· Fachbeitrag · Rechtsprechungsübersicht
Die wichtigsten Entscheidungen aus 2014 und 2015 zu vertraglichen Güterrechtsvereinbarungen
von VRiOLG i. R. Dieter Büte, Bad Bodenteich/Celle
| Vertragliche Güterrechtsvereinbarungen sind haftungsträchtig. Der Beitrag zeigt daher die wichtigsten Entscheidungen aus 2014 und 2015. |
1. Vertraglich vereinbarter Ausschluss des VA
Zur Funktionsäquivalenz von Versorgungsausgleich (VA) und Zugewinnausgleich (ZGA) sind folgende Entscheidungen ergangen:
- BGH (FK 15, 135): M und F hatten vor der Ehe einen Ehevertrag geschlossen, in dem sie Gütertrennung vereinbarten und den VA für den Fall der Scheidung ausschlossen. Sie verzichteten wechselseitig auf nachehelichen Unterhalt mit Ausnahme des Betreuungsunterhalts. Sie waren selbstständig tätig, M als Zahnarzt, F als Physiotherapeutin. Obwohl es sich nahezu um einen Globalverzicht handelte und Kinder aus früheren Ehen zu betreuen waren, ist der Vertrag nach § 138 BGB wirksam. Grund: Als sie den Vertrag abschlossen, erzielten beide auskömmliche Einkünfte, die es ihnen ermöglichten, Vorsorge fürs Alter, Krankheit und Invalidität zu treffen. Es gab keine ungleiche Verhandlungsposition oder eine einseitige Dominanz eines Ehegatten oder eine sonstige Störung der subjektiven Vertragsparität.
- Bei der Ausübungskontrolle (§ 138 BGB) gilt: Verläuft die Ehe anders als geplant, ist das nur relevant, wenn die Ehegatten gemeinsam entschieden haben. Beruht die Abweichung auf der einseitigen Entscheidung eines Ehegatten, der sich jetzt dagegen wendet, dass die Vereinbarung weitergilt, ist das Vertrauen des anderen zu schützen, dass die Absprache fortbesteht.
- In Fällen der „Funktionsäquivalenz“ von VA und ZGA sind Konstellationen möglich, in denen es bei der Ausübungskontrolle möglich ist, in das andere Ausgleichssystem hinüberzugreifen. Erfasst sind folgende Fälle:
- Es sind Eheverträge, in denen (nur) Gütertrennung vereinbart ist.
- Beide Ehegatten haben ehezeitlich keine Versorgungsanrechte erzielt.
- Der Ehemann erwirbt erhebliches Vermögen, die Ehefrau nicht, da sie die Kinder betreut und damit erhebliche ehebedingte Nachteile erleidet.
- Hier ist es im Einzelfall geboten, der Ehefrau einen modifizierten ZGA zu gewähren, um den entgangenen VA auszugleichen. Der ZGA ist aber durch den zum Aufbau der entgangenen Versorgungsanrechte erforderlichen Betrag und durch die gesetzliche Höhe des Ausgleichsanspruchs beschränkt.
MERKE | Solche Voraussetzungen liegen i. d. R. in einer Doppelverdienerehe zweier selbstständiger Ehegatten nicht vor.
- Entwickelt sich das Vermögen der Ehegatten unterschiedlich, ist es nicht ausgeschlossen, dass trotz Gütertrennung ein ZGA durchzuführen ist. Hier war bei M kein auszugleichender Zugewinn nachgewiesen. Obwohl der ZGA nicht vom Kernbereich des Scheidungsfolgenrechts umfasst ist und es nur unter engsten Voraussetzungen rechtsmissbräuchlich ist, sich auf eine wirksame Gütertrennung zu berufen, gilt: Ein Rechtsmissbrauch kann in Betracht kommen, wenn die Ehegatten bei ihrer Abrede von beiderseitiger, ökonomisch vergleichbar gewinnbringender Berufstätigkeit ausgegangen sind, diese Planung sich aber später aufgrund von Umständen nicht verwirklichen ließen, die dem gemeinsamen Risikobereich zugehören.
- OLG Karlsruhe (FamRZ 15, 500): Ein Selbstständiger hat seine Altersversorgung durch Vermögen gebildet, das dem ZGA unterliegt, während der andere Ehegatte voraussichtlich nur Rentenanwartschaften erwerben wird. Folge: Der ehevertragliche Ausschluss des ZGA führt dazu, dass ein Ehegatte einseitig von der Teilhabe an der Altersvorsorge des anderen im Scheidungsfall ausgeschlossen ist. Es liegt eine einseitige Lastenverteilung und damit ein Eingriff in den Kernbereich der Scheidungsfolgen vor.
- Auch bei einer objektiv einseitigen, durch die ehelichen Lebensverhältnisse nicht gerechtfertigten Lastenverteilung ist der Vertrag aber nur sittenwidrig, wenn zusätzlich festgestellt werden kann, dass die subjektive Vertragsparität gestört ist. Das ist aber nicht schon der Fall, wenn
- der benachteiligte Ehegatte die Bedeutung und Tragweite des Ausschlusses eines Ehevertrags erkennt,
- die konkreten Vertragsbestimmungen aber nicht versteht und
- sich nicht beraten und aufklären lässt, bevor er den Ehevertrag abschließt, weil er seinem Ehegatten „blind“ vertraue.
