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  • 23.02.2017 · IWW-Abrufnummer 192101

    Landessozialgericht Baden-Württemberg: Urteil vom 14.01.2017 – L 13 R 923/16

    Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


    LSG Baden-Württemberg

    24.01.2017

    L 13 R 923/16

    Tenor:

    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Januar 2016 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

    Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

    Tatbestand

    Die Klägerin wendet sich gegen eine rückwirkende Aufhebung der Bewilligung einer Witwenrente und ihre Verpflichtung, insoweit erbrachte Rentenleistungen teilweise zurückzuzahlen.

    Die 1943 geborene Klägerin bezog aus der Versicherung ihres 1940 geborenen und 1996 verstorbenen früheren Ehemannes J. H. (J.H.), mit dem sie ab 1960 verheiratet gewesen war, nach dessen Tod ab 1. April 1996 Witwenrente, ab 1. August 1996 mit einem monatlichen Betrag von 1.043,07 DM (Bescheid vom 3. Juli 1996, u.a. mit den Hinweisen: "Die Rente fällt mit Ablauf des Monats der Wiederheirat weg.

    Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns die Wiederheirat unverzüglich mitzuteilen ... Soweit Änderungen Einfluss auf den Rentenanspruch oder die Rentenhöhe haben, werden wir den Bescheid - auch rückwirkend - ganz oder teilweise aufheben und zu Unrecht erbrachte Leistungen zurückfordern."). Außerdem bezieht die Klägerin seit 1996 eine Erwerbsminderungsrente aus eigener Versicherung.
    Ab 1998 wohnte die Klägerin mit dem 1943 geborenen und 2014 verstorbenen H. B. (H.B.), mit dem sie eine partnerschaftliche Beziehung aufgenommen hatte, in einem gemeinsamen Haushalt zusammen. Man hatte getrennte Konten. H.B., der von Beruf Kraftfahrer gewesen war, bezog - nach Angaben der Klägerin schon vor dem Jahr 2003 - Rente und verfügte über Vermögen in Form von Aktien. Die Klägerin hatte als Stenokontoristin in einer amerikanischen Kaserne gearbeitet.

    Nachdem H.B. der Klägerin zu Weihnachten zwei Tickets für eine Reise in die USA nach Las Vegas/Nevada geschenkt hatte, traten beide im April 2003 diese Reise an. Man flog zunächst nach Las Vegas und reiste dann mit einem vor Ort angemieteten Wohnmobil weiter nach Norden bis Seattle, von wo man zurück nach Deutschland flog. In Las Vegas kaufte H.B. für sich und die Klägerin Country-Kleidung. Zwei Tage nach ihrer Ankunft suchten die Klägerin und H.B. dann die Candlelight Wedding Chaple auf. Dort wurden ihre Daten für die Heiratslizenz und eine Trauungszeremonie von einem deutsch sprechenden Bediensteten aufgenommen. Beide mussten ihre Pässe vorlegen und wurden befragt, ob sie verheiratet seien. Die Klägerin hatte auch die Sterbeurkunde von J.H. dabei. Im Zuge dessen war auch eine Gebühr (gemäß den Angaben der Klägerin von "weniger als 100 Dollar") zu entrichten. Nach Angaben der Klägerin erklärte der die Daten aufnehmende Bedienstete, die Ehe sei nicht wirksam, wenn dies nicht beim Standesamt in Stuttgart beantragt würde. Im April 2003 erfolgte dann in der Candlelight Wedding Chaple, Las Vegas eine Trauungszeremonie in englischer Sprache durch Pastor J. F. in Anwesenheit des Bediensteten, der die Formalien aufgenommen hatte, als Trauzeuge (vgl. Marriage Certificate No xxx des Staates Nevada vom xxx 2003 in den Akten der Beklagten). Bei der Zeremonie tauschten die Klägerin und H.B. die mitgeführten Eheringe aus ihren früheren Ehen. Nach der Rückkehr nach Deutschland feierten die Klägerin und H.B. aus Anlass ihres 60. Geburtstages, wobei auch die Hochzeit mitgefeiert wurde.

    Gegenüber der Familie sowie Freunden und Bekannten erklärten beide, die Ehe sei nicht gültig.

