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  • · Fachbeitrag · Geschäftsverteilung

    Mietvertrag über Wohnraum mit Schwiegereltern ist eine sonstige Familiensache

    von VRiOLG a.D. Dr. Jürgen Soyka, Meerbusch

    | Der BGH hatte die Frage zu klären, ob die Klage über Mietrückstände und Betriebskostenabrechnungen der Schwiegereltern gegen das Schwiegerkind der Zuständigkeit der allgemeinen Zivil- oder der Familiengerichte unterfällt. |

    Sachverhalt

    Die Parteien streiten um rückständige Mieten und in diesem Zusammenhang um die Frage, ob die allgemeinen Zivil- oder die Familiengerichte zuständig sind. Die klagenden Schwiegereltern (SE) vermieteten ihrem Schwiegersohn (SS), dem Beklagten, und ihrer Tochter (T) die streitgegenständliche Wohnung. Die SE verlangen vom SS Miete für einen bestimmten Zeitraum und eine Betriebskostennachforderung für einen bestimmten Abrechnungszeitraum. Der SS und die T hatten sich vorher getrennt, der SS war aus der Ehewohnung ausgezogen. Nach dem Vorbringen des SS ist der Mietvertrag anlässlich der Trennung der Ehegatten aufgehoben worden. Ferner seien die Mietzahlungen der T und die Mietrückstände in Form eines von den SE an sie gewährten Darlehens im Verfahren über den Trennungsunterhalt bedarfserhöhend berücksichtigt worden. Auf die Rügen des SS hat das AG den Zivilrechtsweg für zulässig erklärt. Das LG hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde ist erfolgreich.

     

    • a) Bei der Prüfung, ob eine sonstige Familiensache i. S. d. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG vorliegt, ist das Tatbestandsmerkmal „im Zusammenhang mit Trennung oder Scheidung“ weit auszulegen.
    • b) Streitigkeiten aus Mietverträgen über Wohnraum zwischen Schwiegereltern und ihrem Schwiegerkind anlässlich der Trennung ihres Kindes von dem Schwiegerkind können als sonstige Familiensachen i. S. d. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG zu qualifizieren sein.
     

    Entscheidungsgründe

    Die Streitigkeit ist als sonstige Familiensache i. S. d. § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG zu qualifizieren. Grund: Der Gesetzgeber wünscht eine möglichst umfassende Zuständigkeit der Familiengerichte, sodass der Begriff des Zusammenhangs mit der Beendigung der ehelichen Gemeinschaft großzügig zu beurteilen ist. Es ist der Fall, wenn der Rechtsstreit durch die bezeichneten familienrechtlichen Verhältnisse wesentlich mitgeprägt ist.

     

    Inhaltlicher Zusammenhang zur Ehe erforderlich

    Ein inhaltlicher Zusammenhang ist vor allem bei naheliegenden und häufig vorkommenden Folgen oder Begleiterscheinungen der Beendigung einer Ehe gegeben. Es reicht aus, dass Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe jedenfalls in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht für die geltend gemachte Rechtsfolge ursächlich sein können. Unerheblich ist, ob die Ansprüche ihren Grund unmittelbar in der Ehe haben oder aus dem Rechtsverhältnis herrühren. Aus diesem Grund werden auch Mietstreitigkeiten durch den familienrechtlichen Einschlag geprägt, in denen sich Schwiegereltern für ihr Schwiegerkind im Rahmen eines zwischen ihnen geschlossenen Mietverhältnisses streiten, wenn es um Ansprüche im Zusammenhang mit Trennung, Scheidung oder Aufhebung der Ehe geht.

     

    Unbedeutend ist auch § 23 Nr. 2a GVG für Wohnraummietsachen, wonach eine ausschließliche Zuständigkeit der allgemeinen Zivilabteilung des AG begründet wird. Letztlich besteht ein Konkurrenzverhältnis.

     

    Soweit es sich um Streitigkeiten über

    • die Verhältnisse der Ehewohnung und
    • die Frage handelt, wer die Wohnkosten tragen muss,
    • ob und wie diese unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen sind,

     

    handelt es sich um naheliegende und häufig vorkommende Folgen und Begleiterscheinungen bei einer Trennung der Ehegatten, sodass dann eine Familienstreitsache gegeben ist.

     

    Maßgeblich ist neben dem Vortrag des Klägers auch der des Beklagten

    Ob es sich um eine bürgerlich-rechtliche Streitigkeit oder eine Familiensache i. S. d. § 17a Abs. 6 GVG handelt, hängt nicht nur vom Vortrag der Klägerseite ab, sondern auch vom Verteidigungsvorbringen der Gegenseite. Gemessen hieran ist die Zuständigkeit der Familiengerichte gegeben. Es ist nicht vom Zufall abhängig gewesen, dass die SE mit dem SS einen Mietvertrag geschlossen haben. Maßgeblich war vielmehr die Ehe zwischen dem SS und der T. Dies leitet sich auch daraus ab, dass sie es dem SS nach der Trennung untersagt haben, die Wohnung weiter zu nutzen. Das Wohnungsschloss wurde ausgetauscht. Zudem war zwischen dem SB und der T ein Verfahren auf Trennungsunterhalt anhängig. Die fortbestehende Mietzahlungspflicht hat bei der Regelung des Trennungsunterhalts eine Rolle gespielt.

