· Fachbeitrag · Kostenerstattung
Berufungserwiderung nach Berufungsrücknahme
von VRiOLG a.D. Dr. Jürgen Soyka, Meerbusch
| Der Beklagtenvertreter erhält laut BGH die volle Verfahrensgebühr, auch wenn er die Berufung erwidert, nachdem sie zurückgenommen wurde. |
Sachverhalt
Die Berufungsbegründung des Klägers (Kl) wurde der Beklagtenvertreterin (BV) mit Beschluss am 9.8.16 zugestellt, wonach das OLG die Berufung zurückweisen wollte. Mit am 16.8.16 beim OLG eingegangenem Schriftsatz nahm der Kl die Berufung zurück. Ihm wurden die Kosten dafür auferlegt. Dieser Beschluss wurde der BV am 22.8.16 mit dem Rücknahmeschriftsatz zugestellt. Mit ebenfalls am 22.8.16 beim OLG eingegangenem Schriftsatz vom 19.8.16 beantragte die BV, die Berufung zurückzuweisen. Sie hat erfolgreich die Kostenfestsetzung beantragt. Die Rechtsbeschwerde des Kl dagegen blieb erfolglos (BGH 7.2.18, XII ZB 112/17, Abruf-Nr. 199975).
Entscheidungsgründe und Relevanz für die Praxis
Es ist eine 1,6-Verfahrensgebühr (Nr. 3200 VV RVG) angefallen, die nicht auf 1,1 ermäßigt wurde, Nr. 3201 Abs. 1 Nr. 1 VV RVG. Dafür hätte der Auftrag der BV enden müssen, bevor sie ihren Sachantrag eingereicht hatte. Der Auftrag konnte nicht enden, bevor sie Kenntnis von der Berufungsrücknahme hatte. Dies war am 22.8.16 der Fall. Am selben Tag ist ihr Schriftsatz bei Gericht eingegangen. Dies könnte zwar nach der Zustellung erfolgt sein. Es reicht aber, wenn der Schriftsatz so auf den Weg gebracht wird, dass sein Zugang ausschließlich von der Tätigkeit Dritter, etwa eines Postbeförderungsunternehmens abhängt. Hier muss der Schriftsatz vor dem 22.8.16 zur Post gebracht worden sein.
Gem. der BGH-Rechtsprechung zu § 80 S. 1 FamFG sind auch solche Kosten erstattungsfähig, die der Gegner in nicht vorwerfbarer Unkenntnis von der Rücknahme des Antrags oder Rechtsmittels verursacht hat. Danach sind Kosten erstattungsfähig (§ 91 Abs. 1 S. 1 ZPO), wenn ein verständiger und wirtschaftlicher vernünftiger Beteiligter die kostenauslösende Maßnahme im Zeitpunkt ihrer Vornahme als sachdienlich ansehen durfte. Es gilt ein verobjektivierter Wissensstand aufgrund einer Ex-ante-Sicht der jeweiligen Prozesspartei.
Ein Rechtsmittelführer, der nach Rücknahme des Rechtsmittels nicht mit Kosten des gegnerischen Anwalts für eine Erwiderung belastet werden will, sollte diesem zuvor die Rücknahme des Rechtsmittels anzeigen.