30.10.2007 · IWW-Abrufnummer 073316
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 11.09.2007 – XII ZB 107/04
Zum Ausschluss des Versorgungsausgleichs gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB bei einer sogenannten phasenverschobenen Ehe und Erwerb von Versorgungsanrechten während einer längeren Trennungszeit.
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 107/04
vom
11. September 2007
in der Familiensache
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. September 2007 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz und Dose
beschlossen:
Tenor:
die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des 2. Zivilsenats - Familiensenat - des Oberlandesgerichts München vom 22. März 2004 aufgehoben.
Die Beschwerde gegen Ziffer 2 des Entscheidungssatzes des Urteils des Amtsgerichts - Familiengericht - Fürstenfeldbruck vom 28. Mai 2003 wird auf Kosten des Antragstellers zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Antragsteller.
Beschwerdewert: 1.000 ¤
Gründe:
I.
Die Parteien streiten um die Durchführung des Versorgungsausgleichs.
Die am 11. September 1981 geschlossene Ehe der Parteien wurde auf den am 28. September 2002 zugestellten Antrag durch Urteil vom 28. Mai 2003 geschieden.
In der Ehezeit (1. September 1981 bis 31. August 2002, § 1587 Abs. 2 BGB) haben die Ehegatten Rentenanwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben, und zwar die Antragsgegnerin (Ehefrau, geb. am 3. März 1943) in Höhe von 908,02 ¤ und der Antragsteller (Ehemann, geb. am 17. Mai 1933) in Höhe von 688,34 ¤, jeweils monatlich und bezogen auf den 31. August 2002. Außerdem haben beide Ehegatten in der Ehezeit Anrechte auf eine betriebliche Altersversorgung bei der Versorgungskasse der Angestellten der Münchener Rückversicherungsgesellschaft erworben, und zwar die Ehefrau in Höhe von 434,28 ¤ (Betriebszugehörigkeit vom 1. Mai 1981 bis 30. April 2003) und der Ehemann in Höhe von 318,31 ¤ (Betriebszugehörigkeit vom 1. April 1972 bis 31. Dezember 1993), jeweils monatlich und bezogen auf den 31. August 2002. Die Ehefrau war während der gesamten Ehezeit erwerbstätig; der - zehn Jahre ältere - Ehemann bezieht seit dem 1. Juni 1996 aus der gesetzlichen Rentenversicherung eine Vollrente wegen Alters. Die Parteien leben seit dem 15. Januar 1995 getrennt.
Das Amtsgericht hat den Versorgungsausgleich nach § 1587 c BGB ausgeschlossen. Das Oberlandesgericht hat auf die Beschwerde des Ehemannes den Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass es vom Versicherungskonto der Ehefrau auf das Versicherungskonto des Ehemannes im Wege des Splittings Rentenanwartschaften in Höhe von (908,02 ¤ - 688,34 ¤ = 219,68 ¤ : 2 =) 109,84 ¤ sowie zum Ausgleich der Betriebsrenten im Wege des erweiterten Splittings weitere Rentenanwartschaften in Höhe von 46,90 ¤ übertragen hat. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Ehefrau, mit der sie hinsichtlich des Versorgungsausgleichs die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils begehrt.
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
1. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts liegen keine Gründe vor, die es rechtfertigen könnten, den Versorgungsausgleich nach § 1587 c BGB als grob unbillig auszuschließen.
Der Versorgungsausgleich bewirke, dass die in der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte im Falle des Scheiterns der Ehe gemäß dem ursprünglich gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alterssicherung aufgeteilt würden. Diese Versorgungsgemeinschaft der Parteien sei von Beginn der Ehe an dadurch gekennzeichnet gewesen, dass der Ehemann, der zehn Jahre älter als die Ehefrau sei, vor der Ehefrau in Rente gehen und deshalb wesentlich früher als diese keine Beiträge zur Versorgungsgemeinschaft mehr werde leisten können. Dafür habe aber der Ehemann während der Zeit seiner Erwerbstätigkeit aufgrund seines höheren Einkommens höhere Anwartschaften als die Ehefrau erworben.
