Nutzungsentschädigung Das im Miteigentum stehende Familienheim: Nutzungsentgelt, Lastentragung und Unterhalt von VRiOLG Dieter Büte, Bad Bodenteich/Celle Erwerben Eheleute eine Eigentumswohnung oder ein Hausgrundstück als Familienheim, wird das Eigentum daran meist in Form des Miteigentums begründet. Beim Scheitern der Ehe sind vielfältige Streitfragen zu klären. Der folgende Beitrag behandelt die Frage des Nutzungsentgelts für den ausgezogenen Ehegatten, der Lastentragung und der Auswirkungen auf etwaige Unterhaltsansprüche. Anspruch auf Nutzungsentschädigung Ob ein Nutzungsentgelt von dem das Haus allein nutzenden Ehegatten zu zahlen ist, richtet sich grundsätzlich nach §§ 743 ff. BGB. Die bloße Alleinnutzung des Wohnungseigentums durch einen Miteigentümer begründet aber gemeinschaftsrechtlich noch keinen Anspruch auf ein Nutzungsentgelt. Es steht vielmehr dem ausziehenden Ehegatten frei, sein Mitgebrauchsrecht gemäß § 743 Abs. 2 BGB auszuüben (BGH FamRZ 83, 795; OLG Köln FamRZ 92, 832). Der in der Wohnung verbleibende Ehegatte schuldet grundsätzlich auch keinen Ausgleich nach Bereicherungsrecht (BGH FamRZ 82, 355). Er kann sich aber gegebenenfalls schadenersatzpflichtig machen, wenn er dem anderen entgegen dessen Verlangen den Mitgebrauch hartnäckig verweigert (BGH FamRZ 96, 931). Die Verpflichtung zur Zahlung eines Nutzungsentgelts setzt ein Neuregelungsverlangen i.S. des § 745 Abs. 2 BGB voraus, das heißt ein Verlangen, die Verwaltung und Benutzung neu zu regeln. Eine bloße Zahlungsaufforderung dafür reicht nicht aus (BGH FamRZ 86, 434; OLG Brandenburg FamRZ 01, 1713; OLG Köln FamRZ 99, 1272). Erst vom Zeitpunkt des Neuregelungsverlangens kann - anders als beim Gesamtschuldnerausgleich nach § 426 BGB - ein Anspruch auf Nutzungsentgelt entstehen, das heißt das Nutzungsverlangen wirkt nur für die Zukunft (BGH FamRZ 93, 676; 95, 216; OLG Celle N/W-RR 90, 265; FamRZ 93, 71). Etwas anderes gilt nur, wenn das Vergütungsverlangen als eine Einwendung im Rechtsstreit des an sich zahlungspflichtigen Ehegatten gegen den aus § 745 Abs. 2 BGB anspruchsberechtigten Ehegatten geltend gemacht wird. Insoweit kann die Aufrechnung auch mit der Vergütung für die Zeit vor der Geltendmachung des Verlangens erklärt werden (OLG Celle N/W-RR 1990, 265; OLG Schleswig N/W-RR 1993, 1029). Eine Neuregelung kann verlangt werden von dem Zeitpunkt, zu dem die Trennung endgültig erscheint (BGH FamRZ 82, 355; vgl. zum Abstellen auf den Trennungszeitpunkt auch: BGH FamRZ 86, 434; FamRZ 94, 822; OLG Brandenburg FamRZ 02, 396 (LS); Weinreich/Klein/Brudermüller, Kompaktkommentar Familienrecht, § 745 Rn. 10). Endgültig erscheint die Trennung, wenn ein Ehegatte mit seinen persönlichen Sachen aus der Wohnung auszieht (so zutreffend: Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 3. Aufl., Rn. 102 m.w.N.; a.A. OLG Düsseldorf FamRZ 98, 168: erst ab Stellung des Scheidungsantrags; LG Detmold FamRZ 87, 1037: erst nach Ablauf des Trennungsjahres). Praxishinweis: Ausnahmsweise besteht ein Anspruch auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung auch dann, wenn beide Ehegatten nicht Miteigentümer des als Ehewohnung dienenden Hauses sind. Dies gilt, wenn ein Ehegatte