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  • 08.02.2017 · IWW-Abrufnummer 191736

    Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 09.01.2017 – 4 UF 181/16

    Erfüllung des Tatbestandes des Verfahrensbetruges durch wissentlich unwahre Parteibehauptung.

    Der Widerruf eines Anerkenntnisses kann im anhängigen Rechtsstreit geltend gemacht werden, auch wenn noch keine strafrechtliche Verurteilung erfolgt ist.


    Oberlandesgericht Hamm

    4 UF 181/16

    Tenor:

    Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Olpe vom 10.8.2016 und das Verfahren aufgehoben und die Sache an das Amtsgericht zurückverwiesen.

    Das Amtsgericht hat auch über die Kosten des vorliegenden Beschwerdeverfahrens zu entscheiden.

    Die Rechtsbeschwerde wird für die Frage zugelassen, ob für den Widerruf eines Anerkenntnisses im Beschwerdeverfahren gegen den nicht rechtskräftigen Anerkenntnisbeschluss die Voraussetzungen des § 581 ZPO erfüllt sein müssen.

    1

    Gründe:

    2

    I.

    3

    Die verheirateten Beteiligten leben seit 2010 getrennt. Aus der Ehe sind drei minderjährige Kinder hervorgegangen, die im Haushalt der Antragsgegnerin leben. Zu Gunsten der Kinder ist gegen den Antragsteller Kindesunterhalt in Höhe von 120% des Mindestunterhalts der jeweiligen Altersstufe abzgl. hälftiges Kindergeld tituliert.

    4

    Zunächst mit Vergleich vom 16.8.2012 vor dem OLG Hamm (Aktenzeichen 4 UF 12/12) vereinbarten die Beteiligten die Verpflichtung des Antragstellers, an die Antragsgegnerin Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 700,- € zu zahlen. Sodann wurde der Antragsteller unter Abänderung dieses Vergleichs mit Beschluss des OLG Hamm vom 26.2.2015 (Aktenzeichen 4 UF 74/14) verpflichtet, an die Antragsgegnerin Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 922,- € zu zahlen. Im Scheidungsverfahren vor dem AG Olpe mit dem Aktenzeichen 22 F 413/11 erklärten die Beteiligten am 13.10.2015 zu Protokoll, dass der Antragsteller nur noch monatlich 485,- € Trennungsunterhalt an die Antragsgegnerin ab November 2015 zahlt; dies stellte keine abschließende Berechnung dar, vielmehr sollten Mehr- oder Minderbeträge später ausgeglichen werden.

    5

    Der Antragsgegner ist seinem weiteren Kind K, geboren am ##.##.2014, und deren Mutter, mit denen er in einem gemeinsamen Haushalt lebt, zum Unterhalt verpflichtet. Nach Geburt des Kindes befand sich die Mutter in Elternzeit und bezog Elterngeld.

    6

    Der Antragsteller hat behauptet, sowohl bei ihm als auch bei der Antragsgegnerin seien Einkommensänderungen eingetreten.

    7

    Erstinstanzlich hat der Antragsteller die Abänderung des Beschlusses vom 26.2.2015 dahingehend begehrt, dass er an die Antragsgegnerin ab Zustellung (8.4.2016) keinen Trennungsunterhalt mehr zahlen muss.

    8

    Dem ist die Antragsgegnerin zunächst entgegengetreten und hat insgesamt Antragszurückweisung beantragt. In der mündlichen Verhandlung vom 10.8.2016 hat sie anerkannt, dass der Trennungsunterhalt ab Antragstellung auf monatlich 540,- € reduziert wird, und im übrigen Antragszurückweisung beantragt.

    9

    Das Amtsgericht hat einen Teilanerkenntnisbeschluss erlassen und in Abänderung des Beschlusses des OLG Hamm vom 26.2.2015 festgestellt, dass der Antragsteller aus dem Vergleich vom 16.8.2012 der Antragsgegnerin ab dem 8.4.2016 zur Zahlung eines Trennungsunterhalts in Höhe von monatlich 540,- € verpflichtet ist.

