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  • 20.07.2011 · IWW-Abrufnummer 112464

    Oberlandesgericht Düsseldorf: Urteil vom 14.03.2011 – II-8 UF 189/10

    Im Rahmen einer Sorgerechtsregelung kann ein Betreuungs – Wechselmodell kann nicht gegen den Willen eines Elternteils gerichtlich angeordnet werden. Wenn die Eltern über die Frage, wo ihr Kind seinen Lebensmittelpunkt haben soll, kein Einvernehmen erzielen können, muss das Aufenthaltsbestimmungsrecht einem Elternteil übertragen werden, auch wenn die gemeinsame Betreuung des Kindes im Rahmen eines Wechselmodells dem Kindeswohl am besten entsprechen würde.


    Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen.
    Auf die Anschlussbeschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Amtsgerichts Mülheim an der Ruhr vom 8.9.2010 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
    Das Aufenthaltsbestimmungsrecht für M. N. wird auf den Antrag-steller übertragen.
    Die weitergehende Anschlussbeschwerde wird zurückgewiesen.
    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden und die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens bleiben gegeneinander aufgehoben.
    Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 € festgesetzt.

    I.

    Die Antragsgegnerin und der Antragsteller sind miteinander verheiratet und leben seit dem Jahreswechsel 2008/2009 voneinander getrennt. Aus der Ehe ist das beteiligte Kind hervorgegangen.

    Nach der Trennung der Kindeseltern sind vor dem Amtsgericht Mülheim an der Ruhr bereits mehrere Verfahren über die Regelung der elterlichen Sorge für das beteiligte Kind geführt worden. Zunächst haben sich die Kindeseltern im Verfahren 31 F 9/09 am 11.2.2009 auf die gemeinsame Betreuung des Kindes im Rahmen eines sogenannten Wechselmodells verständigt. Im April 2009 hat der Antragsteller erneut die Übertragung der elterlichen Sorge beantragt, den Antrag jedoch am 13.5.2009 zurückgenommen (Az. 31 F 424/09).

    Aus Unzufriedenheit über die Kooperation zwischen den Eltern hat der Antragsteller dann im September 2009 das vorliegende Verfahren eingeleitet, in dem beide Eltern die Übertragung der elterlichen Alleinsorge beantragen.

    Das Amtsgericht hat Beweis erhoben durch die Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens zu der Frage, welche Sorgerechtsregelung dem Wohl des Kindes am besten dient.

    Die Sachverständige ist zu dem Ergebnis gelangt, dass das Sorgerecht bei beiden Eltern belassen und das Wechselmodell fortgesetzt werden solle. Beide Eltern seien gleichermaßen geeignet, das Kind zu erziehen. Zwar beeinträchtige die hauptsächlich vom Kindesvater ausgehende Neigung beider Eltern, sich gegenseitig zu kontrollieren, die Kooperationsfähigkeit und führe zu einer relativen Gefährdung des Kindeswohls. Bei der Übertragung der elterlichen Sorge oder des Aufenthaltsbestimmungsrechts sei aber zu befürchten, dass die Machtkämpfe zwischen den Eltern weitergehen und die gegenwärtige Belastung des Kindes durch die Kooperationsdefizite sich noch verstärken werde. Beide Elternteile seien ausreichend kooperationsfähig und kooperationsbereit; auch die Bindungstoleranz beider Eltern sei grundsätzlich gut und die Bindung des Kindes zu beiden Eltern gleichwertig.

    Das Amtsgericht ist der Einschätzung der Sachverständigen gefolgt und hat die Anträge beider Eltern zurückgewiesen, weil die Beibehaltung der elterlichen Sorge dem Wohl des Kindes am besten entspreche.

    Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragsgegnerin ihren erstinstanzlichen Antrag weiter. Sie ist der Auffassung, dass es den Eltern nicht möglich sei, zu einer geordneten Kommunikation zurückzufinden und das Sorgerecht gemeinsam auszuüben. Bei einer Beibehaltung des Wechselmodells sei eine Steigerung des Elternkonflikts wahrscheinlich. Das Kind, das in der gegenwärtigen Situationen Strategien entwickelt habe, um keinen Elternteil zu verletzen, werde durch die gegenwärtige Situation belastet. Die Übertragung der Alleinsorge auf einen Elternteil sei deshalb erforderlich.

