· Fachbeitrag · Abänderungsverfahren
Präklusion bei Abänderung eines Vergleichs zugunsten des Unterhaltsberechtigten
von VRiOLG Dr. Jürgen Soyka, Düsseldorf
Wird bei einem durch Vergleich titulierten Unterhalt der Abänderungsantrag des Unterhaltsverpflichteten durch gerichtliche Entscheidung in vollem Umfang zurückgewiesen, hindert die Rechtskraft dieser Entscheidung ein späteres Erhöhungsverlangen des Unterhaltsberechtigten nicht (BGH 29.5.13, XII ZB 374/11, FamRZ 13, 1215, Abruf-Nr. 132057). |
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten um die Abänderung eines gerichtlichen Unterhaltsvergleichs. Darin verpflichtete der Ehemann sich, an die Ehefrau monatlichen Elementar- und Krankenvorsorgeunterhalt zu zahlen. Ferner wurde vereinbart, dass der Elementarunterhalt neu berechnet werden sollte, wenn die Ehefrau keine Leistungen des Arbeitsamts mehr beziehe oder eigene Einkünfte erziele. Im Jahr 08 erhob der Ehemann erfolglos eine Abänderungsklage, mit der er den Wegfall seiner Unterhaltspflicht erstrebte. Das AG berechnete den Unterhalt neu und schloss mit einem über den bisherigen Unterhalt hinausgehenden Betrag. Das Gericht lehnte eine Erwerbsobliegenheit der Ehefrau wegen Erwerbsunfähigkeit ab. Da ehebedingte Nachteile vorlägen, lehnte das Gericht es ab, den Unterhalt herabzusetzen oder zu befristen. Daraufhin hat die Ehefrau mit einem im August 09 eingegangenen Schriftsatz PKH für eine Abänderung des Unterhaltsvergleichs zu ihren Gunsten beantragt. Das AG hat PKH bewilligt und die Klageschrift zugestellt. Der Ehemann ist der Ansicht, dass die Ehefrau mit ihrem jetzigen Abänderungsbegehren präkludiert sei. Das Familiengericht hat dem Abänderungsantrag der Ehefrau mit Beschluss stattgegeben und den Ehemann zu laufenden Unterhalt verpflichtet. Das OLG hat die als Berufung behandelte Beschwerde zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Revision, die der BGH als Rechtsbeschwerde behandelt hat, hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Es ist das neue Recht anzuwenden. Denn es genügt nicht, einen VKH-Antrag zu stellen, um ein Verfahren i.S. des Art. 111 FGG-RG einzuleiten. Da das OLG in falscher Form entschieden hat, ist nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz das dagegen zulässige Rechtsmittel als zulässig anzusehen und dieses als Rechtsbeschwerde auszulegen.
Antrag ist zulässig
Der Abänderungsantrag ist zulässig. Die Präklusionsvorschrift des § 238 Abs. 2 FamFG ist auf Prozessvergleiche nicht anzuwenden. Sie ist anwendbar, wenn ein Prozessvergleich im früheren Abänderungsverfahren durch Urteil abgeändert worden ist. Hier ist zwar der Prozessvergleich Gegenstand eines Abänderungsverfahrens gewesen. Er ist aber durch das darauf ergangene Urteil nicht abgeändert worden. Auch bei klageabweisenden Urteilen greift die Präklusionswirkung. Voraussetzung dafür ist, dass diese im Rahmen der Überprüfung der ursprünglichen Prognose die künftige Entwicklung der Verhältnisse vorausschauend berücksichtigen. Eine spätere Abänderungsklage stellt abermals die Geltendmachung einer von der (letzten) Prognose abweichenden Entwicklung der Verhältnisse dar. Dafür sieht das Gesetz die Abänderungsklage vor, um die (erneute) Anpassung an die veränderten Urteilsgrundlagen zu ermöglichen (BGH FamRZ 12, 288; 07, 983, 984). Daher muss ein Unterhaltspflichtiger in einem zweiten Abänderungsverfahren Gründe vorbringen, die auf einer Veränderung der Verhältnisse beruhen. Dies folgt aus der Rechtskraft der eine Herabsetzung oder den Wegfall der Unterhaltspflicht ablehnenden gerichtlichen Entscheidung.
Rechtskraft der Entscheidung hindert späteres Erhöhungsverlangen nicht
Die Ehefrau ist mit ihrem Abänderungsantrag nicht deswegen ausgeschlossen, weil es ihr oblegen hätte, ihr eigenes Abänderungsverlangen rechtswahrend bereits im vorausgegangenen Verfahren im Wege der Abänderungswiderklage geltend zu machen. Dies gilt nur, wenn es im vorausgegangenen Abänderungsverfahren um die Abänderung eines Urteils und nicht eines Vergleichs als Ausgangstitel geht. Eine Präklusion ist abzulehnen, da weitergehende Unterhaltsansprüche von der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung nicht erfasst werden. Diese können in einem weiteren Abänderungsverfahren geltend gemacht werden. Dadurch wird sichergestellt, dass es der Unterhaltspflichtige nicht in der Hand hat, dem aus einem Prozessvergleich Unterhaltsberechtigten die Berufung auf Veränderungen abzuschneiden, indem er seinerseits eine unbegründete Abänderungsklage anstrengt.