    10

    Nach der mündlichen Verhandlung hat die Antragsgegnerin das abgegebene Anerkenntnis widerrufen und Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Zurückverweisung an das Amtsgericht eingelegt.

    11

    Dazu behauptet sie, Grundlage des Anerkenntnisses sei die Erklärung des Antragstellers in der mündlichen Verhandlung gewesen, dass seine unterhaltsberechtigte Lebensgefährtin ihre Elternzeit verlängert habe und keiner Erwerbstätigkeit nachgehe. Diese Erklärung sei jedoch falsch. Tatsächlich arbeite die Lebensgefährtin – was unstreitig ist – seit April oder Mai 2016 an zwei Wochentagen und erziele monatlich zwischen 1.400,- € und 1.600,- € netto. Damit sei das Anerkenntnis der Antragsgegnerin aufgrund eines vollendeten Verfahrensbetruges durch den Antragsteller verursacht worden.

    12

    Der Antragsteller verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.

    13

    Er behauptet, das Anerkenntnis entspreche der materiellen Rechtslage, da die Antragsgegnerin keinen Anspruch auf einen Trennungsunterhalt von mehr als 540,- € monatlich habe. Das Einkommen seiner Lebensgefährtin sei nicht zu berücksichtigen, da es aus überobligatorischer Tätigkeit stamme.

    14

    II.

    15

    1.

    16

    Die Beschwerde ist zulässig.

    17

    Der angefochtene Beschluss des Amtsgerichts ist als Teilanerkenntnisbeschluss auszulegen, obwohl er nicht als solcher bezeichnet wurde. Dies ergibt sich zum einen aus der Kostenentscheidung, die der Schlussentscheidung vorbehalten wurde, und zum anderen aus dem Verlauf der mündlichen Verhandlung, in der ein Teilanerkenntnis durch die Antragsgegnerin erklärt und vom Antragsteller der Erlass eines Teilanerkenntnisbeschlusses beantragt wurde. Die Beteiligten, zwischen denen der Beschluss seine Wirksamkeit entfalten soll, ergeben sich aus der Verfahrensakte; der Beschluss enthält kein Rubrum und wurde bislang nicht mit einem Rubrum ausgefertigt. Lediglich das Protokoll der mündlichen Verhandlung, in dem der Beschlusstenor aufgenommen wurde, wurde von der erkennenden Richterin unterzeichnet.

    18

    Die Beschwerde ist statthaft. Ein Anerkenntnisurteil ist ein Endurteil und wie ein solches anfechtbar und vollstreckbar. Für den anerkennenden Beklagten fehlt nicht die erforderliche Beschwer, denn die Beschwer ist materiell zu bestimmen. Ein Grund, der zum Widerruf des Anerkenntnisses berechtigt, kann auch mit der Berufung gegen das Anerkenntnisurteil geltend gemacht werden (Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 307 ZPO, Rn. 11 m.w.N.). Nach anerkannter Rechtsauffassung kann eine Prozesshandlung, auch ein Anerkenntnis, im anhängigen Rechtsstreit widerrufen werden, wenn die Prozesshandlung von einem Restitutionsgrund im Sinne des § 580 ZPO betroffen ist, aufgrund dessen das Urteil, das auf der Prozesshandlung beruht, mit der Wiederaufnahmeklage beseitigt werden könnte. Wenn ein Anerkenntnis betroffen ist, kann der Widerruf in einem solchen Fall mit der Berufung gegen das ergangene Anerkenntnisurteil geltend gemacht werden (BGH, Urteil vom 27. Mai 1981 – IVb ZR 589/80FamRZ 1981, 862).

