01.01.2007 | Sorgerecht
So können Elternvereinbarungen zum Sorgerecht geändert werden
Soll während der Trennungszeit die gemeinsame elterliche Sorge oder eine diesbezügliche Einigung aufgehoben werden, gilt Folgendes:
Checkliste: Basiswissen zu § 1671 BGB |
Gemeinsames Sorgerecht: Verheiratete Eltern sind gemeinsam Inhaber der elterlichen Sorge, auch nach Trennung und Scheidung. Seit Inkrafttreten des KindRG am 1.7.98 bedarf es im Scheidungsverbundverfahren von Amts wegen darüber keiner Entscheidung. Es ist primär Sache der Eltern, welches Sorgerechtsmodell sie bevorzugen. Sie bestimmen den Zeitpunkt für eine Änderung. Antragsberechtigt sind nur sie, nicht das Kind oder das Jugendamt. Folge: Ohne Antrag verbleibt es bei der gemeinsamen elterlichen Sorge.
Praxishinweis: Die Einigung der Eltern unter Mithilfe des Jugendamts entfaltet keine Bestandskraft. Da es sich nicht um eine gerichtliche Entscheidung, also um eine formell bestandskräftige Regelung handelt, greift § 1696 BGB nicht ein (Johannsen/Henrich/Büte Eherecht, 4. Aufl., § 1696 Rn. 1 ff.).
Dauerndes Getrenntleben erforderlich: Eine Sorgerechtsentscheidung nach § 1671 BGB setzt voraus, dass die Eltern dauernd getrennt i.S. des § 1567 BGB leben (OLG Koblenz FamRZ 90, 550). Beruhen (noch vorhandene) Gemeinsamkeiten ausschließlich auf der Wahrnehmung des Umgangsrechts durch einen Elternteil, steht das der Trennung im Rechtssinne nicht entgegen (OLG Köln FamRZ 02, 1341).
Übertragung der Alleinsorge nach § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB: Einem Elternteil kann die alleinige elterliche Sorge übertragen werden, wenn der andere Elternteil dem Antrag zustimmt, die Eltern sich also einigen und das Kind – sofern es mindestens 14 Jahre alt ist – der Übertragung der Alleinsorge nicht widerspricht. Möglich ist auch eine Beschränkung auf Teilbereiche der elterlichen Sorge, z.B. auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht.
Übertragung der Alleinsorge nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB: Dem Antrag ist stattzugeben, wenn zu erwarten ist, dass die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge dem Wohl des Kindes am besten entspricht, also die gemeinsame elterliche Sorge ausscheidet. Die Prüfung erfolgt in zwei Stufen:
Erweist sich ein Elternteil als ungeeignet zur Pflege und Erziehung eines Kindes, z.B. bei schweren Gewaltanwendungen (OLG Karlsruhe FamRZ 02, 1209), sonstigen Misshandlungen i.S. des § 1631 Abs. 2 BGB oder schweren Vernachlässigungen, ist die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben.
Die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge wird dem Kindeswohl am besten gerecht, wenn die Eltern untereinander objektiv nicht kooperationsfähig und subjektiv nicht kooperationsbereit sind. Denn die gemeinsame elterliche Sorge setzt ein Mindestmaß an Konsens- und Kooperationsfähigkeit voraus (BGH FamRZ 99, 1646; 05, 1167). Grundsätzlich ist einem Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge kein Vorrang vor der Alleinsorge eines Elternteils einzuräumen (BVerfG FamRZ 04, 354; BGH FamRZ 99, 1646; 05, 1167). Das BVerfG senkt die Schwelle zur Alleinsorge, indem es in Anknüpfung an die Rechtsprechung zur elterlichen Sorge nicht miteinander verheirateter Eltern (FamRZ 95, 789; 03, 285) als Voraussetzung der gemeinsamen elterlichen Sorge neben einem Mindestmaß an Übereinstimmung weiter eine tragfähige soziale Beziehung voraussetzt (FamRZ 04, 354).
Die Übertragung der Alleinsorge setzt konkrete tatrichterliche Feststellungen voraus. Formelhafte Wendungen, dass den Eltern die Kontakt- und Kooperationsbereitschaft fehlen, reichen nicht aus. Voraussetzung für die Übertragung der Alleinsorge ist eine negative Zukunftsprognose. Nicht ausreichend ist die Uneinigkeit der Eltern über den Aufenthaltsort des Kindes (BVerfG FamRZ 04, 1015).
Maßgebend für die Frage, ob die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge gerade auf den Antragsteller dem Wohl des Kindes am besten dient, sind die nachfolgenden fünf Grundsätze, die ohne Reihenfolge und Gewichtung (BGH FamRZ 90, 392) zu beachten sind:
Eine positive Prognose für den Antragsteller ist u.a. zu verneinen bei fehlender Bindungstoleranz, wenn der Antragsteller jeglichen Umgang mit dem anderen Elternteil unterbinden will oder das Kind in eine hasserfüllte Einstellung gegenüber diesem hineinführt, es dem anderen Elternteil entfremdet und es dem Kind somit nahezu unmöglich macht, die Trennungssituation der Eltern angemessen zu bewältigen (BGH FamRZ 85, 169; 94, 158; BVerfG FamRZ 93, 662).
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Exkurs: Bei gemischt nationalen Ehen kommt es vor, dass ein Elternteil befürchtet, der andere werde mit dem Kind ins Ausland gehen. Allein der Umstand, dass der eine Elternteil ausländischer Staatsangehöriger ist, rechtfertigt nicht die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den anderen Elternteil mit der Erwägung, der ausländische Elternteil werde sein Sorgerecht missbrauchen, um das gemeinsame Kind in sein Heimatland zu verbringen (OLG Köln NJW-RR 99, 1019). Ein solcher Vorwurf muss vielmehr konkret und nachvollziehbar belegt werden, was in der Praxis äußerst schwierig ist.
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