    Der Beklagten teilte die Klägerin die Heirat in Las Vegas nicht mit.

    Nachdem die Klägerin auf den Tod des H.B. von einem Notar die Mitteilung erhielt, sie komme als Erbin des H.B. in Betracht, wandte sie sich am 25. Juni 2014 erstmals persönlich an die Beklagte und erklärte, sie und H.B. hätten im April 2003 in Las Vegas geheiratet. Man habe ihnen damals erklärt, die Eheschließung werde in Deutschland nicht anerkannt, die Anerkennung müsse beim Standesamt erst beantragt werden. Einen solchen Antrag habe man jedoch nie gestellt. Wie sie vom Notar erfahren habe, werde die Eheschließung in Deutschland auch ohne Eintragung beim Standesamt anerkannt. Sie stelle - wenn dies auch für die Rentenversicherung gelte - einen formlosen Antrag auf Witwenrente zur Versicherungsnummer (VN) xxx (VN des H.B. bei der Deutschen Rentenversicherung Bayern Süd) "sowie nach dem vorletzten Ehegatten zu o.g. Versicherungsnummer" (xxx, VN des J.H.). Die Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd hat der Klägerin inzwischen aus der Versicherung des H.B. eine große Witwenrente mit einem monatlichen Zahlbetrag von 657,35 EUR für die Zeit ab 1. Juni 2014 bewilligt (Bescheid vom 27. April 2016).

    Die Beklagte hörte die Klägerin mit Schreiben vom 8. Juli 2014 an. Auf Witwenrente bestehe ein Anspruch, wenn die Witwe nicht wieder geheiratet habe, worauf die Klägerin bereits im Bescheid vom 3. Juli 1996 ebenso wie auf die Verpflichtung, eine Wiederheirat umgehend mitzuteilen, hingewiesen worden sei. Wie die Klägerin mitgeteilt habe, habe sie im April 2003 in Las Vegas wieder geheiratet, sodass ab 1. Mai 2003 kein Anspruch auf Gewährung einer Witwenrente nach J.H. mehr bestehe. Es sei beabsichtigt, die Bewilligung der Witwenrente mit Wirkung ab 1. Mai 2003 aufzuheben und von die bis 31. Juli 2014 entstandenen Überzahlung in Höhe von 86.811,75 EUR unter Berücksichtigung einer Witwenrentenabfindung in Höhe von 16.209,12 EUR, die bei Wiederheirat zugestanden hätte, zurückzufordern, womit sich der Rückzahlungsbetrag auf 70.602,63 EUR vermindere.

    Mit Schreiben vom 18. Juli 2014 wandte die Klägerin ein, H.B. und ihr sei anlässlich der Eheschließung bekannt und bewusst gewesen, dass diese in Deutschland nicht rechtsgültig sei, solange die Heiratsurkunde nicht in Form einer beglaubigten Kopie und einer die Echtheit der Urkunde bestätigenden Apostille dem Standesamt in Deutschland vorgelegt werde. Hierauf sei sie anlässlich der Zeremonie in Las Vegas mehrfach hingewiesen worden. Beide hätten die Eheschließung als nicht ernst zu nehmende Heirat betrachtet und seien davon ausgegangen, nicht wirksam verheiratet zu sein. Eine "Ratifizierung" der Heirat durch deutsche Behörden sei nie angedacht gewesen.

    Infolgedessen sei man gegenüber deutschen Behörden auch nie als Ehepaar aufgetreten. Für den beabsichtigten Rückforderungsbescheid bestehe insofern kein Raum. Im Übrigen sei ihr auch im Jahr 2003 der Wortlaut des Bescheids vom 3. Juli 1996 nicht mehr gegenwärtig gewesen. Da sie immer von der Unwirksamkeit der Eheschließung ausgegangen sei, sei ihr die Nichtanzeige nicht vorwerfbar.