    Der Antragsteller ist grundsätzlich mit der Fortsetzung des Wechselmodells einverstanden, verfolgt aufgrund der Haltung der Kindesmutter jedoch ebenfalls seinen erstinstanzlich gestellten Antrag im Wege der Anschlussbeschwerde weiter.

    II.

    Die Beschwerde der Antragsgegnerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.

    Die Anschlussbeschwerde des Antragstellers führt zu der aus dem Tenor ersichtlichen Abänderung der angefochtenen Entscheidung.

    1)

    Zwar teilt der Senat die Einschätzung der Sachverständigen und des Amtsgerichts, dass die Beibehaltung des Wechselmodells dem Wohl des beteiligten Kindes am zuträglichsten wäre.

    Die Wechselbetreuung ist gut durchorganisiert. Ihre Umsetzung funktioniert reibungslos und führt zu keinerlei Belastungen für das Kind. Anlässe für Streitigkeiten zwischen den Eltern - beispielsweise die Ferienbetreuung, Äußerungen des Vaters der Antragsgegnerin über den Antragsteller oder der Vorwurf der Antragsgegnerin, dass das Kind durch den Antragsteller beeinflusst werde - haben ihre Ursache nicht in der Wechselbetreuung des Kindes, sondern in nicht aufgearbeiteten Konflikten der Eltern auf der Paarebene.

    Bei einer Übertragung des Sorgerechts oder des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil erwartet der Senat deshalb keine Verringerung des Streitpotentials und keine Entlastung des Kindes.

    2)

    Aus Rechtsgründen ist eine Entscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht jedoch geboten, weil die Eltern sich nicht darauf einigen können, wo das Kind seinen Lebensmittelpunkt haben soll und wie die Betreuung des Kindes gestaltet werden soll.

    a)

    Der Antragsteller ist bereit, die Wechselbetreuung des Kindes fortzusetzen und auf eine Verbesserung der Kooperation und Kommunikation zwischen den Eltern hinzuwirken. Er hat sich der Beschwerde der Antragstellerin mit dem Antrag die elterliche Sorge auf ihn - den Kindesvater - zu übertragen, nur angeschlossen, weil die Antragstellerin nicht bereit ist, an der Fortsetzung des Wechselmodells mitzuwirken. Bei seiner Anhörung im Termin hat er erklärt, dass er auch als Alleininhaber des Aufenthaltsbestimmungsrechts versuchen würde, die Wechselbetreuung des Kindes fortzusetzen.

    Die Antragsgegnerin ist dagegen zur weiteren Mitwirkung an der Wechselbetreuung des Kindes nicht bereit. Sie hat im Termin erklärt, dass das Kind seinen Lebensmittelpunkt bei einem Elternteil haben solle. Für den Fall, dass das Sorge- oder das Aufenthaltsbestimmungsrecht dem Vater übertragen werde, wolle sie nur noch an jedem zweiten Wochenende Umgang mit dem Kind haben und ansonsten ihre beruflichen Pläne (einschließlich Auslandseinsätzen) weiterverfolgen, auch wenn das Kind weitgehende Kontakte zu ihre haben wolle.

    b)

    Bei dieser Sachlage darf das Aufenthaltsbestimmungsrecht nicht beiden Eltern gemeinsam belassen werden, weil der Antragsgegnerin so die Fortsetzung der Wechselbetreuung gegen ihren Willen aufgezwungen würde.

    Nach § 1671 BGB kann die elterliche Sorge oder ein Teilbereich davon auf einen Elternteil übertragen werden, wenn dies dem Kindeswohl entspricht. Für die Anordnung eines Wechselmodells gegen den Willen eines Elternteils enthalten die gesetzlichen Bestimmungen über das Sorgerecht keine Ermächtigungsgrundlage (so auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.3.2007 - 16 UF 13/07FamRZ 2007, 1266 f. Coester Forum Familienrecht 2010, 10 ff.; Völker/Clausius Sorge- und Umgangsrecht 4. Aufl. Rn 246 zu § 1).