- Verzichtet der Ehegatte bei den Vertragsverhandlungen bewusst darauf, selbst oder durch Berater die Eigeninteressen zu wahren, kann deshalb nicht schon das subjektive Sittenwidrigkeitselement bejaht werden.
MERKE | Die Rechtsbeschwerde ist beim BGH anhängig (XII ZB 14/15). Der BGH wird keine Sittenwidrigkeit annehmen. Denn dann würde dem Güterrecht ein höherer Rang eingeräumt, als er ihn in der Kernbereichslehre stets gehabt hat.
- OLG Hamm (NJW 14, 2880): Ein Vertrag, in dem der ZGA, der VA und der nacheheliche Unterhalt ausgeschlossen waren, ist wirksam. Bei der Ausübungskontrolle ist festzustellen, dass es auf der persönlichen Entscheidung der Ehefrau beruht, dass sie sich nicht beruflich fortentwickelt und nicht wirtschaftlich unabhängig geworden ist. Damit war nicht festzustellen, dass die Ehegatten die Lebensverhältnisse einvernehmlich abweichend von der bei Vertragsabschluss vorhandenen Vorstellung gestaltet haben. Dies wäre aber Voraussetzung dafür gewesen, § 242 BGB anzuwenden.
- OLG Bremen (FamRZ 14, 1635): Wirksam ist es, den ZGA wie folgt vertraglich zu modifizieren: Die Ehegatten bewerten das Betriebsvermögen des Ehemanns nur nach Kapitalkonten und nicht nach dem Verkehrswert. Stille Reserven bleiben unberücksichtigt. Gleiches gilt, wenn die Beteiligten vereinbaren, einen einzelnen Vermögensgegenstand unberücksichtigt zu lassen, wenn sie den Zugewinn ermitteln.
MERKE | Dies entspricht der BGH-Rechtsprechung seit FamRZ 97, 800.
- BGH (FamRZ 15, 47): Die Bank (B) hat den Ehemann (M) aus einer Rückzahlungsvereinbarung in Anspruch genommen, um seine Pflicht aus einer Bürgschaft abzugelten. Er verpflichtete sich, bis zu einem bestimmten Termin eine bestimmte Summe zu zahlen. Ferner regelten die B und der M Folgendes: Wenn dem M als Bürgen Vermögenswerte unentgeltlich von mehr als einer bestimmten Summe zufließen sollten, musste M 50 Prozent des erhaltenen Betrags bis zum Ende des Jahres zahlen. Anderenfalls sollten in diesem Fall die bis dahin verbliebenen Restforderungen wieder aufleben. Nach Scheidung der Ehe erhielt der M von seiner Ehefrau (F) einen hohen Betrag als ZGA.
- Da im ZGA die in der Ehe wechselseitig erbrachten, vom Gesetz als wirtschaftlich gleichwertig qualifizierten Leistungen verrechnet und bilanziert werden, ist die vom ausgleichspflichtigen Ehegatten zu erbringende Leistung nicht unentgeltlich. Die von M vertraglich eingegangene Pflicht, von ihm „unentgeltlich“ zufließenden Vermögenszuwächsen jeweils die Hälfte auf eine noch offene Bürgschaftspflicht zu zahlen, erfasst daher den im ZGA von der F erlangten Betrag nicht. Dieser verbleibt dem M in voller Höhe. Dementsprechend hat der BGH die Klage abgewiesen.
2. Sittenwidrigkeit einer Übertragungspflicht
BGH (FamRZ 15, 921): Die Ehefrau (F) erwarb zwei Grundstücke und bebaute diese. Die Ehegatten finanzierten dies durch Darlehen, für die sie gesamtschuldnerisch hafteten. Um den Vorgang steuerlich günstig zu gestalten, hatte sich F verpflichtet, über die Grundstücke nur zu verfügen, wenn der Ehemann (M) vorher zugestimmt hatte. Sollte sie gegen die Abrede verstoßen, musste sie das Eigentum auf M übertragen. Dasselbe sollte u. a. auch gelten, wenn ein Ehegatte die Scheidung beantragte.
Der Vertrag ist nicht sittenwidrig. Es ist nicht festzustellen, dass die F krass übervorteilt worden ist, insbesondere wenn man die steuerliche Gestaltung nach dem sog. Wiesbadener Modell berücksichtigt. Denn die F muss das Eigentum Zug um Zug nur übertragen, wenn sie von den restlichen Darlehensverbindlichkeiten im Außenverhältnis befreit wird (§ 415 Abs. 1 BGB) oder wenn eine (werthaltige) Sicherheit gestellt wird, § 273 Abs. 3 BGB.
Weiterführende Hinweise
- FK 16, 88: Rechtsprechungsübersicht zu Neuem zum Anfangsvermögen aus 2014 und 2015
- FK 16, 89: Rechtsprechungsübersicht zu Aktuellem zum Endvermögen aus 2014 und 2015