18.12.2013 · IWW-Abrufnummer 134008
Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 22.08.2013 – 6 WF 210/13
1. Werden die Regelung der elterlichen Sorge für das Kind und die Regelung des Umgangs durch den Verfahrensbevollmächtigten zum Gegenstand getrennter Verfahren gemacht, so verstößt dieser damit gegen den Grundsatz kostensparender Prozessführung.
2. Dieser Verstoß gegen den Grundsatz kostensparender Prozessführung kann auch dann noch im Vergütungsfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden, wenn eine Prozesskostenhilfebewilligung für getrennte Verfahren erfolgt ist.
Oberlandesgericht Hamm
6 WF 210/13
Tenor:
Die Beschwerde des Beteiligten vom 19.7.2013 gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Recklinghausen vom 28.6.2013 (Erlassdatum 16.7.2013) wird zurückgewiesen.
Gründe
Der beteiligte Rechtsanwalt hat als Verfahrensbevollmächtigter in dem Ausgangsverfahren die Kindesmutter vertreten. Diese war Antragsgegnerin in einem vom Kindesvater mit Schriftsatz vom 29.9.2011 eingeleiteten Verfahren, mit dem dieser die alleinige elterliche Sorge auf dem Gebiet des Aufenthaltsbestimmungsrechts für das gemeinsame, im Haushalt der Kindesmutter lebende Kind K erhalten wollte (AG Recklinghausen 46 F 388/11).
Die Kindesmutter selbst stellte, jeweils vertreten durch den beteiligten Rechtsanwalt, mit Schriftsatz vom 20.10.2011 den Antrag, das Umgangsrecht des Kindesvaters mit K auszuschließen, und mit Schriftsatz vom 27.10.2011 den Antrag, ihr die alleinige elterliche Sorge für K zu übertragen.
Mit Beschluss vom 27.10.2011 hat der Amtsrichter der Kindesmutter unter Beiordnung des beteiligten Rechtsanwalts Verfahrenskostenhilfe für das Umgangsverfahren bewilligt (46 F 417/11). Mit Beschluss vom 31.01.2011 hat der Amtsrichter der Kindesmutter unter Beiordnung des beteiligten Rechtsanwalts Verfahrenskostenhilfe für das von ihr eingeleitete Sorgerechtsverfahren bewilligt (46 F 423/11).
Termin in allen drei Verfahren wurde anberaumt auf den 24.11.2011.
Die Verfahren wurden in dem Termin unter Führung des Verfahrens 46 F 388/11 zur gemeinsamen Erörterung und Entscheidung verbunden. Sodann hat der Amtsrichter die den Beteiligten bewilligte Verfahrenskostenhilfe auf den gesamten Gegenstand des Verfahrens erstreckt.
Der beteiligte Rechtsanwalt hat mit Schriftsätzen der ihn vertretenden Verrechnungsstelle X-AG vom 25.11.2011 in den Verfahren 46 F 388/11, 46 F 417/11 und 46 F 423/11 unter Zugrundelegung eines Gegenstandswerts von jeweils 3.000 € die Festsetzung von jeweils 586,08 € (1,3 Verfahrensgebühr + 1,2 Termingebühr + Postpauschale + Umsatzsteuer) gegen die Landeskasse beantragt.
Der zur Entscheidung berufene Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat mit Beschluss vom 2.1.2012 zunächst 586,08 € und mit Beschluss vom 21.6.2012 weitere 107,10 € gegen die Landeskasse festgesetzt.
Mit Beschluss vom 17.8.2012 hat der Urkundsbeamte die Vergütung unter Zurückweisung der weitergehenden Anträge klarstellend auf 693,18 € festgesetzt.
Dabei hat der Urkundsbeamte einen Gegenstandswert von 6.000 € zugrunde gelegt.
Der gegen diesen Beschluss eingelegten Erinnerung des Beteiligten vom 6.9.2012 hat der Urkundsbeamte nicht abgeholfen und sie der funktionell zuständigen Richterin des Familiengerichts vorgelegt.
Diese hat die Erinnerung mit Beschluss vom 28.6.2013 – dem Beteiligten zugestellt am 18.7.2013 – zurückgewiesen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1) vom 19.7.2013.