    Mit Bescheid vom 11. August 2014 hob die Beklagte - gestützt auf § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i. V. m. § 46 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) - den Bescheid vom 3. Juli 1996 ab 1. Mai 2003 in vollem Umfang auf. Die Klägerin habe unter Berücksichtigung von Art. 11 Abs. 1 Satz 2 (richtig: Alt. 2) Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch a.F. (EGBGB a.F.) im April 2003 eine nach dem Recht des Staates Nevada - bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen (erforderliches Alter, nicht verheiratet) - gültige und auch nach deutschem Recht wirksame Ehe geschlossen. Eine beglaubigte Kopie oder Apostille sei hierfür nicht Voraussetzung. Diese sei nur erforderlich, um in Deutschland die durch die Eheschließung erlangten Rechte wahrnehmen zu können. Die Registrierung einer im Ausland wirksam geschlossenen Ehe in Deutschland sei nach deutschem Recht nicht vorgeschrieben. Auch wenn es anhand der deutschen Personenregister nicht feststellbar sei, sei es somit möglich, wirksam verheiratet zu sein. Auf Grund des Bescheids vom 3. Juli 1996 habe die Klägerin auch gewusst oder wissen können, dass eine Eheschließung Einfluss auf die Gewährung der Witwenrente habe und es ihre Pflicht gewesen sei, sie dem Rentenversicherungsträger anzuzeigen, damit er den Sachverhalt prüfen könne. Dieser Mitteilungspflicht sei die Klägerin zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Eine wirksame Rechtsauskunft das deutsche Recht betreffend, könne der Klägerin in den USA nicht erteilt werden. Die Voraussetzungen für eine rückwirkende Aufhebung des Bescheids vom 3. Juli 1996 ab 1. Mai 2003 seien somit erfüllt. Für die Zeit vom 1. Mai 2003 bis 31. Juli 2014 sei eine Rentenüberzahlung in Höhe von insgesamt 86.811,75 EUR entstanden, die um den Betrag der Witwenrentenabfindung von 16.209,12 EUR auf 70.602,63 EUR vermindert werde. Dieser Betrag sei an die Beklagte zu überweisen. Mit ihrem am 1. September 2014 erhobenen Widerspruch machte die Klägerin neben Verweis auf ihr bisheriges Vorbringen geltend, ihr könne kein Verhalten vorgeworfen werden, das den Rückforderungsbescheid begründe und rechtfertige. Eine Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße oder gar ein vorsätzliches Verhalten habe nicht vorgelegen. Hierauf wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 3. Dezember 2014 als unbegründet zurück. Wegen der Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid verwiesen.

    Deswegen hat die Klägerin am 22. Dezember 2014 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben und u.a. geltend gemacht, die Heirat sei nach deutschem Recht nicht wirksam. Art.11 Abs. 1 EGBGB regle allein die Formgültigkeit eines Rechtsgeschäfts und nicht die materielle Wirksamkeit. Die Eheschließung hätte, um in Deutschland wirksam zu sein, hier bekannt und als rechtswirksam festgestellt sein müssen.

    Hieran fehle es. Selbst wenn von einer rechtswirksamen Eheschließung auszugehen wäre, lägen die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Rentenbescheids für die Vergangenheit nicht vor. Ihr könne eine Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße gerade nicht vorgeworfen werden. Der Beklagten möge zwar zugestanden werden, dass ihr auf Grund des Hinweises im Rentenbescheid hätte bewusst sein müssen, dass eine neue Eheschließung der Beklagten mitzuteilen war. Man habe sich in Las Vegas spontan entschlossen zu heiraten. Da sie und H.B. jedoch nie eine tatsächlich wirksame Ehe hätten eingehen wollen und sie in Las Vegas darauf hingewiesen worden seien, dass die Ehe in Deutschland nicht wirksam sei und keine Folgen habe, habe sie nach wie vor von ihrem Witwenstatus ausgehen dürfen. Es hätte ihr nicht bewusst gewesen sein müssen, dass eine Rechtsauskunft einer amerikanischen Behörde nach deutschem Recht nicht bindend sei. Eine Verpflichtung zur Anzeige eines unwirksamen und damit zumindest für einen juristischen Laien nicht rechtsgültigen Rechtsgeschäfts sei für sie nicht erkennbar gewesen. Hierzu hat die Klägerin eine gemeinsame schriftliche Stellungnahme der Kinder des H.B., T. B. und S. B., vorgelegt, in der ausgeführt ist, die Klägerin und H.B. hätten ihnen gegenüber mehrfach erzählt und erklärt, die in Las Vegas durchgeführte Heirat sei in Deutschland nicht gültig, solange diese Trauung hier nicht eingetragen werde, worüber sie von einem Standesbeamten in Amerika vor Ort informiert worden seien. Sie hätten auf Grund dieser Angaben die Trauung durchgeführt, denn beide hätten nach eigener Aussage nie vorgehabt, in Deutschland wieder zu heiraten.