Alleineigentümer ist und zu Gunsten des anderen im Hinblick auf die gescheiterte Ehe auszieht, ein dem Miteigentum vergleichbares dingliches und auf Lebenszeit bestehendes Wohnrecht mit umfassendem Mitbenutzungsrecht am gesamten Anwesen bestellt worden ist (OLG Koblenz FamRZ 01, 225). Dasselbe gilt, wenn die Eheleute das Haus auf Grund eines gemeinsamen lebenslangen Wohnrechts bewohnt haben (OLG Köln OLGR 01, 48; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 8. Aufl., Rn. 783). Die Höhe des Entgelts und die Frage, ob überhaupt ein Nutzungsentgelt zu zahlen ist, richten sich nach Billigkeitsgesichtspunkten. Die Nutzungsentschädigung bemisst sich nach dem objektiven Mietwert des überlassenen Hausanteils bzw. bei Preis gebundenem Wohnraum nach der Kostenmiete (BGH FamRZ 83, 795; 86, 436; 94, 822), bei - wie hier - hälftigem Miteigentum ist Ausgangspunkt also die Hälfte der ortsüblichen Miete (BayObLG FamRZ 74, 22. Im Rahmen der Billigkeitsabwägung sind jedoch die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehegatten von entscheidender Bedeutung, ebenso der tatsächliche Wohnbedarf (Brudermüller, FamRZ 89, 7, 11). Bei aufgedrängter Alleinnutzung und schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen des in der Wohnung verbliebenen Ehegatten kann deshalb ein Anspruch auf Nutzungsentschädigung bis zur Scheidung der Ehe, zumindest aber bis zum Ablauf des Trennungsjahres ausgeschlossen sein (BGH FamRZ 86, 436; OLG Hamm FamRZ 96, 1476; OLG Naumburg OLGR 01, 141). Berücksichtigung der Lastentragung Bei der Bemessung des Nutzungsentgelts im Rahmen der Neuregelung und Verwaltung ist zu berücksichtigen, wer die Hauslasten trägt. Ist dies der im Haus verbleibende Ehegatte, kann dies, wenn die Lasten dem Wohnwert der Höhe nach annähernd entsprechen, dazu führen, dass keine Nutzungsvergütung zu zahlen ist (BGH FamRZ 93, 676). Sonst ist es angemessen, den auf den ausgezogenen Ehegatten entfallenden Anteil dem Nutzungsentgelt gegenzurechnen. Da aber Billigkeitsgrundsätze ausschlaggebend sind, kann - je nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Ehegatten - die Festsetzung des Nutzungsentgelts im Einzelfall auch unangemessen erscheinen, wenn die Belastungen deutlich niedriger sind als der Nutzungswert oder sogar wenn der im Haus verbliebene Ehegatte überhaupt keine Hauslasten trägt. Einem Anspruch auf Nutzungsentgelt kann auch entgegenstehen, dass der ausgezogene Ehegatte zwar zur anteiligen Lastentragung verurteilt worden ist, der im Haus verbliebene Ehegatte die Lasten aber wegen Vermögenslosigkeit des anderen Ehegatten tatsächlich allein trägt (OLG Köln FamRZ 99, 1272). Sofern die Lasten den zuzurechnenden Nutzungswert übersteigen, kann wegen des überschießenden Teils ein Ausgleichsanspruch im Rahmen des Geamtschuldnerausgleichs nach § 426 Abs. 1 BGB bestehen (OLG Koblenz FamRZ 97, 364). Trägt der ausgezogene Ehegatte die Lasten, erhöht sich sein Anspruch auf Nutzungsentgelt um einen Anspruch auf anteilige Lastentragung. Der Billigkeit kann es insoweit entsprechen, dass der im Haus verbliebene Ehegatte die Lasten übernimmt und dafür kein Nutzungsentgelt zu zahlen hat. Eine Neuregelung nach billigem Ermessen kann auch darin