 FamFG),
- Ablehnung der Hinzuziehung weiterer Beteiligter (§ 7 FamFG),
- Aussetzung des Verfahrens (§ 21 Abs. 2 FamFG),
- Verhängung eines Ordnungsmittels gegen eine Partei (§ 33 Abs. 3 FamFG),
- Anordnung von Zwangsmaßnahmen (§ 35 Abs. 5 FamFG),
- Berichtigung eines Beschlusses (§ 42 Abs. 3 FamFG),
- Beschlüsse in Verfahrenskostenhilfeverfahren (§ 76 Abs. 2 FamFG),
- Beschlüsse in Vollstreckungsverfahren (§ 87 Abs. 4 FamFG).
Die sofortige Beschwerde kann auch beim Beschwerdegericht eingelegt werden. Die Frist beträgt zwei Wochen. Bei der Verfahrenskostenhilfe beträgt die Beschwerdefrist einen Monat, § 76 Abs. 2 FamFG, § 127 Abs. 3 ZPO.
Die Beitragsreihe zum neuen FamFG (FK 09, 43, 66, 80) wird fortgeführt mit der Darstellung der Rechtsmittel, die im 3. Abschnitt des 1. Buches des FamFG geregelt sind.