    Dem Familiengericht ist dabei nicht nur die explizite Anordnung eines Wechselmodells verwehrt. Auch eine Entscheidung, die sich auf die Zurückweisung von Sorgerechtsanträgen, die zum Zwecke der Beendigung eines praktizierten Wechselmodells von einem oder beiden Elternteilen gestellt werden, beschränkt, ist mit den bestehenden gesetzlichen Bestimmungen nicht vereinbar.

    Die Konzeption des Gesetzgebers sieht bei gemeinsam sorgeberechtigten Eltern die Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis auf einen Elternteil vor, wenn die Eltern voneinander getrennt leben und sich entweder in einzelnen Angelegenheiten der elterlichen Sorge nicht einigen können (§ 1628 BGB) oder die Grundeinstellung der Eltern in Teilbereichen der elterlichen Sorge in einem nicht konsensfähigen Maße voneinander abweicht (§ 1671 BGB).

    Wenn gemeinsam sorgeberechtigte Eltern sich in einzelnen Angelegenheiten, einer bestimmten Art von Angelegenheiten oder in Teilbereichen der elterlichen Sorge nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können, gebietet die gesetzliche Regelung somit im Umfang des bestehenden Dissenses die Übertragung der alleinigen Verantwortung auf einen Elternteil. Zwar soll das Gericht auf einvernehmliche Lösungen hinwirken (§ 156 FamFG). Die gerichtlichen Bemühungen finden jedoch ihre Grenze bei nicht mehr lösbaren Konflikten.

    Da die Antragsgegnerin vorliegend auch in der Anhörung durch den erkennenden Senat nicht zur Fortführung des Wechselmodells zu bewegen war, ist das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf einen Elternteil zu übertragen.

    Die weitergehende elterliche Sorge kann indessen auch künftig von beiden Eltern gemeinsam ausgeübt werden. Mit der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf einen Elternteil fällt diesem gem. § 1687 Abs. 1 BGB auch die Alleinentscheidungsbefugnis in allen Angelegenheiten des täglichen Lebens zu. Gemeinsam zu entscheiden sind damit nur noch Angelegenheiten, die für das Kind eine besondere Bedeutung haben. Trotz bestehender Konflikte sieht der Senat die Kindeseltern als hinreichend kooperationsfähig und kooperationsbereit an, um weiterhin über Angelegenheiten von besonderer Bedeutung gemeinsam zu entscheiden. Zweifel an der Bereitschaft der Antragsgegnerin, in diesem Umfang auch künftig Elternverantwortung mit zu übernehmen, bestehen nicht.

    3)

    Nach Überzeugung des Senats entspricht die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Kindesvater dem Kindeswohl am besten.

    Die Erziehungseignung, Förderkompetenz beider Eltern und die Bindung des Kindes zu beiden Eltern hält der Senat für vergleichbar; eine dem Kindeswohl entsprechende Betreuung und Versorgung ist im Haushalt beider Eltern problemlos möglich.

    Bei der aus Rechtsgründen erforderlichen Entscheidung zugunsten eines Elternteils fällt zugunsten des Antragstellers ins Gewicht, dass dem Kind geringfügig bessere Rahmenbedingungen bieten kann. So hat der Antragsteller bei seiner beruflichen Tätigkeit ein höheres Maß an Zeitautonomie und kann diese Flexibilität zugunsten des Kindes nutzen. Auch die Gefahr eines berufsbedingt erforderlichen Ortswechsels hält der Senat auf Seiten des Antragstellers für geringer als bei der Antragsgegnerin.

    Schließlich scheint auch der Wunsch, beide Eltern möglichst intensiv in die Betreuung und Versorgung des Kindes einzubinden und die Kooperation zwischen den Eltern zu verbessern, beim Antragsteller stärker ausgeprägt zu sein als – gemäß ihrer Äußerung im Senatstermin - bei der Antragsgegnerin.

    4) Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG.

    Es besteht kein Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen. Eine Rechtsmittelbelehrung ist deshalb nicht erforderlich.