03.12.2013 · IWW-Abrufnummer 133735
Oberlandesgericht Brandenburg: Beschluss vom 15.10.2013 – 3 WF 98/13
1. Das Auskunftsverlangen im Sinne von § 238 Abs. 3 Satz 3 FamFG entspricht demjenigen im Sinne von § 1613 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB. Es bedarf also der Aufforderung, über Einkünfte und Vermögen Auskunft zu erteilen zu dem Zwecke, ein Herabsetzungsbegehren bezüglich titulierten Unterhalts zu ermöglichen.
2. Das Verzichtsverlangen im Sinne von § 238 Abs. 3 Satz 3 FamFG unterliegt spiegelbildlich den Voraussetzungen der Mahnung in § 1613 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB. Es ist eine sogenannte negative Mahnung erforderlich, also die Aufforderung an den Unterhaltgläubiger, teilweise oder vollständig auf den titulierten Unterhalt zu verzichten. Diesen Anforderungen genügt eine Mitteilung des Unterhaltsschuldners an den Unterhaltsgläubiger, in welcher der Unterhaltsschuldner schlüssig darlegt, dass nunmehr nur noch ein geringer Unterhalt geschuldet sei, und den Unterhaltsgläubiger ernsthaft zu der Erklärung auffordert, die Herabsetzung des Unterhalts zu akzeptieren.
Tenor:
Die sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
Die gemäß §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Zu Recht hat das Amtsgericht dem Antragsteller Verfahrenskostenhilfe versagt, soweit er Abänderung des Anerkenntnisurteils vom 23.11.2006 für die Zeit vor Oktober 2012 begehrt. Denn insoweit bietet seine Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, §§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG, 114 ZPO.
1.
Gemäß § 238 Abs. 3 Satz 1 FamFG ist die Abänderung gerichtlicher Entscheidungen über den Unterhalt zulässig für die Zeit ab Rechtshängigkeit des Antrags. Ist der Antrag - wie hier - auf Herabsetzung des Unterhalts gerichtet, ist er auch zulässig für die Zeit ab dem 1. des auf ein entsprechendes Auskunfts- oder Verzichtverlangen des Antragsteller folgenden Monats, § 238 Abs. 3 Satz 3 FamFG. Für eine mehr als ein Jahr vor Rechtshängigkeit liegende Zeit kann eine Herabsetzung nicht verlangt werden, § 238 Abs. 3 Satz 4 FamFG. Unter Berücksichtigung dieser Vorschriften scheidet vorliegend eine Abänderung des Unterhaltstitels für die Zeit vor Oktober 2012 aus.
a)
Soweit der Antragsteller Abänderung des Unterhaltstitels für die Zeit vom 1.6. bis zum 23.7.2012 begehrt, kann er damit im Hinblick auf § 238 Abs. 3 Satz 4 FamFG schon deshalb nicht durchdringen, weil sein Abänderungsantrag der Antragsgegnerin erst am 23.7.2013 zugestellt worden ist.
Eine Vorverlagerung auf den Zeitpunkt der Antragseinreichung, die hier am 11.4.2013 erfolgt ist, scheidet aus. Schon nach dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht war im Hinblick auf § 323 Abs. 3 Satz ZPO a. F. anerkannt, dass die Einreichung eines Prozesskostenhilfeantrags nicht ausreicht, um die Abänderung, bezogen auf diesen Zeitpunkt, zu ermöglichen (BGH, FamRZ 1982, 365; FamRZ 1984, 353, 355 [BGH 26.01.1983 - IVb ZR 347/81]; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 34. Aufl., § 238 FamFG, Rn. 31). Ebenso schied eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 167 ZPO mit der Folge einer Rückwirkung auf die Antragseinreichung aus (BGH, FamRZ 1982, 792, 793; Wendl/Schmitz, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 8. Aufl., § 10 Rn. 235; Johannsen/Henrich/Brudermüller, Familienrecht, 5. Aufl., § 238 FamFG Rn. 125). Der Gesetzgeber hat hinreichend deutlich gemacht, dass auch im Rahmen des seit dem 1.9.2009 geltenden § 238 Abs. 3 FamFG, soweit es um den Begriff der Rechtshängigkeit geht, auf den Tag der Zustellung des Antrags abzustellen ist und eine Vorverlagerung auf einen früheren Zeitpunkt nicht in Betracht kommt (BT-Drs. 16/6308, S. 258; vgl. auch Verfahrenshandbuch Familiensachen - FamVerf-/Schael, 2. Aufl., § 1 Rn. 326; Haußleiter/Fest, FamFG, § 238 Rn. 117; Keidel/Meyer-Holz, FamFG, 17. Aufl., § 238 Rn. 66 f.).