Die Beschwerde ist zulässig und statthaft nach § 56 RVG.
In der Sache ist die Beschwerde allerdings unbegründet.
Zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass der Beteiligte mit seiner nahezu gleichzeitigen Stellung der Anträge zum Umgangsrecht und Sorgerecht in zwei separaten Verfahren trotz eines bereits anhängigen Sorgerechtsverfahrens gegen das Gebot der kostensparenden Prozessführung verstoßen hat.
Der Senat hat bereits in seinem grundlegenden Beschluss in dem Verfahren 6 WF 400/08 ausgeführt: „Die Beteiligte zu 1) hat dadurch, dass sie die Regelung der elterlichen Sorge für das Kind der Antragstellerin und die Regelung des Umgangs des Vaters mit dem Kind zum Gegenstand getrennter Verfahren gemacht hat, eindeutig gegen den Grundsatz kostensparender Prozessführung verstoßen. Ein irgendwie gearteter sachlicher Grund für eine getrennte Verfahrensführung, ist nicht erkennbar und wird auch von der Beteiligten zu 1) nicht aufgezeigt. Die Verfahren sind vielmehr alsbald miteinander verbunden worden.“
Ein eindeutiger Verstoß gegen den Grundsatz kostensparender Verfahrensführung wie er hier gegeben ist, kann nach der ständigen Rechtsprechung des Senats auch noch im Vergütungsfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden, und zwar auch dann, wenn eine Prozesskostenhilfebewilligung für getrennte Verfahren erfolgt ist. Ein Anspruch gegen die Staatskasse ist nämlich immer dann ausgeschlossen, wenn der Rechtsanwalt einen Gebührenanspruch gegen die Partei – wäre nicht Prozesskostenhilfe bewilligt worden – aus Rechtsgründen nicht durchsetzen könnte
So verhält es sich hier, weil der beteiligte Rechtsanwalt durch die getrennte Antragstellung unnötige Kosten verursacht hat. Im vorliegenden Fall war es zudem so, dass die Kindesmutter angesichts des vom Kindesvater eingeleiteten Verfahrens nach § 1671 BGB ihren Antrag zum Sorgerecht nach § 1671 BGB und ihren Antrag zum Umgangsrecht in dem bereits anhängigen Verfahren hätte stellen können.
Das hat zur Folge, dass die Mandantin des beteiligten Rechtsanwalts – wäre keine Prozesskostenhilfe bewilligt worden – nicht verpflichtet wäre, die überflüssigen Gebühren zu bezahlen. In einem solchen Fall macht sich der Rechtsanwalt gegenüber seinem Mandanten wegen positiver Forderungsverletzung schadensersatzpflichtig mit der Folge, dass er den Vergütungsanspruch nicht geltend machen kann. Nur die Gebühren, die ohne das pflichtwidrige Verhalten angefallen wären, dürfen verlangt werden (BGH NJW 2004, 2817).
Die Staatskasse kann bei einer positiven Forderungsverletzung des Rechtsanwalts nicht schlechter stehen als der Mandant. Deshalb kann die Staatskasse dem Rechtsanwalt die Einwendungen entgegenhalten, die der Partei, wenn sie zahlen müsste, zustünden (BVerwG Rechtspfleger 1995, 75; Gerold/Schmidt=Müller-Rabe, § 55 Rn.46).
Hätte die Kindesmutter – vertreten durch den beteiligten Rechtsanwalt – ihren Sorgerechtsantrag und ihren Antrag zum Umgangsausschluss in dem vom Kindesvater eingeleiteten Sorgerechtsverfahren gestellt, wäre für dieses Verfahren ein einheitlicher Gegenstandswert von 6.000 € anzusetzen gewesen. Nur nach diesem einheitlichen Gegenstandswert sind Verfahrens- und Termingebühr zu berechnen.
Die vom Amtsgericht auf dieser Grundlage vorgenommene Berechnung von Erstattungsansprüchen in Höhe von 693,18 € gegen die Landeskasse ist daher sachlich und rechnerisch richtig.
Eine Kostenentscheidung für das Erinnerungs- und das Beschwerdeverfahren ist gemäß § 56 Abs.2 Satz 2, 3 RVG nicht veranlasst.