    Mit Urteil vom 14. Januar 2016 hat das SG den angefochtenen Bescheid und Widerspruchsbescheid insoweit aufgehoben, als darin die Aufhebung des Bescheids vom 3. Juli 1996 für die Zeit vom 1. Mai 2003 bis 31. Juli 2014 sowie "die Erstattung der Witwenrente in Höhe von 86.811,75 EUR bestimmt" war. Bezüglich der Aufhebung ab 1. August 2014 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid und der Widerspruchsbescheid seien hinsichtlich der Aufhebung des Rentenbescheids für die Zukunft formell und materiell rechtmäßig. Insbesondere sei die Klägerin vor Erlass der Aufhebungsentscheidung, die auch hinreichend bestimmt sei, gehört worden. Insoweit sei die Beklagte zur Aufhebung für die Zukunft berechtigt gewesen, da der Anspruch auf Witwenrente mit der Wiederheirat im April 2003 ab 1. Mai 2003 entfallen sei. Die im April 2003 in Las Vegas geschlossene Ehe sei auch in Deutschland wirksam, insbesondere habe es einer weiteren Registrierung oder Beglaubigung in Deutschland nicht bedurft. Die - im Einzelnen dargelegten - Voraussetzungen für eine wirksame Eheschließung seien erfüllt. Die Wirksamkeit der Form der Eheschließung beurteile sich, mangels vorrangiger Staatsverträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB a.F. Nach dieser Bestimmung sei ein Rechtsgeschäft formgültig, wenn es die Formerfordernisse des Rechts, das auf seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden sei oder das Recht des Staates erfülle, indem es vorgenommen werde. Eine in Las Vegas, Nevada nach den dort geltenden Formvorschriften geschlossene Ehe werde daher auch in Deutschland als formwirksam anerkannt. Vorliegend ergäben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die formellen Voraussetzungen für die Eheschließung in Las Vegas, Nevada nicht erfüllt gewesen seien. Die in Las Vegas in sogenannten Wedding Chaples durchgeführten Eheschließungen würden von amerikanischen Staatsbürgern wie auch von Touristen als ernsthafte, rechtswirksame Eheschließungen betrachtet und durchgeführt. Dass im Falle der Klägerin kein "Schauspiel" stattgefunden habe, werde durch den Inhalt der Heiratsurkunde bestätigt. Es bestünden keine Zweifel, dass die formellen Eheschließungsvoraussetzungen des Staates Nevada eingehalten worden seien. Eine Aufnahme der Ehe in das deutsche Eheregister sei für deren Wirksamkeit in Deutschland nicht Voraussetzung. Es existiere auch keine Rechtsnorm, die für die Wirksamkeit der im Ausland geschlossenen Ehe eine Art "Ratifizierung" oder Anerkennung erfordere. Die Wiederheirat der Klägerin im April 2003 sei somit auch in Deutschland wirksam und führe zum Wegfall des Anspruchs auf Witwenrente. Die Beklagte habe damit zu Recht die Bewilligung der Rente mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben. Die Beklagte sei jedoch nicht berechtigt gewesen, den Bescheid vom 3. Juli 1996 auch mit Wirkung für die Vergangenheit, also vom 1. Mai 2003 bis 31. Juli 2014, aufzuheben und die Erstattung von 86.811,75 EUR zu verlangen. Der Bescheid und der Widerspruchsbescheid seien insofern zwar formell nicht zu beanstanden, doch lägen die Voraussetzungen des § 48 Abs.1 Satz 2 Nr. 2 SGB X für eine Rücknahme für die Vergangenheit nicht vor. Hinsichtlich des die Gewährung von Rente bewilligenden Dauerverwaltungsaktes vom 3. Juli 1996 sei nach dessen Erlass eine wesentliche Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen eingetreten, da der Anspruch auf Witwenrente entfallen sei, und die Klägerin habe auch ihre gesetzlich vorgeschriebene Mitteilungspflicht verletzt habe, indem sie die Beklagte erst am 25. Juni 2014 und nicht unverzüglich über die Wiederheirat in Las Vegas in Kenntnis gesetzt habe. Allerdings habe die Klägerin ihre Mitteilungspflicht nicht grob fahrlässig verletzt. Nach § 45 Abs. 2 Nr. 2 SGB X handle grob fahrlässig, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletze.