    19

    Der Widerruf des von der Antragsgegnerin erklärten Anerkenntnisses richtet sich gemäß §§ 113 Abs. 1, 117 Abs. 1 FamFG nach den Vorschriften der ZPO. Sie behauptet, das Anerkenntnis wegen eines Restitutionsgrundes widerrufen zu können, und kann dieses mit der Beschwerde gegen den Anerkenntnisbeschluss geltend machen.

    20

    Die übrigen Beschwerdevoraussetzungen liegen vor; die Beschwerde wurde form- und fristgerecht eingelegt. Da der Beschluss bislang nicht den Beteiligten zugestellt wurde, hat die Beschwerdefrist noch nicht begonnen.

    21

    2.

    22

    Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist auch begründet. Denn die Antragsgegnerin hat ihr Teilanerkenntnis aus der mündlichen Verhandlung vom 10.8.2016 wirksam widerrufen.

    23

    Die Wirksamkeit des prozessualen Anerkenntnisses beurteilt sich ausschließlich nach dem Prozessrecht. Es kann daher weder nach §§ 119, 123 BGB angefochten noch nach § 812 Abs. 2 BGB kondiziert werden. Es kann lediglich mit einem der in § 580 ZPO genannten Restitutionsgründe widerrufen werden (Bork in: Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 781 BGB, Rn. 6). Anerkenntnis und Verzicht können widerrufen werden, wenn sie durch ein Verhalten veranlasst worden sind, das (nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens) einen Restitutionsgrund (§ 580 Nr. 2-4 und 7b ZPO) abgäbe oder wenn ein Abänderungsgrund im Sinne von § 323 ZPO vorliegt (Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, Vorbemerkungen zu §§ 306, 307, Rn. 6).

    24

    Die Antragsgegnerin kann ihr Anerkenntnisses nicht gemäß §§ 119, 123 BGB wirksam angefochten. Sie kann es jedoch wirksam widerrufen, da sie den Restitutionsgrund gemäß § 580 Nr. 4 ZPO geltend machen kann.

    25

    a)

    26

    Die strafbare Handlung des § 580 Nr. 4 ZPO kann jeden einschlägigen Tatbestand des StGB betreffen, z.B. Betrug, Erpressung, Freiheitsberaubung zwecks Terminsversäumnis, Untreue, Parteiverrat, Erschleichen der Offenbarungsversicherung des § 261 BGB (RGZ 46, 343) oder einer sonstigen falschen eidesstattlichen Versicherung. Auch das Erschleichen der öffentlichen Zustellung und die wissentlich unwahre Parteibehauptung (anders bei bloßem Schweigen) stellen Prozessbetrug dar (Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 580 ZPO, Rn. 11).

    27

    Der Antragsteller hat durch wissentlich unwahre Parteibehauptung einen Verfahrensbetrug begangen, indem er wahrheitswidrig angab, seine Lebensgefährtin gehe keiner Erwerbstätigkeit nach, und eine Bestätigung ihres Arbeitgebers über die Verlängerung der Elternzeit vorlegte, obwohl sie tatsächlich an zwei Wochentagen arbeitet und monatlich zwischen 1.400,- € und 1.600,- € netto erzielt.

    28

    Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsteller nicht das Gericht, sondern die Antragsgegnerin täuschte und sie zur Abgabe einer Verfahrenserklärung veranlasste. Neben dem Prozessbetrug im engeren Sinne, der Betrugshandlungen im Prozessverkehr durch Täuschung des Gerichts betrifft, kann ein Betrug auch durch unmittelbare Täuschung des Prozessgegners oder der für ihn handelnden Personen begangen werden, etwa indem der Gegner infolge der Täuschung zu einer Klagerücknahme, einem Anerkenntnis (§ 307 ZPO) oder zum Abschluss eines für ihn nachteiligen Prozessvergleichs veranlasst wird (Perron in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Auflage 2014 § 263 Rn. 70). Es handelt sich nicht um einen Verfahrensbetrug im engeren Sinn, aber um einen Verfahrensbetrug.