Auch die relativ lange Trennungszeit von 7 1/2 Jahren (vom 15. Januar 1995 bis zum Ende der Ehezeit) lasse den Versorgungsausgleich nicht als grob unbillig erscheinen, da ihr ca. 14 Jahre des ehelichen Zusammenlebens (Eheschließung September 1981 bis Trennung Januar 1995) gegenüberstünden.
Schließlich könne auch die beiderseitige Versorgungssituation eine grobe Unbilligkeit nicht begründen. Der Ehemann verfüge über Renteneinkünfte in Höhe von 2.223,93 ¤, die sich bei Durchführung des Versorgungsausgleichs um 167,83 ¤ auf 2.391,76 ¤ erhöhen würden. Die Ehefrau werde bei ihrem Renteneintritt im September 2006 und bei Durchführung des Versorgungsausgleichs eine Altersrente von ca 1.900 ¤ zur Verfügung haben. Ein erhebliches wirtschaftliches Ungleichgewicht zu Lasten der Ehefrau sei danach nicht festzustellen.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Eine unbillige Härte im Sinne des § 1587 c BGB liegt nur vor, wenn eine rein schematische Durchführung des Versorgungsausgleichs unter den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs in unerträglicher Weise widersprechen würde (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 25. Mai 2005 - XII ZB 135/02 - FamRZ 2005, 1238, 1239). Ob und inwieweit die Durchführung des Versorgungsausgleichs danach grob unbillig erscheint, unterliegt tatrichterlicher Beurteilung, die vom Rechtsbeschwerdegericht nur daraufhin zu überprüfen ist, ob alle wesentlichen Umstände berücksichtigt wurden und das Ermessen in einer dem Gesetz entsprechenden Weise ausgeübt worden ist (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 25. Mai 2005 - XII ZB 135/02 - FamRZ 2005, 1238). Daran fehlt es im vorliegenden Fall.
Wie der Senat bereits mehrfach ausgeführt hat, soll der Versorgungsausgleich dem Gedanken Rechnung tragen, dass jede Ehe infolge der auf Lebenszeit angelegten Lebensgemeinschaft schon während der Erwerbstätigkeit des oder der Ehegatten im Keim (auch) eine Versorgungsgemeinschaft ist (etwa Senatsbeschlüsse vom 29. März 2006 - XII ZB 2/02 - FamRZ 2006, 769, 770 und vom 19. Mai 2004 - XII ZB 14/03 - FamRZ 2004, 1181, 1182). Aus diesem Grunde werden die während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanwartschaften gemäß dem ursprünglich gemeinsamen Zweck der beiderseitigen Alterssicherung aufgeteilt. Daher fehlt für den Versorgungsausgleich die eigentlich rechtfertigende Grundlage, solange die eheliche Lebensgemeinschaft durch die Trennung der Eheleute aufgehoben ist. Zwar ist der Versorgungsausgleich nach der gesetzlichen Regelung nicht auf die Zeit der ehelichen Lebensgemeinschaft beschränkt, sondern grundsätzlich für die gesamte Ehezeit vorgeschrieben. Dies beruht jedoch in erster Linie auf Zweckmäßigkeitserwägungen; insbesondere sollte dem Ausgleichspflichtigen die Möglichkeit genommen werden, den Ausgleichsanspruch durch Trennung vom Ehegatten zu manipulieren. Nach dem Grundgedanken des Versorgungsausgleichs als beiderseitiger Alterssicherung kann daher eine lange Trennungszeit schon für sich genommen einen zumindest teilweisen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nach § 1587 c Nr. 1 BGB rechtfertigen (Senatsbeschluss vom 19. Mai 2004 - XII ZB 14/03 - FamRZ 2004, 1181, 1183; vgl. auch Senatsbeschluss vom 29. März 2006 - XII ZB 2/02 - FamRZ 2006, 769, 770). Für die Dauer der Trennung lässt sich dabei kein allgemeiner Maßstab anlegen. Sie wird aber um so eher zur Anwendung der Härteklausel führen, je länger sie im Verhältnis zum tatsächlichen Zusammenleben gewährt hat (Johannsen/Henrich/Hahne Eherecht 4. Aufl. § 1587 c Rdn. 24).