liegen, dass der im Objekt verbliebene Ehegatte die Hauslasten, insbesondere die Kreditverpflichtungen allein trägt (BGH FamRZ 83, 795; OLG Celle N/W-RR 90, 265; OLG Köln FamRZ 99, 1272). Berücksichtigungsfähige Hauslasten, die in die zu treffende Neuregelung einzubeziehen sind, sind in erster Linie Zins- und Tilgungsleistungen. Streitig ist, inwieweit sonstige Grundstückskosten und -lasten einzubeziehen sind. Nach der Rechtsprechung des BGH sind die verbrauchsunabhängigen Grundstückskosten wie Grundsteuer, Gebäudeversicherung und Reparaturkosten von beiden Miteigentümern zu tragen und daher in die Neure- gelung einzubeziehen (BGH FamRZ 00, 351, 354). Demgegenüber sind ver- brauchsabhängige Kosten wie Heizung, Strom, Gas, Schornsteinfeger, Müllabfuhr und Wasser allein von dem Ehegatten zu tragen, der im Hause wohnen bleibt. Zunehmend wird jedoch in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien und in der Rechtsprechung (OLG Braunschweig FamRZ 96, 1216) und Literatur (Wendl/Gerhard § 1 Rn. 236 a) die Auffassung vertreten, dass eine Differenzierung zwischen verbrauchsunabhängigen und -abhängigen Nebenkosten untauglich sei, da Aufwendungen für Grundsteuer und Gebäudeversicherung mittlerweile weitgehend auf Mieter umgelegt werden. Nutzungsentgelt, Lastenausgleich und Unterhalt Die Nutzungsregelung hat auch Einfluss auf die Unterhaltsregelung. Ist beim Trennungsunterhalt z.B. der Nutzungsvorteil des mietfreien Wohnens des unterhaltsberechtigten Ehegatten bereits bedarfsdeckend berücksichtigt, kann ihm der Unterhaltspflichtige kein Nutzungsentgelt mehr abverlangen. Ist umgekehrt der unterhaltspflichtige Ehegatte im Haus verblieben und wurden ihm Nutzungsvorteile einkommenserhöhend angerechnet und daraus ein erhöhter Trennungsunterhalt für den unterhaltsberechtigten Ehegatten errechnet, der aus dem Haus ausgezogen ist, kann dieser nicht für seinen Anteil auch noch ein Nutzungsentgelt verlangen. Im Ergebnis muss deshalb die Verpflichtung des das Haus nutzenden Ehegatten zur Zahlung eines Nutzungsentgelts mit der Herabsetzung des Unterhalts des Ehegatten, der aus dem Haus ausgezogen ist, korrespondieren (BGH FamRZ 84, 434; OLG Celle NJW 00, 1425). Ist eine gerichtliche Regelung von Nutzungsentgelt und Lastentragung zu treffen, bevor der Unterhalt geregelt ist, muss das Bestehen der Unterhaltsansprüche bedacht werden. Insoweit ist darauf zu achten, dass bei parallel laufenden Verfahren divergierende Entscheidungen vermieden werden. Ist über den Unterhalt erst zu entscheiden, nachdem bereits durch gerichtliche Entscheidung gemäß § 745 Abs. 2 BGB oder durch Vereinbarung der Ehegatten die Tragung der Lasten und die Zahlung eines Nutzungsentgelts geregelt worden ist, ist dieses Ergebnis bei der Regelung des Unterhalts zu berücksichtigen. Dem Ehegatten, der das Haus mietfrei nutzt, ist der Ehe prägende Wohnvorteil als Gebrauchsvorteil i.S. des § 100 BGB zuzurechnen, und zwar - je nachdem ob es sich um Trennungsunterhalt oder nachehelichen Unterhalt handelt - ausgerichtet an der Höhe der ersparten Miete bzw. des objektiven Mietwerts. Die Hauslasten sind als eheprägende Verbindlichkeit beim Ehegatten, der sie trägt, einkommensmindernd zu berücksichtigen.
