27.07.2009 | Versorgungsausgleich
Ausgleichsstatut bei ausländischen Ehegatten
von VRiOLG Hartmut Wick, Celle
1. Dem nach Art. 17 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 EGBGB berufenen ausländischen Sachrecht ist ein Versorgungsausgleich im Sinne des deutschen Internationalen Privatrechts dann materiell bekannt, wenn der Kerngehalt des betreffenden Rechtsinstituts mit den wesentlichen Strukturmerkmalen des deutschen Versorgungsausgleichs vergleichbar ist. Hierfür ist es grundsätzlich ausreichend, wenn das ausländische Rechtsinstitut einen mit dem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich (§ 1587 ff. BGB) vergleichbaren Ausgleichsmechanismus vorsieht. |
2. Weil Art. 17 Abs. 3 EGBGB insbesondere den angemessenen Ausgleich deutscher Versorgungsanrechte sicherstellen möchte, muss das berufene Sachrecht auch einen mit dem deutschen Recht strukturell vergleichbaren Ausgleich „ausländischer“ (hier also deutscher) Versorgungsanrechte vorsehen. |
3. Das niederländische Recht kennt keinen Versorgungsausgleich im Sinne des Art. 17 Abs. 3 EGBGB. |
(BGH 11.2.09, XII ZB 101/05, FamRZ 09, 677, Abruf-Nr. 092292) |
Sachverhalt
Die Eheleute - beide niederländische Staatsangehörige - haben während der Ehe in Deutschland gelebt. Dort hat der Ehemann den Großteil seiner gesetzlichen und betrieblichen Versorgungsanwartschaften erworben. Das Amtsgericht hat die Ehe der Parteien nach niederländischem Recht geschieden und den Antrag der Ehefrau auf „regelwidrige“ Durchführung des Versorgungsausgleichs nach deutschem Recht (Art. 17 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 EGBGB) zurückgewiesen. Ihre Beschwerde hatte keinen Erfolg, weil auch das eigentlich berufene niederländische Sachrecht nach Auffassung des OLG einen Versorgungsausgleich kennt. Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde hat der BGH die Sache an das OLG zurückverwiesen.
Entscheidungsgründe
Die deutschen Gerichte sind zur Entscheidung über den Versorgungsausgleich international zuständig. Weil beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben, folgt nach autonomem Recht die internationale Zuständigkeit für die Ehescheidung aus § 606a Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Damit ist zugleich wegen des sachlichen Bezugs zwischen Ehescheidung und Versorgungsausgleich die internationale Zuständigkeit für die Entscheidung über den VA gegeben. Die Brüssel IIa-Verordnung (VO) steht dem nicht entgegen. Nach Art. 1 unterliegen Scheidungsfolgesachen - mit Ausnahme der in Abs. 2 geregelten Fälle - und damit auch der (im Verbund geführte) Versorgungsausgleich nicht dem sachlichen Anwendungsbereich der VO.
Gemäß Art. 17 Abs. 3 S. 1 HS. 1 EGBGB unterliegt der Versorgungsausgleich dem gleichen Sachrecht wie die Scheidung und diese folgt dem Recht des Staates, das bei Eintritt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags für die allgemeinen Wirkungen der Ehe maßgebend ist. Das ist nach Art. 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB vorrangig das Recht, dem beide Ehegatten angehören oder während der Ehe zuletzt angehörten, vorliegend also das niederländische Recht. Gemäß Art. 17 Abs. 3 S. 1 HS. 2 EGBGB wäre ein VA nach dem an sich berufenen niederländischen Recht jedoch nur durchzuführen, wenn er als Rechtsinstitut dem niederländischen Recht „bekannt“ wäre. Andernfalls könnte unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag ein „regelwidriger“ Versorgungsausgleich nach deutschem Recht stattfinden (Art. 17 Abs. 3 S. 2 EGBGB). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass es nicht gerechtfertigt und damit unbillig erscheint, wenn der Versorgungsausgleich in den Fällen, in denen das berufene ausländische Sachrecht keine befriedigende Ausgleichsmöglichkeit bietet, auch dann nicht durchgeführt werden kann, wenn während der Ehe inländische Versorgungsanwartschaften erworben worden sind.
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