    Der Betroffene müsse daher schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet haben, was im gegebenen Fall jedem einleuchten müsse. Hierbei sei auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und das Verhalten des Betroffenen sowie die besonderen Umstände des Falles abzustellen. Der Bescheid vom 3. Juli 1996 habe den Hinweis enthalten, dass die Rente mit Ablauf des Monats der Wiederheirat wegfalle und daher die gesetzliche Verpflichtung bestehe, der Rentenversicherung die Wiederheirat unverzüglich mitzuteilen. Die Klägerin habe daher gewusst oder hätte wissen müssen, dass eine Wiederheirat zum Wegfall ihres Anspruchs auf Witwenrente führt und sie daher verpflichtet sei, eine solche anzuzeigen. Dieser Hinweis sei in einfacher Sprache gehalten und damit für jeden verständlich. Es müsse auch einem juristischen Laien einleuchten, dass eine erneute Heirat mit dem Bezug einer Witwenrente nicht vereinbar sei. Dies gelte auch für die Klägerin oder des persönlichen Eindrucks, den die Kammer von ihr gewonnen habe.

    Allerdings genüge dies für die Bejahung einer groben Fahrlässigkeit noch nicht. Vielmehr müsse auch darauf abgestellt werden, ob der Klägerin habe einleuchten müssen, dass auch eine erneute Heirat in Las Vegas zu einem Wegfall des Anspruchs auf Witwenrente führe. Es komme darauf an, ob die Klägerin grob fahrlässig verkannt habe, dass die in Las Vegas geschlossene Ehe in Deutschland wirksam war und damit zum Wegfall des Anspruchs auf Witwenrente führte. Nach dem persönlichen Eindruck der Kammer von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung sei dies nicht der Fall. Die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung glaubhaft geschildert, dass sie und H.B. davon ausgegangen seien, dass die in Las Vegas geschlossene Ehe in Deutschland keine Wirksamkeit habe. Hierfür spreche auch, dass die Klägerin und H.B. die Eheschließung gegenüber Freunden und Bekannten und Verwandten "offen kommuniziert" hätten, was nicht der Fall gewesen wäre, wenn sie ernsthafte Überlegungen gehabt hätten, die Ehe könnte in Deutschland wirksam sein. Denn dann hätten sie diese wohl eher verschwiegen, um die Witwenrente nicht zu gefährden. Auch habe die Klägerin weiter nachvollziehbar und widerspruchsfrei angegeben, dass die Eheschließung nur als Urlaubsspaß angesehen worden sei. Dies ergebe sich aus den glaubhaften Angaben, die Heirat sei erst spontan in Las Vegas beschlossen worden und vor Antritt des Urlaubs nicht beabsichtigt gewesen sowie aus der Tatsache, dass die Trauung in Country-Kleidung erfolgt sei, was "gegen den Glauben an ein ernsthaftes Rechtsgeschäft" spreche. Ferner folge dies auch daraus, dass nach Angaben der Klägerin aus dem von der Klägerin H.B. beim Jawort "Ja oder Yes, was Sie wollen!" ausgerufen und damit gezeigt habe, dass beide den wahren Rechtscharakter der Heirat verkannt hätten. Ferner sei der Klägerin nach ihren glaubhaften Angaben bei der Anmeldung der Heirat mitgeteilt worden, dass die Ehe in Deutschland keine Wirksamkeit habe. Auch wenn ihr in den USA keine wirksame Auskunft das deutsche Recht betreffend habe erteilt werden können, sei zu ihren Gunsten zu berücksichtigen, dass "ihr diese Auskunft in deutscher Sprache erteilt" und ihr dadurch ein "seriöser und wahrheitsgemäßer Charakter verliehen" worden sei. Es sei verständlich, dass man einem deutsch Sprechenden unterstelle, eine zutreffende Auskunft, das deutsche Recht betreffend, zu erteilen, "da er die deutsche Sprache beherrsche und folglich mit den deutschen Gepflogenheiten vertraut zu sein scheine". Nach alledem hätte es der Klägerin unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit nicht einleuchten müssen, dass die in Las Vegas geschlossene Ehe auch in Deutschland wirksam sei. Es könne ihr auch nicht vorgeworfen werden, dass sie grob fahrlässig in Deutschland keinen weiteren Rechtsrat eingeholt habe. Insofern möge einfache Fahrlässigkeit vorgelegen haben, jedoch keine grobe Fahrlässigkeit, also die Verletzung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil verwiesen.