Angesichts einer Zustellung des Antrags am 23.7.2013 kommt gemäß § 238 Abs. 3 Satz 4 FamFG eine Abänderung frühestens ab dem ein Jahr davor liegenden Tag, also ab dem 23.7.2012, in Betracht.
b)
Doch auch für die Zeit vom 24.7.2012 bis zum 30.9.2012 scheidet eine Abänderung des Unterhaltstitels aus. Insoweit liegt weder ein entsprechendes Auskunfts- noch ein entsprechendes Verzichtsverlangen im Sinne von § 238 Abs. 3 Satz 3 FamFG vor.
aa)
Mit der Vorschrift des § 238 Abs. 3 Satz 3 FamFG wollte der Gesetzgeber eine Gleichbehandlung von Gläubiger und Schuldner erreichen (BT-Drs. 16/6308, S. 258; Haußleiter/Fest, aaO., § 238 Rn. 128). Auch dem Unterhaltsschuldner sollte unter bestimmten Umständen eine Abänderung für die Zeit vor Rechtshängigkeit ermöglicht werden. Da ein Erhöhungsverlangen gemäß § 238 Abs. 3 Satz 2 FamFG für die Zeit zulässig ist, für die nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts Unterhalt für die Vergangenheit verlangt werden kann, entspricht auch das Auskunftsverlangen im Sinne von § 238 Abs. 3 Satz 3 FamFG demjenigen im Sinne von § 1613 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB (Zöller/Lorenz, ZPO, 29. Aufl., § 238 FamFG Rn. 22). Es bedarf also der Aufforderung, über Einkünfte und Vermögen Auskunft zu erteilen zu dem Zwecke, ein Herabsetzungsbegehren bezüglich titulierten Unterhalts zu ermöglichen. Hieran fehlt es vorliegend.
Das vom Antragsteller insoweit angeführte Schreiben vom 12.5.2012 genügt den an ein Auskunftsverlangen zu stellenden Anforderungen nicht. Hierin äußert der Antragsteller der Antragsgegnerin gegenüber nur, er habe darum gebeten, dass ihre Mutter beim Jugendamt eine Überprüfung veranlassen solle und - etwas später -, es sei besser, "eine ordentliche Überprüfung vom Jugendamt machen zu lassen". Dies bezieht sich, da der Antragsteller in dem Schreiben auch auf den eingetretenen Arbeitslosengeldbezug seinerseits hingewiesen hat, offensichtlich auf eine Überprüfung dahin, ob er angesichts der aktuellen Verhältnisse noch leistungsfähig ist. Dass der Antragsteller Auskunft über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Antragsgegnerin oder von deren Mutter verlangt, wird aus diesem Schreiben nicht hinreichend deutlich.
bb)
In dem Schreiben vom 12.5.2012 liegt auch kein Verzichtsverlangen im Sinne von § 238 Abs. 3 Satz 3 FamFG.
Das Herabsetzungsverlangen an den Gläubiger, ganz oder teilweise auf den titulierten Unterhalt zu verzichten, unterliegt spiegelbildlich den Voraussetzungen der Mahnung in § 1613 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB (BT-Drs. 16/6308, S. 258; Zöller/Lorenz, aaO., § 238 FamFG Rn. 22). Es ist eine sogenannte negative Mahnung erforderlich (OLG Hamburg, NJW 2013, 2240, 2043; FamVerf./Schael, § 1 Rn. 327; Wendl/Schmitz, aaO. § 10 Rn. 239; Haußleiter/Fest, aaO., § 238 Rn. 128), also die Aufforderung an den Unterhaltgläubiger, teilweise oder vollständig auf den titulierten Unterhalt zu verzichten (BT-Drs. 16/6308, S. 258). Diesen Anforderungen genügt eine Mitteilung des Unterhaltsschuldners an den Unterhaltsgläubiger, in welcher der Unterhaltsschuldner schlüssig darlegt, dass nunmehr nur noch ein geringer Unterhalt geschuldet sei, und den Unterhaltsgläubiger ernsthaft zu der Erklärung auffordert, die Herabsetzung des Unterhalts zu akzeptieren (OLG Hamburg, aaO.; Grandke, FamFR 2013, 36). Daran fehlt es vorliegend.
In dem Schreiben vom 12.5.2012 fehlt es schon an einer schlüssigen Darlegung dahin, dass nunmehr nur noch ein geringerer Unterhalt geschuldet sei. Allein der Hinweis auf den Bezug von Arbeitslosengeld führt, insbesondere da es an Angaben zur Höhe des Arbeitslosengeldes fehlt, nicht notwendig dazu, dass geringerer Unterhalt als tituliert geschuldet wird, zumal der Unterhaltstitel aus dem Jahr 2006 stammt und es zwischenzeitlich zu Erhöhungen des Erwerbseinkommens des Antragstellers gekommen sein mag, das Bemessungsgrundlage für die Höhe des Arbeitslosengeldes ist, vgl. §§ 129 ff. SGB III. Ferner hat der Antragsteller die Antragsgegnerin nicht aufgefordert, per Erklärung die Herabsetzung des Unterhalts zu akzeptieren. Da er lediglich eine Überprüfung des Unterhalts durch das Jugendamt für sinnvoll gehalten hat, hat er schon nicht eindeutig zu erkennen gegeben, dass er fest davon ausgeht, es werde geringerer Unterhalt als tituliert geschuldet. Erst recht hat er gegenüber der Antragsgegnerin nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht, dass diese einen geringeren Unterhalt zu akzeptieren hätte.
cc)
Da es nach dem Vorstehenden sowohl an einem hinreichenden Auskunfts- als auch an einem hinreichenden Herabsetzungsverlangen fehlt, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der Frage, ob ein solches Verlangen, wenn es an den seinerzeit - am 12.5.2013 - noch minderjährigen Unterhaltsgläubiger gerichtet ist, ausreicht, obwohl dieser bis zum Eintritt der Volljährigkeit durch den Obhutselternteil vertreten wird, § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB.
2.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 Abs. 1 Satz 2, 127 Abs. 4 ZPO.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.