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  • 28.04.2011 | Zugewinnausgleich

    So wird eine zahnärztliche Gemeinschaftspraxis richtig bewertet

    von VRiOLG Dieter Büte, Bad Bodenteich/Celle

    1. Der Goodwill einer freiberuflichen Praxis ist als immaterieller Vermögenswert grundsätzlich in den Zugewinnausgleich einzubeziehen.  
    2. Bei der Bemessung eines solchen Goodwills ist im Rahmen der modifizierten Ertragswertmethode ein Unternehmerlohn abzusetzen, der sich an den individuellen Verhältnissen des Inhabers orientiert.  
    3. Die stichtagsbezogene Bewertung einer Inhaberpraxis im Zugewinnausgleich setzt eine Verwertbarkeit der Praxis voraus. Deswegen sind bereits bei der stichtagsbezogenen Bewertung dieses Endvermögens latente Ertragsteuern abzusetzen, und zwar unabhängig davon, ob eine Veräußerung tatsächlich beabsichtigt ist.  
    4. Die Berücksichtigung eines Goodwills im Zugewinnausgleich verstößt nicht gegen das Doppelverwertungsverbot, weil er den am Stichtag vorhandenen immateriellen Vermögenswert unter Ausschluss der konkreten Arbeitsleistung des Inhabers betrifft, während der Unterhaltsanspruch auf der Arbeitsleistung des Inhabers und weiteren Vermögenserträgen beruht.  
    (BGH 9.2.11, XII ZR 40/09, FamRZ 11, 622, Abruf-Nr. 110946)

     

    Sachverhalt

    Die Parteien sind rechtskräftig geschiedene Eheleute. Das FamG hat die Folgesachen Ehegattenunterhalt und Zugewinn abgetrennt. Mit rechtskräftigem Urteil wurde der Beklagte verurteilt, nachehelichen Unterhalt an die Klägerin zu zahlen. Die Parteien streiten im Rahmen des Zugewinnausgleichs (ZGA) vorwiegend um die Bewertung des hälftigen Anteils des Beklagten an einer zahnärztlichen Gemeinschaftspraxis. Die zugelassene Revision hat der BGH als unbegründet zurückgewiesen.  

     

    Entscheidungsgründe

    Der BGH hat dabei auf folgende Gesichtspunkte abgestellt:  

     

    Übersicht: Merksätze des BGH zur Bewertung einer freiberuflichen Zahnarztpraxis
    • Für die Berechnung und die Höhe des Zugewinnausgleichs (ZGA) ist im Fall der Scheidung der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags (§ 1384 BGB) maßgeblich.

     

    • Zugrunde zu legen ist der objektive (Verkehrs‑)Wert des jeweiligen Vermögensgegenstands (so schon BGH FamRZ 80, 37, 40; 91, 43, 44; 99, 361, 362; 08, 761). Die im Gesetz nicht geregelte Bewertungsmethode ist sachverhaltsspezifisch auszuwählen und vom sachverständig beratenen Tatrichter anzuwenden.

     

    • Bei der Bewertung einer freiberuflichen Praxis ist stets der volle Wert in den ZGA einzustellen. Der Wert ist nicht allein nach dem Umsatz zu bemessen, da dieser allein keine sicheren Rückschlüsse auf die Gewinnerwartung und damit auch nicht auf die Realisierung des Werts zum Stichtag zulässt.

     

    Zum Wert des Unternehmens zählt der Substanzwert mit dem Wert, der beim Praxisverkauf auf den Erwerber übergeht.

     

    Daneben ist der Geschäftswert (= Goodwill) zu bemessen als der Betrag, den ein (potenzieller) Erwerber bereit ist, über den Substanzwert hinaus zu zahlen, ohne dass es auf eine tatsächliche Veräußerung ankommt. Bei einer Begrenzung des Abfindungsanspruchs - z.B. in einem Gesellschaftsvertrag etwa auf den Substanzwert - kann sich dies auch auf den objektiven Wert auswirken (BGH FamRZ 80, 37, 38; 99, 361, 362).