    Gegen das der Beklagten am 15. Februar 2016 zugestellte Urteil hat diese am 9. März 2016 Berufung eingelegt.

    Die Beklagte macht im Wesentlichen geltend, die Aufhebung der Bewilligung der Witwenrente sei auch für den Zeitraum vom 1. Mai 2003 bis 31. Juli 2014 zu Recht erfolgt und die Klägerin sei auch zur Erstattung des zurückgeforderten Betrages verpflichtet. Sie habe ihre gesetzliche Mitteilungspflicht verletzt, indem sie die Rentenversicherung erstmals am 25. Juni 2014 über die Wiederheirat im April 2003 in Las Vegas in Kenntnis gesetzt habe. Diese Verpflichtung habe die Klägerin auch grob fahrlässig verletzt und infolgedessen die Witwenrente unberechtigt bezogen. Nach ihrer Heirat hätte die Klägerin - auch unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit sowie ihres Eigenvermögens und Verhaltens und der besonderen Umstände des Falles - wissen müssen bzw. einfachste naheliegende Überlegungen nicht angestellt und damit auch nicht beachtet, was jedem hätte einleuchten müssen, nämlich dass die Eheschließung durchaus in Deutschland auch Konsequenzen habe. Sie habe gewusst bzw. hätte wissen müssen, dass eine Wiederheirat zum Wegfall des Anspruchs auf Witwenrente führt und sie daher zur Anzeige verpflichtet sei. Den Adressaten eines Bewilligungsbescheids treffe grundsätzlich die Obliegenheit, diesen zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen. Es sei auch nicht nachvollziehbar, dass der Klägerin nie Zweifel hinsichtlich ihrer Heirat und der Gültigkeit der Ehe gekommen sein sollten und spätestens dann hätte sie die Pflicht gehabt, den Zweifeln nachzugehen.

    Soweit das SG nach dem persönlichen Eindruck von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertrete, diese habe nicht grob fahrlässig verkannt, dass die Ehe wirksam sei und zum Wegfall des Anspruchs auf Witwenrente geführt habe, sei dem nicht zu folgen.

    Zum einen handle es sich um eine reine Momentaufnahme Jahre nach dem betreffenden Ereignis und zum anderen um reine Spekulation, da es sich bei den Angaben lediglich um Behauptungen der Klägerin handle. Dass sie und ihr Ehemann die Eheschließung gegenüber Freunden, Bekannten und Verwandten offen kommuniziert hätten, stehe grober Fahrlässigkeit nicht entgegen. Soweit das SG den Angaben folge, die Klägerin und ihr Ehemann hätten die Eheschließung nur als Urlaubsspaß angesehen und auf den Umstand, dass die Trauung in Country-Kleidung durchgeführt worden sei, verweise, sei dem nicht zu folgen. Auch dem Argument des SG, dass die Klägerin auf die ihnen - nach ihren im Übrigen unbewiesenen Angaben - bei der Anmeldung gegebene Erklärung, die Ehe habe in Deutschland keine Wirksamkeit habe vertrauen dürfen, weil die Auskunft durch einen die deutsche Sprache beherrschenden und somit mit den deutschen Gepflogenheiten vertrauten Bediensteten erteilt worden sei, sei nicht zu folgen und führe hier nicht dazu, dass grobe Fahrlässigkeit zu verneinen wäre.