    29

    Die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Betruges gemäß § 263 StGB sind erfüllt. Der Antragsteller täuschte über das Einkommen seiner ihm gegenüber gemäß § 1615l BGB unterhaltsberechtigten Lebensgefährtin, indem er wahrheitswidrig angab, dass sie keiner Erwerbstätigkeit nachgehe. Durch diese Täuschung erweckte der Antragsteller einen Irrtum bei der Antragsgegnerin über einzelne Berechnungsbestandteile des Trennungsunterhalts (Bedarf der Antragsgegnerin, Leistungsfähigkeit des Antragstellers) und veranlasste die Antragsgegnerin zu einer Vermögensverfügung, indem sie ein Teilanerkenntnis abgab. Damit verursachte der Antragsteller einen Vermögensschaden bei der Antragsgegnerin, die fortan einen geringeren Trennungsunterhalt erhält. Dem steht nicht entgegen, dass die Höhe des der Antragsgegnerin zustehenden Trennungsunterhaltsanspruch bislang noch nicht feststeht und diese möglicherweise tatsächlich keinen über 540,- € hinausgehenden Anspruch gegen den Antragsteller hat. Eine dem Vermögensschaden gleichstehende Gefährdung ist danach z.B. beim Erlass eines (auch vorläufig) vollstreckbaren Urteils oder eines Vollstreckungsbescheides anzunehmen (Perron in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Auflage 2014 § 263 Rn. 144). Der Erlass des den bestehenden Unterhaltstitel reduzierenden Anerkenntnisbeschlusses stellt als Gefährdung bereits den Vermögensschaden dar, unabhängig von der Frage, in welcher Höhe tatsächlich ein Unterhaltsanspruch besteht.

    30

    Der Antragsteller handelte vorsätzlich. Ihm war bekannt, dass seine Lebensgefährtin über Erwerbseinkommen verfügt.

    31

    Dem Vorsatz des Antragstellers steht nicht entgegen, dass er der Auffassung ist, die Antragsgegnerin habe gegen ihn keinen über monatlich 540,- € hinausgehenden Anspruch auf Trennungsunterhalt. Die Partei, die einen unwahren Sachverhalt vorträgt oder ein falsches Beweismittel vorlegt, um einen nach ihrer Überzeugung begründeten Anspruch durchzusetzen, der aber durch Beweisschwierigkeiten gefährdet ist, begeht mangels Vorsatzes keinen Prozessbetrug (Perron in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Auflage 2014 § 263 Rn. 75). Der Antragsteller handelte nicht aus Beweisschwierigkeiten, sondern beantwortete eine Rechtsfrage eigenständig und im übrigen unzutreffend. Es entspricht nicht der materiellen Rechtslage, dass das Einkommen seiner Lebensgefährtin jedenfalls in voller Höhe anrechnungsfrei verbleibt, selbst wenn es aus überobligatorischer Tätigkeit stammt.

    32

    Dem Antragsteller war darüber hinaus bewusst, dass die Höhe des Einkommens seiner Lebensgefährtin Einfluss auf den Anspruch auf Trennungsunterhalt der Antragsgegnerin gegen ihn hat. Denn zum einen war in den Grundlagen des zwischen den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 10.8.2016 angedachten, aber nicht abgeschlossenen Vergleichs explizit aufgenommen worden, dass die Lebensgefährtin des Antragstellers kein Elterngeld mehr bezieht und keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Zum anderen ergibt sich aus dem abzuändernden Titel vom 26.2.2015, dass der durch den Antragsteller zu deckende offene Bedarf der Lebensgefährtin Einfluss auf den Bedarf der Antragstellerin für ihren Anspruch auf Trennungsunterhalt hat.