     

    Zwar sind freiberuflich betriebene Praxen i.d.R. inhaberbezogen, weil der Erfolg wesentlich von der Person des Inhabers abhängt. Trotzdem ist aber ein Goodwill anzusetzen. Dieser gründet sich auf immaterielle Faktoren wie Standort, Art und Zusammensetzung der Mandanten/Patienten, Konkurrenzsituationen und ähnliche Faktoren, soweit sie auf einen Nachfolger übertragbar sind. Mit dem Goodwill bezahlt der Käufer einer freiberuflichen Praxis die Chance, die Mandanten des bisherigen Praxisinhabers oder Teilhabers zu übernehmen und auf dem vorhandenen Bestand unter der gegebenen Konkurrenzsituation aufbauen zu können (BGH FamRZ 08, 761). Unberücksichtigt bleiben immaterielle Faktoren, wie Ruf und Ansehen des Praxisinhabers, die mit dessen Person verknüpft und deswegen grundsätzlich nicht übertragbar sind.

     

    Der Goodwill umfasst nur den am Stichtag nachhaltig vorhandenen Wert, der sich in der zum maßgeblichen Zeitpunkt vorhandenen Nutzungsmöglichkeit niederschlägt.

     

    • Ermittelt wird der Goodwill mit der modifizierten Ertragswertmethode, die sich an den durchschnittlichen Erträgen orientiert und davon den Unternehmerlohn absetzt (BGH FamRZ 91, 43, 44; 99, 361, 362; 08, 761). Der Unternehmerlohn orientiert sich an den individuellen Verhältnissen des Inhabers, weil nur so der auf dem persönlichen Einsatz beruhende und nicht übertragbare Wert ausgeschieden werden kann. Ein pauschal kalkulierter Unternehmerlohn kann den persönlichen Anteil am Wert der Praxis nicht hinreichend berücksichtigen.

     

    • Vom durchschnittlichen Rohgewinn sind die latenten Ertragsteuern abzuziehen.

     

    • Diese Wertermittlung widerspricht nicht dem sog. Doppelverwertungsverbot. Der ZGA ist auf ein stichtagsbezogenes Vermögen gerichtet, während der Unterhalt, der den laufenden Lebensbedarf decken soll, auf Einkünften und Vermögenserträgen aufbaut. Konkurrenz besteht also nur, wenn zum Unterhalt auch der Vermögensstamm herangezogen wird, so bei Abfindungen nach Aufgabe einer Erwerbstätigkeit, soweit diese Lohnersatzfunktion haben. Es liegt also keine Doppelberücksichtigung vor, wenn bei der Bemessung des Unternehmerlohns nach den individuellen Verhältnissen des Inhabers ein entsprechender Lohn abgezogen wird.

     

    Konkrete Berechnung: Von den durchschnittlichen Praxisumsätzen der letzten drei Jahre vor dem Stichtag werden Kosten (z.B. Personalkosten etc.) und anschließend der individuelle Unternehmerlohn sowie die latenten Ertragsteuern abgezogen.

     

    • Ermittlung des Unternehmerlohns: Tariflohn für Zahnärzte, erhöht um Arbeitgeberzuschlag für Lohnnebenkosten, wöchentliche Arbeitszeit, Erhöhung des so ermittelten Lohnes um 50 % (ggf. zusätzlich vorhandenes Labor) sowie Abzug von 35 % Steuern.

     

    • Mit Ansprüchen auf Gesamtschuldnerausgleich für nach der Trennung geleistete Zahlung auf gesamtschuldnerische Verbindlichkeiten wird nicht aufgerechnet. Zwar haften Ehegatten im Außenverhältnis gemeinsam für die Verbindlichkeit, im Endvermögen des ZGA sind diese jedoch nur mit der Quote anzusetzen, die im Innenverhältnis auf sie entfallen (BGH FamRZ 11, 25). Während intakter Ehe ist ein Gesamtschuldnerausgleich ausgeschlossen. Diese stillschweigende Vereinbarung entfällt mit endgültiger Trennung der Ehegatten. Bis zur Zustellung des Scheidungsantrags werden die Zahlungen eines Ehegatten damit im ZGA neutralisiert, wenn der andere über einen eigenen Zugewinn verfügt und der Ausgleichsanspruch auf der einen Seite als Aktiva und auf der anderen Seite als Passiva einzustellen ist.

     

    • Es besteht aber auch kein Anspruch auf Ausgleich der Tilgungsleistungen nach Zustellung des Scheidungsantrags, da insoweit eine anderweitige Bestimmung i.S. des § 426 Abs. 1 BGB vorliegt. Denn die Tilgungsleistungen sind bei der Bemessung des Unterhalts berücksichtigt worden (BGH FamRZ 08, 602).