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  • 01.10.2006 | Zugewinnausgleich

    Haftungsfalle § 1374 Abs. 2 BGB: Hinzuerwerb zu den Einkünften

    von VRiOLG Dieter Büte, Bad Bodenteich/Celle

    Oft werden Zuwendungen der Eltern an ihr Kind und Schwiegerkind fehlerhaft als Schenkungen auf Seiten des Schenkungsempfängers und damit als privilegiertes Anfangsvermögen gemäß § 1374 Abs. 2 BGB in den Zugewinn eingestellt. Sofern die behaupteten Zuwendungen streitig sind, erfolgt häufig eine nicht gebotene Beweisaufnahme über die Zahlung und ggf., ob die Zuwendung nur gegenüber dem eigenen Kind oder auch dem Schwiegerkind erfolgt ist. Der Beitrag zeigt anhand eines Beispiels aus der Praxis, worauf der Anwalt in diesem Zusammenhang achten muss.  

     

    Beispiel: Zuwendungen von Eltern und Schwiegereltern im Zugewinnausgleich

    A und B sind seit dem 1.10.00 verheiratet. In den Jahren 02 bis 04 „schenken“ die Eltern der B dieser monatlich 200 EUR, der A erhält im Jahr 03 von seinen Eltern einen Pkw, um damit zur Arbeit zu gelangen. Schließlich erhalten A und B von den Eltern des A im Jahr 04 eine Wohnung zur unentgeltlichen Nutzung. Anfang 05 trennen sich die Eheleute, im Rahmen des Scheidungsverfahrens streiten sie darum, ob die „Schenkungen“ privilegiertes Anfangsvermögen sind. Wie ist die Rechtslage?  

     

     

    Checkliste: Grundlagen des § 1374 Abs. 2 BGB
    • Zweck des § 1374 Abs. 2 BGB ist, einen Vermögenserwerb aus dem Zugewinnausgleich auszuklammern, der mit dessen Grundgedanken nichts gemein hat. Durch den Zugewinnausgleich soll sichergestellt werden, dass beide Ehegatten an dem, was sie während der Ehe erworben haben, hälftig beteiligt werden (BVerfG FamRZ 89, 939; BGH FamRZ 81, 755). Die in § 1374 Abs. 2 BGB geregelten Fälle sind dadurch gekennzeichnet, dass der Vermögenserwerb typischerweise auf persönlichen Beziehungen des erwerbenden Ehegatten zum Zuwendenden oder auf ähnlichen besonderen Umständen beruht.

     

    • Die privilegierten Tatbestände sind in § 1374 Abs. 2 BGB abschließend aufgeführt:
    • Erwerb mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht (BGH FamRZ 90, 1083 und 1217),

     

    Die Vorschrift findet keine Anwendung auf unbenannte oder ehebezogene Zuwendungen, die keine Schenkungen i.S. des § 516 BGB darstellen (BGH FamRZ 87, 791; 91, 1169). Eine ausdehnende Anwendung im Wege der Analogie ist ausgeschlossen.

     

    • Nur Schenkungen von dritter Seite, nicht aber Schenkungen unter Ehegatten, fallen unter die Privilegierungsvorschrift (BGH FamRZ 87, 791; 88, 373).

     

    • Keine dem Anfangsvermögen gemäß § 1374 Abs. 2 BGB zuzurechnende Zuwendung eines Dritten liegt vor, wenn die Zuwendung zu den „Einkünften“ zu rechnen ist. Nach der Zielsetzung, die der Zugewinnausgleich verfolgt, soll grundsätzlich nur ein Vermögenszuwachs ausgeglichen werden. Einmalige oder regelmäßige Zuwendungen, die nicht zur Vermögensbildung, sondern zum laufenden Verbrauch bestimmt sind, sind Einkünfte (OLG Zweibrücken FamRZ 84, 276). Letzteres ist im Einzelfall unter Berücksichtigung des Anlasses der Zuwendung, der Willensrichtung des Schenkers und der wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschenkten zu entscheiden (BGH, a.a.O.).

     

    Da in der Regel die Beteiligten der Zuwendung keine ausdrücklichen Erklärungen dabei abgeben, sind sämtliche Umstände darzulegen. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass es sich bei einer Zuwendung um privilegierten Erwerb handelt, trägt derjenige, der die Zuwendung ins Anfangsvermögen einstellen will (BGH FK 05, 181, Abruf-Nr. 052563). Erfolgt die Zuwendung aus besonderem Anlass, insbesondere wenn ein besonderer Finanzbedarf besteht, handelt es sich um Einkünfte. Erfolgt die Zuwendung unabhängig von einem konkreten Bedarf, handelt es sich um einen privilegierten Erwerb.

     

    Bescheidene finanzielle Verhältnisse des Empfängers sprechen bei laufenden Zahlungen dafür, dass eine Unterstützung der allgemeinen Lebensführung und nicht eine Vermögensbildung gegeben ist. Laufende oder einmalige Zahlungen zur Unterstützung „einer jungen Familie“ sind i.d.R. den Einkünften zuzurechnen.

     

    Bei größeren Geld- oder Sachzuwendungen können sich Anhaltspunkte für die Beurteilung, ob es sich um Einkünfte handelt, aus einer Prognose ergeben: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Zuwendungen, falls die Ehe in ein paar Jahren scheitert, bereits verbraucht oder noch im Vermögen des begünstigten Ehegatten vorhanden sind? Ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass Zuwendungen noch vorhanden sind, spricht dies dafür, sie als Einkünfte zu bewerten (Haußleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 4. Aufl., Rn. 32 e).

     

    • Zu den Einkünften zählen:
    • Zuwendungen für den Haushalt und andere laufende Lebensbedürfnisse, z.B. für einen Umzug, für Miete, für den Erwerb eines Führerscheins sowie für einen Erholungsurlaub (OLG Zweibrücken FamRZ 84, 276);
    • Zuwendungen für den Kauf eines Pkw, um damit den Arbeitsplatz zu erreichen (OLG Karlsruhe FamRZ 02, 236);
    • die kostenlose Überlassung einer Wohnung (OLG München FamRZ 98, 825);
    • Zuwendungen, die für den laufenden Lebensbedarf gedacht waren, aber nicht verbraucht wurden, sondern angespart worden sind, bleiben Einkünfte und sind – sofern bei Zustellung des Scheidungsantrages noch vorhanden – ins Endvermögen einzustellen.

     

    • Nicht zu den Einkünften zählen:
    • Zuschüsse zur Finanzierung eines Eigenheims (KK-FamR/Weinreich § 1374 BGB Rn. 44);
    • Zahlungen aus dem Sparvermögen eines Elternteils, welche die Eheleute für den Ankauf von Baumaterial für ein Haus verwendet haben (OLG Bremen OLGR 98, 205);
    • Überlassung der Rechte aus einem Bausparvertrag zum Erwerb oder Ausbau einer Wohnung (Johannsen/Henrich/Jaeger, Eherecht, 4. Aufl., § 1374 BGB Rn. 31).
     

    Lösung

    Sämtliche Zuwendungen sind kein privilegiertes Anfangsvermögen i.S. von § 1374 Abs. 2 BGB.  

     

    Bei der Zuwendung gegenüber dem Schwiegerkind handelt es sich um eine ehebezogene Zuwendung (BGH FamRZ 95, 1060). § 1374 Abs. 2 BGB greift insoweit nicht ein (BGH FamRZ 91, 1169; Büte, Zugewinnausgleich bei Ehescheidung, 3. Aufl., Rn. 27).  

     

     

    Quelle: Ausgabe 10 / 2006 | Seite 175 | ID 87239