    33

    Der Antragsteller handelte mit Bereicherungsabsicht und rechtswidrig. Auch das Behalten einer Leistung, zu deren Hingabe man verpflichtet ist, ist ein rechtswidriger Vorteil, und zwar selbst dann, wenn die Verpflichtung gegenüber einem Dritten besteht (Perron in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Auflage 2014 § 263 Rn. 167). Die auf der Irrtumserregung beruhende Vermögensverschiebung muss auch von der Seite des Begünstigten aus der materiellen Rechtslage widersprechen und der Täter eine solche Vermögensverschiebung erstreben (Perron in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Auflage 2014 § 263 Rn. 171). Es ist unerheblich, ob die Antragsgegnerin tatsächlich keinen höheren Anspruch auf Trennungsunterhalt als in Höhe von 540,- € gegen den Antragsteller hat. Denn zu dem Zeitpunkt, zu dem die Antragsgegnerin das Anerkenntnis abgab, war die materielle Rechtslage mangels ausreichendem Sachvortrag insbesondere des Antragstellers zu den Abänderungsgründen des bestehenden Titels gemäß § 238 FamFG noch nicht geklärt; der Antragsteller hat bislang noch nicht einmal die Grundlagen der abzuändernden Entscheidung dargetan. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt bestand kein Anspruch des Antragstellers auf Reduzierung des bestehenden Unterhaltstitels. Die durch das Anerkenntnis verursachte Vermögensgefährdung war jedenfalls rechtswidrig.

    34

    Der von dem Antragsteller begangene Betrug ist vollendet. Der Betrug ist vollendet, wenn der Vermögensschaden eingetreten ist; nicht erforderlich ist, dass auch der angestrebte Vermögensvorteil erlangt wird. Notwendig ist daher, dass eine auf Verfügung gerichtete Handlung die Vermögensschädigung herbeigeführt hat, nicht dagegen, dass diese ihr Ziel tatsächlich erreicht (Perron in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Auflage 2014 § 263 Rn. 178). Mit dem Erlass des Teilanerkenntnisbeschluss ist der Betrug des Antragstellers vollendet.

    35

    b)

    36

    Der Widerruf eines Anerkenntnisses setzt grundsätzlich eine rechtskräftige Verurteilung oder ein Verfahrenshindernis im Sinne des § 581 Abs. 1 ZPO voraus.

    37

    Streitig ist, ob eine rechtskräftige Verurteilung auch bereits vorliegen muss, wenn der Widerruf des Anerkenntnisses wegen eines Restitutionsgrundes nach § 580 ZPO im Berufungsverfahren gegen das – nicht rechtskräftige – Anerkenntnisurteils erfolgt.

    38

    aa)

    39

    Zum einen wird die Auffassung vertreten, dass die Vorschrift des § 581 ZPO nicht nur der Erhebung einer Restitutionsklage, sondern auch jeder Berücksichtigung des Restitutionsgrundes im Revisionsverfahren entgegensteht, solange ein Strafverfahren noch möglich, aber nicht bis zum rechtskräftigen Urteil durchgeführt ist (BGH, Urteil vom 3.4.1952 – III ZR 32/51 –, BGHZ 5, 299-302, Rn. 22). Der auf den Vorwurf des versuchten Prozessbetrugs gestützte Widerruf ist nur wirksam, wenn die Voraussetzungen des § 581 ZPO erfüllt sind; zur Herbeiführung dieser Voraussetzungen ist der Rechtsstreit auszusetzen (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 15.12.1998 – L 13 RA 738/96). § 581 ZPO gilt auch dann, wenn der Restitutionsgrund im noch anhängigen Prozess geltend gemacht werden soll (LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.02.1978 - 10 Sa 53/76 - BB 1978, 815). Begründet wird diese Meinung im wesentlichen mit Belangen der Rechtssicherheit und der Ordnungsfunktion des Rechts, die die Angriffe im Restitutionsverfahren nur im engen Rahmen und unter Einhaltung der Vorschriften der §§ 578 ff. ZPO zulassen.

    40

    Ein Strafverfahren gegen den Antragsteller wurde bislang nicht (rechtskräftig) abgeschlossen. Damit kann die Antragsgegnerin nach dieser Auffassung derzeit ihr Anerkenntnis nicht wirksam widerrufen. Das vorliegende Verfahren ist bis zum Abschluss des Strafverfahrens auszusetzen.