Praxishinweis
Die Auffassung des BGH ist in mehrfacher Hinsicht bedenklich und widerspricht teilweise seiner eigenen Rechtsprechung:
Hier wäre § 238 FamFG anwendbar gewesen
Es ist unerheblich, dass der Ausgangstitel ein Prozessvergleich war. Denn maßgebend ist die Abänderungsentscheidung. Dabei handelt es sich um eine gerichtliche Entscheidung. Wird ein auf Abänderung eines Vergleichs oder einer notariellen Urkunde gerichteter Antrag abgewiesen, stellt sich die Frage, ob Rechtsgrundlage für ein späteres Abänderungsverfahren § 238 FamFG oder § 239 FamFG ist. Hat sich der den Antrag abweisende Beschluss mit den Grundlagen der Unterhaltsberechnung auseinandergesetzt, enthält er eine Zukunftsprognose hinsichtlich der weitergeltenden Umstände, die keine Änderung der Unterhaltsschuld rechtfertigen. Ein späteres Abänderungsverfahren muss sich daher gegen diesen Beschluss richten, sodass § 238 Abs. 1 bis 4 FamFG greift (BGH FamRZ 08, 872; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Aufl.,§ 323 Rn. 44; Soyka, Das Abänderungsverfahren im Unterhaltsrecht, Rn. 142). Es kommt daher für die Frage der Präklusion nicht darauf an, ob der erste Titel ein Prozessvergleich oder eine gerichtliche Entscheidung war. Vielmehr geht es um die Abänderung der späteren gerichtlichen Entscheidung.
Maßgeblich: Verhandlungsschluss des ersten Abänderungsverfahrens
Der Ausgangspunkt, dass eine Präklusion nicht in Betracht kommt, ist aber richtig. Nach § 238 Abs. 2 FamFG, der - wie der BGH zutreffend ausführt - für beide Beteiligte gilt, dürfen Abänderungsgründe nicht berücksichtigt werden, die schon im Ausgangsverfahren geltend gemacht werden konnten. Maßgebender Zeitpunkt ist der Schluss der mündlichen Verhandlung in der letzten Tatsacheninstanz. Dabei kommt es grundsätzlich nicht auf die Beteiligtenstellung oder die Zielrichtung des Vorverfahrens an. Vielmehr sind beide Beteiligte dazu angehalten, ihren Standpunkt bereits im Ausgangsverfahren geltend zu machen. Ein Antragsgegner, der eine Änderung des erstinstanzlich zuerkannten Unterhalts erstrebt, muss daher diese im Wege der Abänderungswiderklage geltend machen, da es auf den Schluss der letzten Tatsachenverhandlung im ersten Abänderungsverfahren ankommt. Auch der Abänderungsgegner muss seine Abänderungsgründe in diesem Verfahren klären lassen.
Keine Präklusion, wenn Abweisungsantrag erfolgreich ist
Präklusion tritt aber gleichwohl nicht ein, wenn der Antragsgegner im ersten Abänderungsverfahren mit seinem Abweisungsantrag voll durchgedrungen ist. Dadurch, dass die Alttatsache berücksichtigt wird, muss keine Rechtskraftwirkung beseitigt werden. Dies hat zur Folge, dass die Präklusionswirkung des § 238 Abs. 2 FamFG nicht eingreifen kann (BGH FamRZ 98, 99, Soyka, Das Abänderungsverfahren im Unterhaltsrecht, Rn. 309). Insoweit ist dem BGH zuzustimmen, dass keine Präklusion eintreten konnte. Denn die Ehefrau ist mit ihrem Abweisungsantrag voll durchgedrungen.
Präklusion aber bei teilweiser Stattgabe des Abänderungsbegehrens
Anders wäre es, wenn das Abänderungsbegehren teilweise erfolgreich ist. In diesem Fall greift die Präklusion ein. Denn die im Abänderungsverfahren geltend gemachte Tatsache war im ersten Abänderungsverfahren bedeutsam, um zu erreichen, dass der Antrag abgewiesen wird.
Allerdings liegen die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Abänderungsverfahrens nicht vor. Denn die Verhältnisse haben sich seit der letzten Abänderungsentscheidung nicht geändert. Genau daran hat der BGH in einem ähnlichen Fall die Zulässigkeit des Abänderungsverfahrens scheitern lassen (BGH FamRZ 98, 99). Da hier keine weiteren Veränderungen seit der letzten Abänderungsentscheidung eingetreten sind, hätte der Abänderungsantrag der Ehefrau als unzulässig abgewiesen werden müssen. Dennoch kann die Ehefrau den höheren Unterhalt noch in einem späteren Abänderungsverfahren geltend machen, da keine Präklusion eingetreten ist. Voraussetzung ist aber, dass sich die im Vorprozess zugrunde gelegten Umstände verändert haben. In diesem Abänderungsverfahren ist die Ehefrau nicht gehindert, den weitergehenden Unterhalt geltend zu machen.
Weiterführender Hinweis
- BGH FamRZ 95, 221, zur Unterhaltsabänderung: Darlegungspflicht für die Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse (Änderung der Düsseldorfer Tabelle); Präklusion bei Anwendung anpassungswürdiger Richtsätze