    Soweit das SG die Auffassung vertrete, die Klägerin habe in Deutschland nicht grob fahrlässig weiteren Rechtsrat eingeholt, sei dem ebenfalls nicht zuzustimmen, da die subjektiven Möglichkeiten der Klägerin durchaus den Schluss zuließen, dass sie, auch wenn sie sich in der Materie der im Ausland geschlossenen Ehe tatsächlich nicht ausgekannt habe, trotzdem grob fahrlässig gehandelt habe, weil sie einfache Überlegungen nicht angestellt habe. Ferner habe die Klägerin vor ihrer Heirat mit ihrem verstorbenen zweiten Ehemann bereits zusammengelebt und habe ein Heiratswille dem Grunde nach auch vorgelegen, der nun eben in den USA umgesetzt worden sei. In den Medien, insbesondere in der sogenannten Klatschpresse sei ausreichend dargelegt, dass Heiraten in sogenannten Wedding Chaples Rechtskraft entfalteten, was durchaus auch in diversen Filmen bzw. auch in Reiseberichten oder Reiseführern über die USA dargestellt sei. Es könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine Amerikareise ohne eine entsprechende Vorbereitung und Vorabinformationen durchgeführt werde und es sei sehr unwahrscheinlich, dass man nicht über die Möglichkeit des Heiratens in Las Vegas und die Anerkennung in Deutschland durch einen Reiseführer oder entsprechende Literatur aufmerksam geworden sei. Heiraten in den USA sei auch nicht ganz so einfach. Heiratswillige müssten zunächst im Marriage-Büro eine Heiratserlaubnis beantragen und eine erforderliche, nicht geringe Gebühr bezahlen. Zwar reichten für die Erlangung einer Marriagelicence nur Reisepässe aus und müssten keine Scheidungsurteile sowie Geburtsurkunden vorgelegt werden und sei lediglich erforderlich Datum und Ort anzugeben, wo die vorherige Ehe aufgelöst worden sei bzw. das Sterbedatum bei Verwitweten und den Sterbeort. Die eigentliche Eheschließung erfolge entweder durch den Standesbeamten oder eine staatlich befugte Person in einer Hochzeitskapelle oder einem anderen Ort, wobei in beiden Fällen die Anwesenheit eines Trauzeugen erforderlich sei und auch Kosten zu entrichten seien. Soweit die Klägerin erklärt habe, sie spreche nicht perfekt Englisch und ihr Ehemann habe überhaupt kein Englisch gesprochen, führe dies auch zu keinem anderen Ergebnis. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Klägerin ein einfach strukturierter Mensch sei, der einmal schnell im Ausland ohne Konsequenzen für das deutsche Recht heirate bzw. verkannt haben könnte, sich bezüglich der Eheschließung hier kundig machen zu müssen. Man habe zumindest einen Tag vor der Heirat die Heiratserlaubnis in einem offiziellen Büro für Heiratsgenehmigungen beantragt und nach Bezahlung der Gebühr ein Jahr lang gültige Lizenz erhalten. Allein dies zeige, dass es sich nicht um einen bloßen Spaß gehandelt haben könne. Bei einem nicht ernsthaften Rechtsgeschäft würde man wohl kaum einen Pass zum Nachweis der persönlichen Daten vorlegen müssen und wären auch keine Zeugen zum Beurkunden der Heirat erforderlich. Ferner bekäme man wohl dann ebenfalls auch keine offizielle Heiratsbescheinigung mit Siegel des Staates ausgehändigt, in dem man geheiratet habe. Auch als durchschnittlich denkender Mensch mit einem entsprechenden Allgemeinwissen würde man nicht davon ausgehen, dass in einem Heiratsbüro nur Scheintrauungen mit amtlichen Urkunden und entsprechenden Registrierungen bzw. nur Trauungen durchgeführt würden, welche nur für Amerikaner verbindlich seien. Die Kosten der Trauung von lediglich 100,00 Dollar stünden einer offiziellen Heirat ebenfalls nicht entgegen, auch in Deutschland hielten sich die Gebühren für eine Eheschließung in einem moderaten Rahmen und auch hier könnten Trauungen durchaus lediglich 20 bis 30 Minuten dauern. Wie die Klägerin zuletzt eingeräumt habe, habe sie ihrem verstorbenen Ehemann gesagt, wenn sie einmal heirate, dann nur in Las Vegas. Ferner habe sie auch die Sterbeurkunde ihres ersten Ehemannes beim Aufenthalt in Amerika dabei gehabt und seien bei der Trauung Eheringe ausgetauscht worden.