    41

    bb)

    42

    Zum anderen wird die Auffassung vertreten, dass der Widerruf im anhängigen Rechtsstreit geltend gemacht werden kann, auch wenn noch keine strafrechtliche Verurteilung des Täters erfolgt ist. Bei seiner Entscheidung, ob die Voraussetzungen für eine Restitutionsklage gemäß § 580 ZPO vorliegen, ist der Zivilrichter nicht an das Ergebnis eines Strafverfahrens gebunden. Zu diesem Ergebnis kommt auch der BGH (Urteil vom 22.9.1982 – IVb ZR 576/80 – FamRZ 1982, 1202) im Falle einer Restitutionsklage. Kann danach das Zivilgericht eigenständig beurteilen, ob strafbares Verhalten des Täters vorliegt, so spricht nichts dafür, diese Prüfung im noch anhängigen Verfahren nach Widerruf der Berufungsrücknahme mangels eines rechtskräftigen Strafurteils zu versagen. Denn an dieses wäre das Gericht ohnehin nicht gebunden (OLG Dresden, Urteil vom 29. 8.2001 – 11 U 1473/00BeckRS 2001, 17439).

    43

    Nach dieser Auffassung hat der Senat unabhängig von einer strafrechtlichen Verurteilung des Antragstellers zu prüfen, ob ein Restitutionsgrund des § 580 ZPO vorliegt. Die Wirksamkeit des Anerkenntniswiderrufs wird nicht durch die Voraussetzung des § 581 ZPO gehindert.

    44

    cc)

    45

    Der Senat schließt sich der zuletzt genannten Auffassung an. Eine Aussetzung des Verfahrens bis zum Abschluss eines Strafverfahrens wäre umständlich und zeitaufwendig. Dies widerspricht im vorliegenden Fall, in dem um laufenden Unterhalt gestritten wird, dem Grundsatz, dass Unterhaltsansprüche zeitnah zu realisieren sind, da sie der Deckung des laufenden Lebensbedarfs dienen. Bei einem Widerruf des Anerkenntnisses im laufenden Verfahren steht die Durchbrechung der Rechtskraft nicht entgegen, da der Anerkenntnisbeschluss ohnehin nicht rechtskräftig ist.

    46

    3.

    47

    Da die Antragsgegnerin ihr Anerkenntnis vom 10.8.2016 wirksam widerrufen hat, ist das Verfahren analog §§ 117 Abs. 1 FamFG, 538 Abs. 2 Nr. 6 ZPO zurückzuverweisen (vgl. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 31. Aufl. 2016, § 307 ZPO, Rn. 11). Den erforderlichen Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung hat die Antragsgegnerin mit ihrer Beschwerde gestellt.

    48

    4.

    49

    Die Zulassung der Rechtsbeschwerde beruht auf § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und 2 FamFG.

    50

    Rechtsbehelfsbelehrung:

    51

    Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde statthaft. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind. Die Rechtsbeschwerde ist binnen einer Frist von einem Monat nach der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses durch Einreichen einer Beschwerdeschrift bei dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe, Herrenstr. 45a, 76133 Karlsruhe einzulegen und muss durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt unterschrieben sein. Dem Anwaltszwang unterliegen nicht Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse sowie Beteiligte, die durch das Jugendamt als Beistand vertreten sind. Wegen der weiteren Details wird auf § 10 Abs. 4 Satz 2 FamFG Bezug genommen.Die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde beträgt ebenfalls einen Monat und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses.Die weiteren Einzelheiten zu den zwingenden Förmlichkeiten und Fristen von Rechtsbeschwerdeschrift und Begründung ergeben sich aus §§ 71 und 72 FamFG.

    RechtsgebietZPOVorschriftenZPO §§ 580 Nr. 4, 581