12.11.2013 · IWW-Abrufnummer 133500
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 09.10.2013 – XII ZB 311/13
Einem Rechtsmittelführer, der vor Ablauf der Rechtsmittelfrist die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt hat, ist Wiedereinsetzung grundsätzlich nur zu gewähren, wenn er innerhalb der Frist die für die Verfahrenskostenhilfe erforderlichen Unterlagen vorlegt (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 8. Februar 2012 - XII ZB 462/11, FamRZ 2012, 705).
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Oktober 2013 durch die Richter Dr. Klinkhammer, Weber-Monecke, Schilling, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
beschlossen:
Tenor:
Die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des 10. Zivilsenats Familiensenat des Oberlandesgerichts Köln vom 13. Mai 2013 wird auf ihre Kosten verworfen.
Beschwerdewert: 3.452 €
Gründe
I.
1
Die Antragsgegnerin begehrt Wiedereinsetzung in die Beschwerdebegründungsfrist.
2
Mit dem der anwaltlich vertretenen Antragsgegnerin am 25. Januar 2013 zugestellten Beschluss hat das Amtsgericht sie verpflichtet, Kindesunterhalt zu zahlen. Die Rechtsmittelbelehrung enthält unter anderem folgende Angaben: Die Beschwerde "ist zu unterzeichnen und soll begründet werden."
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Gegen den Beschluss hat die Antragsgegnerin am 13. Februar 2013 Beschwerde eingelegt und Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt. Nachdem sie am 9. April 2013 vom Oberlandesgericht darauf hingewiesen worden war, dass noch keine Begründung des Rechtsmittels erfolgt sei, hat die Antragsgegnerin am 10. April 2013 mitgeteilt, dass die Beschwerde insoweit weiterverfolgt werde, als sie zu höheren Unterhaltszahlungen als 150 € monatlich verpflichtet worden sei; zudem hat sie ihr Begehren in der Sache begründet, erneut Verfahrenskostenhilfe beantragt und dem Antrag eine Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse beigelegt. Nachdem das Oberlandesgericht sie darauf hingewiesen hatte, dass die Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist als unzulässig zu verwerfen sei, hat die Antragsgegnerin am 19. April 2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Kanzleikraft ihrer Rechtsanwältin sei aufgrund der Angaben in der Rechtsbehelfsbelehrung davon ausgegangen, dass keine Begründungsfrist existiere und somit auch nicht notiert werden müsse.
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Das Beschwerdegericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Beschwerdebegründung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin.
II.
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Der Rechtsbeschwerde bleibt der Erfolg versagt.
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1. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG in Verbindung mit §§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO zwar statthaft. Sie ist aber unzulässig, weil keine Gründe i.S.d. § 574 Abs. 2 ZPO vorliegen. Weder kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu, noch ist eine Entscheidung des Senats zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
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2. Das Beschwerdegericht hat den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen.
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a) Dagegen, dass das Beschwerdegericht den Vortrag der Antragsgegnerin, wonach in der Kanzlei ihrer Verfahrensbevollmächtigten die Begründungsfrist versehentlich nicht notiert worden sei, für eine Wiedereinsetzung nicht hat genügen lassen, ist nichts zu erinnern.
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Ungeachtet dessen, ob ein Verschulden schon darin zu sehen ist, dass die Kanzleiangestellte sich ausschließlich auf die Rechtsbehelfsbelehrung verlassen hat, ohne eine Offensichtlichkeitskontrolle anzustellen, hätte die Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin bei Vorlage der Akte zur Anfertigung der Beschwerdeschrift jedenfalls prüfen müssen, ob die Begründungsfrist zutreffend notiert worden ist (Senatsbeschluss vom 23. Januar 2013 XII ZB 167/11 FamRZ 2013, 1117 Rn. 11). Von dieser Verpflichtung war die Rechtsanwältin wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat nicht etwa deshalb befreit, weil ausweislich der vom Amtsgericht erteilten Rechtsbehelfsbelehrung die Beschwerde begründet werden "soll". Damit war die Rechtsbehelfsbelehrung inhaltlich zwar unrichtig. Nach der Senatsrechtsprechung setzt die Wiedereinsetzung wegen einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung indes Kausalität zwischen dem Belehrungsmangel und der Fristversäumung voraus. Bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten entfällt die Kausalität aber, wenn die durch das Gericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung wie hier offenkundig falsch ist und deshalb ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Grundkenntnissen des Verfahrensrechts und des Rechtsmittelsystems nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermag (Senatsbeschluss vom 13. Juni 2012 XII ZB 592/11 FamRZ 2012, 1287 Rn. 8 f.).
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b) Im Ausgangspunkt zutreffend wendet die Rechtsbeschwerde gegen den angefochtenen Beschluss allerdings ein, dass das Beschwerdegericht nicht auf den von der Antragsgegnerin gestellten Verfahrenskostenhilfeantrag eingegangen ist. Das verhilft der Rechtsbeschwerde indes nicht zum Erfolg, weil die Antragsgegnerin die für ihren Verfahrenskostenhilfeantrag erforderlichen Unterlagen erst nach Ablauf der Begründungsfrist beim Beschwerdegericht eingereicht hat.
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aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Rechtsmittelführer, der vor Ablauf der Rechtsmittelfrist die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt hat, so lange als ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Vornahme einer Frist wahrenden Handlung wie hier der Beschwerdebegründung verhindert anzusehen, als er nach den gegebenen Umständen vernünftigerweise nicht mit der Ablehnung seines Antrags rechnen musste, weil er sich für bedürftig im Sinne der §§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. 114 ff. ZPO halten durfte und aus seiner Sicht alles Erforderliche getan hatte, damit aufgrund der von ihm eingereichten Unterlagen ohne Verzögerung über sein Verfahrenskostenhilfegesuch entschieden werden konnte (Senatsbeschluss vom 8. Februar 2012 XII ZB 462/11 FamRZ 2012, 705 Rn. 8 mwN).
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bb) So lag der Fall hier jedoch nicht. Zwar hatte die Antragsgegnerin zugleich mit der Beschwerde gegen die amtsgerichtliche Entscheidung Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt. Jedoch hat sie die für den Antrag auf Verfahrenskostenhilfe erforderliche Erklärung über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erst am 10. April 2013 zur Akte gereicht und damit nach Ablauf der am 25. März 2013 endenden Frist zur Begründung der Beschwerde (§ 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG). Daher konnte die Antragsgegnerin nicht auf eine Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe vertrauen.
Klinkhammer
Weber-Monecke
Schilling
Nedden-Boeger
Guhling