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  • 22.12.2015 · IWW-Abrufnummer 182688

    Bundesgerichtshof: Beschluss vom 11.11.2015 – XII ZB 407/12

    Ein Rechtsanwalt darf die Eintragung von Fristen und Terminen grundsätzlich nicht auf noch auszubildende Kräfte übertragen (im Anschluss an BGH Beschluss vom 22. April 2009 - IV ZB 22/08 - RuS 2009, 393).


    Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. November 2015 durch den Vorsitzenden Richter Dose, die Richterin Weber-Monecke und die Richter Dr. Klinkhammer, Dr. Nedden-Boeger und Guhling
    beschlossen:

    Tenor:

    Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der Zivilkammer 16 des Landgerichts Hamburg vom 4. Juni 2012 wird auf Kosten der Kläger verworfen.

    Beschwerdewert: 7.000 €



    Gründe



    I.

    1


    Die Kläger begehren in Rückabwicklung eines mit der Beklagten geschlossenen Vertrags, der als Mietvertrag für Kontore, gewerbliche Räume und Grundstücke bezeichnet ist, Zahlung von 7.000 € nebst Zinsen.


    2


    Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25. Oktober 2011 ist für die Kläger niemand erschienen, weshalb auf Antrag des Beklagtenvertreters ein die Klage abweisendes Versäumnisurteil ergangen ist. Gegen das Versäumnisurteil haben die Kläger Einspruch eingelegt. In dem zunächst auf den 31. Januar 2012 und später auf den 24. Februar 2012 verlegten Termin zur Verhandlung über den Einspruch und über die Hauptsache ist für die Kläger abermals niemand erschienen. Daraufhin ist der Einspruch durch zweites VersäumnisTeilurteil verworfen und durch Teilversäumnisurteil über die von der Beklagten inzwischen erhobene Widerklage entschieden worden.


    3


    Mit ihrer hiergegen gerichteten Berufung haben die Kläger vorgetragen: Der Verhandlungstermin sei unverschuldet versäumt worden. Die Umladung zum Termin sei am 27. Januar 2012 bei ihrem Prozessbevollmächtigten eingegangen. Entsprechend der von diesem durchgängig praktizierten und stichprobenartig kontrollierten Übung hätte der Termin im Terminkalender notiert und dies auf der Ladung mit dem Namen der notierenden Person vermerkt werden müssen. Danach wäre die Akte dem Prozessbevollmächtigten vorzulegen gewesen. Im vorliegenden Fall sei die Notierung auf der Ladung durch die Auszubildende K. erfolgt. Der Prozessbevollmächtigte habe das Empfangsbekenntnis unterzeichnet und anhand des Vermerks auf der Ladung kontrolliert, dass der Termin eingetragen sei. Dies sei aber tatsächlich nicht erfolgt. Die Auszubildende sei zwar in ihren allgemeinen Leistungen nicht gut gewesen. Hinsichtlich der Notierung von Terminen und anderen einfachen Formalitäten habe sie aber seit zwei Jahren durchgängig fehlerlos gearbeitet. Deshalb habe der Prozessbevollmächtigte sicher davon ausgehen können, dass die Notierung auch erfolgt sei. Eine Kontrolle anhand des Terminkalenders sei aus diesem Grund nicht erfolgt. Mangels Eintragung im Kalender sei die Akte nicht zum Termin vorgelegt worden.


    4


    Das Landgericht hat die Berufung verworfen und - soweit im Rechtsbeschwerdeverfahren noch von Bedeutung - zur Begründung ausgeführt: Die Kläger hätten keine Umstände vorgetragen, die eine unverschuldete Verhinderung im Einspruchstermin begründeten. Vielmehr sei nach ihren Ausführungen von einem Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten auszugehen, weil dieser die Notierung des Termins einer Auszubildenden überlassen habe. Dem Vorbringen sei auch nicht zu entnehmen, ob, in welchem Umfang und in welcher Weise der Prozessbevollmächtigte der Kläger selbst eine Überprüfung der von der betreffenden Auszubildenden notierten Fristen und Termine vornehme.


    5


    Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger, soweit der angefochtene Beschluss die Berufung gegen das zweite Versäumnis-Teilurteil betrifft.




    II.

    6


    Die Rechtsbeschwerde ist nach §§ 574 Abs. 1 Nr. 1 , 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist aber nicht zulässig, weil die maßgeblichen Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geklärt sind und die Kläger nicht aufzuzeigen vermögen, dass eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre ( § 574 Abs. 2 ZPO ).


    7


    1. Das Berufungsgericht hat die Berufung zu Recht als unzulässig verworfen. Nach § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO unterliegt ein zweites Versäumnisurteil, gegen das der Einspruch an sich nicht statthaft ist ( § 345 ZPO ), der Berufung insoweit, als sie darauf gestützt wird, dass ein Fall der schuldhaften Versäumung nicht vorgelegen habe. Eine zulässige Berufung setzt also die schlüssige Darlegung voraus, dass der Termin nicht schuldhaft versäumt worden sei ( BGH Beschluss vom 6. Oktober 2011 - IX ZB 148/11 - NJW-RR 2011, 1692 Rn. 5 mwN). Die Verschuldensfrage ist nach den gleichen Maßstäben zu beurteilen wie bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ( BGH Urteil vom 22. März 2007 - IX ZR 100/06 - NJW 2007, 2047 Rn. 6 mwN). Wird die fehlende oder unverschuldete Säumnis nicht schlüssig dargelegt, ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen ( BGH Beschluss vom 6. Oktober 2011 - IX ZB 148/11 NJW-RR 2011, 1692 Rn. 5).