     

    Schließlich haben die SE den Einwand des SS nicht widerlegt, wonach die Geltendmachung der Mietforderungen eine Retourkutsche auf die zerrissene Familiensituation sei.

    Relevanz für die Praxis

    Hier ist unklar, wie das Verfahren zum BGH gelangt ist. § 17 GVG gilt nur für Rechtswegzuständigkeit, nicht aber für die örtliche oder sachliche Zuständigkeit. Das AG ist gem. § 23a GVG für Familiensachen sachlich zuständig, die Zuständigkeit zwischen Familiengericht und Allgemeiner Zivilabteilung ist gem. § 23b GVG ein Problem der Geschäftsverteilung, nicht der sachlichen Zuständigkeit.

     

    Das Familiengericht besteht als Abteilung des AG kraft Gesetzes

    Das Familiengericht ist kein besonderes Gericht, weder organisatorisch noch im funktionellen Sinn. Vielmehr beinhaltet § 23 Abs. 1 GVG nur eine Sonderregelung für die Geschäftsverteilung i. S. d. § 21e Abs. 1 Nr. 1 GVG (BGH NJW 78, 1531; 80, 1282). Es ist den sonstigen, nur durch den Geschäftsverteilungsplan gebildeten Abteilungen des AG gleichrangig, unterscheidet sich von ihnen jedoch dadurch, dass seine Rechtsprechungsaufgaben kraft Gesetzes feststehen und nicht durch Präsidiumsbeschluss übertragen werden.

     

    Das Präsidium ist also nur für die personelle Besetzung zuständig, für die Aufgabenabgrenzung nur, soweit es die Verteilung der das Familiengericht betreffenden Aufgaben unter mehreren Familiengerichten des Gerichts betrifft. Bei Zuständigkeitsstreitigkeiten kann das Präsidium nur entscheiden, wenn es darum geht, wer unter den Familienrichtern des Gerichts nach der Geschäftsverteilung zuständig ist. Dagegen scheidet die Klärung durch Präsidiumsentscheidung aus, soweit das „ob“ eine Familiensache streitig ist ‒ wie im vorliegenden Fall. Insofern geht es um die gesetzlich geregelte Geschäftsverteilung, die der Disposition des Präsidiums nicht untersteht. Dieser Zuständigkeitsstreit ist analog § 5 Abs. 1 Nr. 5 FamFG, § 36 Abs. 1 Nr. 6, § 37 ZPO zu klären (BGH NJW 79, 1048; OLG Rostock FamRZ 04, 956).

     

    § 281 ZPO ist nicht anwendbar

    § 281 ZPO ist hingegen beim Zuständigkeitsstreit innerhalb eines Gerichtes nicht anzuwenden (BGH NJW 80, 1282). Hieraus folgt: Hält das Familiengericht sich für unzuständig, eine andere Abteilung desselben AG aber für zuständig ‒ oder umgekehrt ‒, gibt es die Sache formlos an die andere Abteilung bzw. das Familiengericht ab. Wird die Sache nicht übernommen, weil die andere Abteilung entweder das Familiengericht bzw. die allgemeine Abteilung für zuständig hält, ist die Sache dem gemeinsamen OLG zur Entscheidung vorzulegen (BGH NJW 79, 1048). Dessen Entscheidung ist anfechtbar.

     

    Hält sich das Familiengericht für unzuständig und ist auch keine andere Abteilung desselben AG zuständig, sondern ein anderes Gericht, muss der Kläger die Verweisung beantragen, § 281 Abs. 1 S. 1 ZPO. Wird ein Verfahren z. B. ausdrücklich vom LG an das Familiengericht verwiesen, erfasst die Bindungswirkung des § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO die Zuweisung an das Familiengericht nicht (BGH NJW 79, 2517). Grund: Die Bindung gilt nur für Gerichte, nicht aber für die Zuständigkeitsverteilung nach der Geschäftsverteilung. Hält sich das Familiengericht nicht für zuständig, gibt es an die Zivilabteilung ab. Hält auch diese sich nicht für zuständig, weil es eine Familiensache annimmt, ist die Sache dem OLG vorzulegen. Das OLG kann die Sache trotz § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO an das LG zurückgeben, wenn nicht eine Familiensache gegeben und sachlich das LG zuständig ist. Denn die Zuständigkeitsbestimmung nach § 5 FamFG, §§ 36, 37 ZPO ist ein Rechtsbefehl besonderer Art, um Zuständigkeitskonflikte rasch und sachgerecht zu lösen. Dem steht nicht entgegen, dass im allgemeinen die Bindungswirkung des § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO auch im weiteren Verfahren gilt (BGH NJW 80, 1282).

     

    Weiterführender Hinweis

    Quelle: Ausgabe 04 / 2018 | Seite 58 | ID 45005592