Gerichtliche Geltendmachung im Verhältnis zu § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB Entspricht der im Haus verbliebene Ehegatte einem Verlangen nach einer Neuregelung gemäß § 745 Abs. 2 BGB nicht, kann Leistungsklage erhoben werden, die auf Zustimmung zur bestimmt zu bezeichnenden Art der Verwaltung und Benutzung zu richten ist (BGH FamRZ 82, 355). Der Anspruch kann aber auch als Ergebnis der beanspruchten Neuregelung sogleich als Zahlungsklage geltend gemacht werden. Dafür ist nicht das Familiengericht, sondern das allgemeine Zivilgericht für diesen schuldrechtlichen Anspruch zuständig (BGH, a.a.O.). Streiten die Ehegatten aber (nur) darüber, in welcher Höhe der in der Wohnung verbleibende dem anderen eine Nutzungsentschädigung zu zahlen hat, so kann sogleich vor dem allgemeinen Zivilgericht auf Zahlung geklagt werden (BGH FamRZ 94, 822; KG FamRZ 00, 304). Hat fälschlicherweise das Familiengericht erstinstanzlich entschieden, ist das OLG (Familiensenat) in zweiter Instanz für das Rechtsmittel zuständig, selbst wenn das Nichtvorliegen einer Familiensache gerügt wird (OLG Brandenburg FamRZ 01, 427). Geht es um § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB - gegebenenfalls auch um § 2 Abs. 5 GewSchG - sind die Familiengerichte gemäß § 23b Abs. 1 S. 2 Nr. 8, § 8a GVG zuständig. Streitig ist, wie weit der Anwendungsbereich des § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB geht (dazu Wever, a.a.O., Rn. 91 ff. m.w.N. zum Sach- und Streitstand). Die Familiengerichte sind zuständig, wenn es zum Wohnungszuweisungsverfahren nach § 1361b Abs. 1 BGB gekommen ist. Sie müssen die Auferlegung eines Nutzungsentgelts prüfen und - sofern noch keine Unterhaltsregelung vorliegt - eine Regelung gemäß § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB vornehmen. Hat das Familiengericht die Ehewohnung einer Partei zugewiesen, ohne über die Vergütung zu entscheiden, kann der zum Auszug verpflichtete Ehegatte isoliert vor dem Familiengericht auch später ein Nutzungsentgelt geltend machen. Der familienrechtliche § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB geht als lex specialis dem gemeinschaftsrechtlichen § 745 BGB vor (OLG Bamberg N/WE-FER 00, 138; Palandt/Brudermüller, BGB, 63. Aufl. § 1361b Rn. 20). M.E. sind §§ 745 ff. BGB nur anwendbar, wenn es nicht um die Nutzung der Ehewohnung als solche, sondern allein um die Zahlung der Nutzungsvergütung dafür geht. Sofern Einigkeit der Ehegatten über die weitere Nutzung der im Miteigentum stehenden Wohnung durch einen von ihnen besteht, gilt § 745 BGB (OLG Brandenburg FamRZ 01, 427). Bei fehlender Einigung über die Nutzung der Wohnung als solche findet § 745 Abs. 2 BGB keine Anwendung (KG FamRZ 01, 368). Nach wie vor streitig ist die Frage, nach welcher gesetzlichen Bestimmung ein Ehegatte, der nicht auf Grund gerichtlicher Anordnung, sondern freiwillig ausgezogen ist, vom nutzungsberechtigten Ehegatten eine Vergütung verlangen kann (vgl. dazu Johannsen/Henrich/Brudermüller, Eherecht 4. Aufl., § 1361b Rn. 33 m.w.N. zum Sach?- und Streitstand). Nach der ab 1.1.02 geltenden gesetzlichen Neufassung des § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB hängt der Anspruch auf Nutzungsentschädigung nicht mehr davon ab, ob ein Ehegatte verpflichtet ist, die Wohnung zu räumen. Daraus ist m.E. zu schließen, dass ein Ehegatte, der dem anderen ohne gerichtliche Anordnung, also freiwillig, die Ehewohnung überlässt, eine Benutzungsvergütung fordern kann, so dass auch bei freiwilligem Auszug eines Ehegatten unmittelbar ein Anspruch nach § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB geltend gemacht werden kann (Haussleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 3. Aufl. Kap. 4 Rn. 56; a.A. Wever a.a.O. Rn. 92 ff.), der insoweit als lex specialis § 745 Abs. 2 BGB verdrängt. Praxishinweis: Angesichts der zweifelhaften Rechtslage, ob mit § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB für alle Fälle, also auch beim freiwilligen Auszug eine einheitliche Anspruchsgrundlage für die Trennungszeit geschaffen worden ist mit der Folge der einheitlichen Zuständigkeit des Familiengerichts, sollte diesem Streitpunkt besondere Beachtung geschenkt werden. Beurteilt das angegangene Gericht die Rechtsfrage anders als der Antragsteller, sollte ein rechtlicher Hinweis nach § 139 ZPO erbeten werden. | ||
Quelle: Familienrecht kompakt - Ausgabe 09/2004, Seite 149 |
Quelle: Ausgabe 09 / 2004 | Seite 149 | ID 102961