    8


    2. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht die Anforderungen an die Darlegung der anwaltlichen Organisation in Bezug auf die Eintragung von Terminen nicht überspannt und ausgehend von dem Vortrag der Kläger zutreffend ein diesen nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Organisationsverschulden ihres Prozessbevollmächtigten angenommen.


    9


    a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf ein Rechtsanwalt regelmäßig sein voll ausgebildetes, als zuverlässig erprobtes und sorgfältig überwachtes Personal mit der Notierung und Überwachung von Fristen betrauen (Senatsbeschluss vom 9. Juli 2014 - XII ZB 709/13 -FamRZ 2014, 1624 Rn. 12mwN). Er hat jedoch durch geeignete organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass die Fristen zuverlässig festgehalten und kontrolliert werden. Unverzichtbar sind insoweit eindeutige Anweisungen an das Büropersonal, die Festlegung klarer Zuständigkeiten und die mindestens stichprobenartige Kontrolle des Personals ( BGH Beschluss vom 22. April 2009 - IV ZB 22/08 - RuS 2009, 393 Rn. 8 mwN).


    10


    b) Die Fristeintragung und -überwachung darf allerdings grundsätzlich nicht auf noch auszubildende Kräfte übertragen werden, denen die notwendige Erfahrung fehlt ( BGH Beschluss vom 22. April 2009 - IV ZB 22/08 - RuS 2009, 393 Rn. 8; Senatsbeschlüsse vom 11. September 2007 - XII ZB 109/04 FamRZ 2007, 2059 Rn. 16und vom 15. November 2000 - XII ZB 53/00 -FuR 2001, 273, 274mwN). Ob im Einzelfall bei Personalmangel eine Ausnahme von diesem Grundsatz zugelassen werden kann, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. In einem solchen Fall muss jedenfalls eine umso wirksamere Kontrolle durch den Rechtsanwalt selbst oder durch ausgebildete und erfahrene Angestellte gewährleistet sein, durch die sichergestellt wird, dass alle von dem Auszubildenden eingetragenen Fristen anhand der Akten auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Sowohl Stichproben als auch bloße Kontrolleinsichtnahmen in den Fristenkalender reichen nicht aus, um die notwendige Überprüfung der von einem Auszubildenden vorgenommenen Eintragungen zu gewährleisten. Vielmehr ist ein Vergleich der Eintragungen im Fristenkalender mit der jeweiligen Akte erforderlich ( BGH Beschluss vom 22. April 2009 - IV ZB 22/08 - RuS 2009, 393 Rn. 8; Senatsbeschlüsse vom 11. September 2007 - XII ZB 109/04 FamRZ 2007, 2059 Rn. 16und vom 15. November 2000 - XII ZB 53/00 -FuR 2001, 273, 274mwN).


    11


    c) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde gelten insofern für die Eintragung von Terminen durch Auszubildende nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine geringeren Anforderungen. Ein Auszubildender darf auch nicht damit betraut werden, bereits vom Rechtsanwalt vorgegebene Fristen in den Kalender einzutragen, ohne dass die ordnungsgemäße Erledigung jeweils anhand der Akten überprüft wird ( BGH Beschluss vom 22. April 2009 - IV ZB 22/08 - RuS 2009, 393 Rn. 2, 8 f.). Zwischen der kalendermäßigen Eintragung von konkret vorgegebenen Fristen einerseits und Terminen andererseits besteht hinsichtlich der hieran zu stellenden Anforderungen kein Unterschied, der es rechtfertigen würde, bezüglich des Umfangs der erforderlichen Erledigungskontrolle zu differenzieren. In dem einen wie dem anderen Fall gilt vielmehr, dass in jedem Einzelfall eine wirksame Kontrolle der Tätigkeit eines Auszubildenden gewährleistet sein muss, sei es durch den Anwalt selbst oder durch hierzu geeignete Angestellte.


    12


    d) Diesem Erfordernis genügt der von den Klägern dargelegte Organisationsablauf in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten nicht. Es ist bereits nichts dafür ersichtlich, dass der Auszubildenden K. die Eintragung des Termins wegen Personalmangels oder aus einem vergleichbar triftigen Grund übertragen wurde. Abgesehen davon ergibt sich aus dem Vorbringen der Kläger, dass die Erledigung der Aufgabe nicht anhand von Fristenkalender und Akte kontrolliert wurde.


    Dose
    Weber-Monecke
    Klinkhammer
    Nedden-Boeger
    Guhling

    Vorschriften§§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO, § 574 Abs. 2 ZPO, § 514 Abs. 2 Satz 1 ZPO, § 345 ZPO, § 85 Abs. 2 ZPO