01.12.2006 | Versorgungsausgleich
Grobe Unbilligkeit bei langer Trennungszeit
1. Auch bei langer Trennungszeit erfordert die Herabsetzung des Versorgungsausgleichs wegen grober Unbilligkeit nach § 1587c Nr. 1 BGB im Einzelfall eine Gesamtwürdigung aller wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten. |
2. Hat der ausgleichspflichtige Ehegatte während einer langen Trennungszeit (hier: 17 Jahre) widerspruchslos Trennungsunterhalt gezahlt, ohne von dem ausgleichsberechtigten Ehegatten die Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit zu fordern, kann der Ausgleichsberechtigte ein schutzwürdiges Vertrauen auf Teilhabe an den bis zum Ende der Ehezeit erworbenen Anrechten auf Altersversorgung des Ausgleichsverpflichteten haben. |
Sachverhalt
Die Parteien hatten 1963 geheiratet und seit 1982 getrennt gelebt. Der Scheidungsantrag des Ehemannes wurde der Ehefrau 1999 zugestellt. Während der gesamten Trennungszeit hatte der Ehemann vereinbarungsgemäß Unterhalt an die Ehefrau gezahlt. Diese war seit 1964 nicht mehr sozialversicherungspflichtig tätig gewesen. Nach den Ermittlungen des AG ergab sich, bezogen auf die gesetzliche Ehezeit (1587 Abs. 2 BGB), gemäß § 1587a Abs. 1 BGB ein Versorgungsausgleichsanspruch der Ehefrau. Das OLG hielt wegen der langen Trennungszeit eine Kürzung des Versorgungsausgleichs (VA) gemäß § 1587c Nr. 1 BGB für geboten. Es ging von einem fiktiven Ehezeitende am 30.6.92 aus, holte auf diesen Stichtag bezogene Auskünfte der Versorgungsträger ein und kürzte den VA um mehr als 40 Prozent. Die Rechtsbeschwerde der Ehefrau hatte Erfolg.
Entscheidungsgründe
Zwar kann eine lange Trennungszeit Anlass sein, einen zumindest teilweisen Ausschluss des VA wegen grober Unbilligkeit zu prüfen. Denn nach Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft fehlt es auch an einer Versorgungsgemeinschaft, die die rechtfertigende Grundlage für den VA ist. Grob unbillig ist der VA jedoch nur, wenn die dauerhafte Teilhabe beider Ehegatten an den gemeinsam erworbenen Anrechten auch während der Trennungszeit im konkreten Fall dem Grundgedanken des VA in unerträglicher Weise widersprechen würde. Daher ist in jedem Einzelfall eine Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse beider Ehegatten vorzunehmen. Hier hat der Ehemann mit seinen widerspruchslosen Unterhaltszahlungen während der langen Trennungszeit unterhaltsrechtlich einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der den Zeitpunkt für eine Erwerbsobliegenheit der Ehefrau hinausschob. Da die Unterhaltsleistungen für ihren Lebensbedarf ausreichten, sah die Ehefrau keine Notwendigkeit, eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit aufzunehmen. Sie durfte sich darauf verlassen, auch während der Trennungszeit an den vom Ehemann erworbenen Versorgungsanrechten teilzuhaben. Daher ist es nicht grob unbillig, sondern vielmehr geboten, den VA ungekürzt durchzuführen.
Eine Kürzung des VA ist auch nicht gerechtfertigt, weil dem Ehemann nach Durchführung des VA weniger als der eigene angemessene Selbstbehalt verbleibt. Unterhaltsrechtlich erhebliche Selbstbehaltsgrenzen gelten für den VA nicht. Eine durch den VA entstehende Bedürftigkeit des Verpflichteten kann bei der Billigkeitsabwägung nach § 1587c Nr. 1 BGB nur relevant werden, wenn der Ausgleichsberechtigte seinerseits unter Berücksichtigung seiner außerhalb der Ehezeit erworbenen Anwartschaften und seines Vermögens über eine ausreichende Altersversorgung verfügt. Das ist hier nicht der Fall.
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