Ob - wie im vorliegenden Fall - eine Trennungszeit von 7 1/2 Jahren bei einer Zeit des Zusammenlebens als Eheleute von etwas mehr als dreizehn Jahren (1. September 1981 bis 15. Januar 1995) für sich allein den Ausschluss des Versorgungsausgleichs rechtfertigen würde, braucht hier nicht entschieden zu werden. Als weiterer Umstand ist vorliegend nämlich zu berücksichtigen, dass es sich aufgrund des Altersunterschieds der Parteien um eine sog. "phasenverschobene Ehe" handelt. Der Ehemann bezieht seit dem 1. Juni 1996 - mithin seit mehr als sechs Jahren vor dem Ende der Ehezeit (31. August 2002) - Altersrente der gesetzlichen Rentenversicherung; seine für die betriebliche Altersversorgung maßgebliche Betriebszugehörigkeit endete bereits am 31. Dezember 1993, also sogar noch deutlich vor der Trennung der Parteien (am 15. Januar 1995).
Wie der Senat - nach Erlass des angefochtenen Beschlusses - entschieden hat, kann der Ausgleich von Versorgungsanrechten, die ein Ehegatte nach der Trennung bis zum Ende der Ehe erworben hat, im Zusammenhang mit einer langen Trennungszeit zu einer groben Unbilligkeit im Sinne von § 1587 c Nr. 1 BGB führen, wenn der ausgleichspflichtige Überschuss an Versorgungsanrechten, die dieser Ehegatte erzielt hat, nicht auf seiner höheren wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit während der Ehezeit beruht, sondern auf dem Umstand, dass der andere Ehegatte nach der Trennung aufgrund seines Alters - und damit nicht ehebedingt - keine Versorgungsanwartschaften mehr erworben hat (Senatsbeschluss vom 19. Mai 2004 - XII ZB 14/03 - FamRZ 2004, 1181, 1183). So liegen die Dinge auch hier: Zwar hat der Ehemann nach der Trennung der Parteien noch für die Dauer von rund 1 1/2 Jahren Versorgungsanrechte der gesetzlichen Rentenversicherung erworben. Bis zur Trennung hatte die Ehefrau jedoch aufgrund ihres geringeren Einkommens niedrigere Versorgungsanwartschaften begründet.
Die ehezeitbezogene Versorgungsdifferenz zugunsten des Ehemannes ergibt sich - wie vom Amtsgericht festgestellt und vom Oberlandesgericht in Bezug genommen - nur aus dem Umstand, dass die Ehefrau Versorgungsanwartschaften der gesetzlichen Rentenversicherung wie auch der betrieblichen Altersversorgung noch zu einem Zeitpunkt erworben hat, in dem die Parteien bereits getrennt gelebt haben, die Versorgungsgemeinschaft der Parteien also nicht mehr bestanden hat. Dies rechtfertigt es, den Versorgungsausgleich gemäß § 1587 c Nr. 1 BGB als grob unbillig auszuschließen. Dies gilt umso mehr, als die beiderseitige Versorgungslage der Ehegatten ein Übergewicht zugunsten des Ehemannes ergibt, das nicht noch durch eine Teilhabe des Ehemannes an dem erst nach der Trennung der Parteien erzielten Versorgungsmehrerwerb der Ehefrau verstärkt werden sollte.
3. Nach allem kann die angefochtene Entscheidung keinen Bestand haben. Der Senat vermag in der Sache abschließend zu entscheiden: Der Versorgungsausgleich zugunsten des Ehemannes ist auszuschließen, die Beschwerde des Ehemannes gegen die - den Versorgungsausgleich ausschließende - Entscheidung des Amtsgerichts zurückzuweisen.