01.09.2006 | Mandatsführung
Wichtige Praktikertipps für den Einstieg in eine erfolgreiche familienrechtliche Beratung
von RA Thomas Herr, FA Familien- und Arbeitsrecht, Kassel
Bei Trennung und Scheidung ist der Anwalt auch als Stratege gefragt, um die Verhältnisse für seinen Mandanten optimal zu gestalten. Da die Verhaltensweisen des anderen Ehegatten und Dritter nicht sicher prognostiziert werden können, sind oft zwei bis drei Züge im Voraus zu bedenken. Der folgende Beitrag zeigt wichtige Tipps für die richtige „Weichenstellung“ auf.
Checkliste: Vorfragen beim Trennungs- und Scheidungsmandat |
- Psychische Situation des Mandanten erfassen: Der Mandant befindet sich bei der Erstberatung in einer schwierigen Lage. Er ist ein juristischer Laie, der sich in einer hochgradigen psychischen Ausnahmesituation befindet und einer fremden Person gegenüber sitzt, der er Informationen über einen intimen Lebensbereich geben muss. Der Anwalt muss eine ruhige und Vertrauen bildende Situation schaffen. Hier ist er als Mensch und Psychologe gefragt.
- Fehlvorstellungen der Mandanten ausräumen: Viele glauben, das Scheitern der Ehe bewirke automatisch die Trennung, und kennen die Voraussetzungen des Getrenntlebens nicht. Der Anwalt muss dies thematisieren und die familiäre Situation ermitteln. Es ergeben sich folgende Alternativen:
- gescheiterte Ehe ohne familienrechtliche Trennung: von den Eheleuten ist die eheliche Gesinnung abgefallen, sie leben aber entweder aus Unkenntnis oder deshalb nicht formell getrennt, weil sie sich Vorteile erhalten wollen;
- gescheiterte Ehe mit familienrechtlicher, aber ohne steuerrechtliche Trennung: Die Ehegatten haben sich im laufenden Steuerjahr getrennt, können aber noch die gemeinsame steuerliche Veranlagung in Anspruch nehmen;
- Trennung in familienrechtlicher und steuerrechtlicher Hinsicht vor Ablauf des Trennungsjahres: die Trennung erfolgte im letzten Kalenderjahr, liegt aber noch keine 12 Monate zurück;
- Trennung in familienrechtlicher und steuerrechtlicher Hinsicht nach Ablauf des Trennungsjahres ohne Scheidungsantrag: Die Trennung erfolgte im letzten Kalenderjahr, liegt aber mindestens 12 Monate zurück; Scheidungsantrag ist noch nicht gestellt;
- Trennung in familienrechtlicher und steuerrechtlicher Hinsicht nach Ablauf des Trennungsjahres ohne Scheidungsantrag: Die Trennung erfolgte im letzten Kalenderjahr, liegt aber mindestens 12 Monate zurück; Scheidungsantrag ist bereits zugestellt und
Wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgen ist der Mandant hier auch gestaltend zu beraten. |
Checkliste: Trennung und Scheidung – ob, wie und wann |
- Das „Ob“ der Trennung: Der Anwalt muss klären, ob sich die Eheleute bereits getrennt haben oder ob eine Trennung veranlasst ist. Für jeden Abschnitt können sich unterschiedliche Rechtsfolgen ergeben, so dass darüber zu beraten ist, wie der Mandant die Abläufe steuern kann, ggf. durchaus in eigener Absprache mit dem Ehegatten. Hierzu gehört, ob die Lebensbereiche so gestaltet werden, dass jeder seiner Wege geht, eine Trennung im familienrechtlichen und steuerlichen Sinn aber vermieden wird, etwa durch gegenseitige Versorgungsleistungen. Dies kommt in Betracht, insbesondere wenn die Eheleute älter sind und/oder z.Z. noch keine anderweitige Lebensplanung haben.
- Das „Wann“ der Trennung: Wichtig ist der richtige Zeitpunkt, etwa bei der Herbeiführung der Trennungsvoraussetzungen erst im Januar, auch wenn sich das Scheitern der Ehe bereits im Dezember ergeben hat, um so z.B. Steuervorteile im Wege der Zusammenveranlagung zu erhalten.
- Das „Wie“ der Trennung: Trennung in der Ehewohnung ist möglich (§ 1567 Abs. 1 S. 2 BGB).
- Das „Ob“ der Scheidung: Viele Mandanten gehen davon aus, die Scheidung wäre die zwangsläufige Folge der Trennung. Der Anwalt berät falsch und kann sich haftbar machen, wenn er diesen Irrtum nicht beseitigt und auf die Vorteile einer Trennung ohne Scheidung hinweist.
- Das „Wann“ der Scheidung: Der Scheidungsantrag löst z.B. die Stichtage für den Zugewinnausgleich (§ 1384 BGB) und den Versorgungsausgleich (§1587 Abs. 2 BGB) aus. Die Wahl des Zeitpunkts der Antragstellung kann erhebliche haftungsbegleitete Konsequenzen haben.
- Das „Wie“ der Scheidung: Hier ist vor allem der Rat angesprochen, im Interesse des Mandanten so viel Prozessstoff wie möglich aus dem Scheidungsverfahren heraus zu nehmen und durch Ehe-, Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarungen zu regeln. Dazu zählt auch, bereits im Trennungsjahr Kontenklärungsanträge zu stellen, um das spätere Gerichtsverfahren zu beschleunigen.
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