    Schon diese Umstände belegten, dass die Angaben der Klägerin gegenüber dem SG, es habe sich um eine spontane Eheschließung gehandelt, so nicht zutreffen könnten, sondern zielgerichtet im Hinblick auf die Rückforderung erfolgt seien. All dies spreche dafür, dass es der Klägerin hätte einleuchten müssen, dass die Eheschließung durchaus in Deutschland Konsequenzen hatte und sie nach der Eheschließung im Ausland auch hier keine rentenberechtigte Witwe mehr war. Wenn sich die Klägerin nach der Urlaubsrückkehr nicht um die Rechtsfolgen der rechtsgültigen Eheschließung in Deutschland gekümmert habe, sei dies zumindest grob fahrlässig. Nachdem die Klägerin zumindest grob fahrlässig ihre Mitteilungspflicht verletzt habe und dies ursächlich für die Überzahlung der Witwenrente sei, sei die Klägerin auch zur Erstattung verpflichtet. Nach Mitteilung der Deutsche Rentenversicherung Bayern Süd erhalte die Klägerin inzwischen von dieser eine Rente aus der Versicherung des H. B. und sei die Rentennachzahlung am 14. Juni 2016 an die Klägerin ausgezahlt worden.

    Die Beklagte beantragt,

    das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 14. Januar 2016 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

    Die Klägerin beantragt,

    die Berufung zurückzuweisen.

    Das SG habe zutreffend entschieden, dass sie ihre Mitteilungspflichten nicht grob fahrlässig verletzt habe. Sie gehe sie auch nach wie vor davon aus, dass die Heirat mit H. B. nach deutschem Recht nicht wirksam gewesen sei und sie deshalb eine Mitteilungspflicht nicht habe verletzen können. Eine Sorgfaltspflichtverletzung in besonders schwerem Maße könne ihr nicht unterstellt werden. Zwar habe "sich die Zeremonie über zwei Tage" hingezogen, doch sich habe das Prozedere im Marriage-Büro, mit mehreren Schaltern, höchstens 15 bis 20 Minuten gedauert. Die Gesamtkosten hätten sich auf weniger als 100,00 Dollar belaufen und bei dem "Trauzeugen" habe es sich um den Mitarbeiter des Marriage-Büros gehandelt. Über "deutsch-amerikanische Eheschließungen" (gemeint: Heiraten in den USA) habe man während ihrer beruflichen Tätigkeit in der amerikanischen Kaserne nicht gesprochen und sonstige Informationen darüber habe man auch nicht eingeholt. Vor diesem Hintergrund und wegen des erhaltenen Hinweises anlässlich der Zeremonie, dass die Heirat in Deutschland nicht rechtswirksam sei und keine Folgen haben, hätten sie und H. B. sich darauf verlassen können, in Deutschland nicht wirksam verheiratet zu sein. Schließlich hat die Klägerin noch angegeben, es sei schon immer ein Wunsch von ihr gewesen, in die Vereinigten Staaten zu reisen. H. B. habe auch heiraten wollen, sie allerdings nicht. Sie habe dann gesagt, wenn sie einmal heirate, dann nur in Las Vegas. Zu Weihnachten habe ihr H. B. dann als Geschenk zwei Tickets nach Las Vegas gegeben. Reiseführer habe man sich vorher nicht angeschaut. Aus ihrer Sicht sei damals "allgemein bekannt" gewesen, jedenfalls für sie, dass eine in den USA geschlossene Ehe in Deutschland nicht gelte. Noch in Las Vegas habe man diskutiert, ob man eine Hochzeitszeremonie machen sollte. H. B. habe dies unbedingt gewollt, sie "eigentlich nicht". Er habe dann für beide Country-Kleidung gekauft und sie habe sich danach mit der Heirat einverstanden erklärt, wobei man allerdings schon etwas getrunken habe. Nach zwei Tagen sei man zu der Wedding Chaple gegangen. Bei der Anmeldung für die Trauung habe man die Pässe vorlegen müssen. Sie habe auch noch die Sterbeurkunde ihres ersten Ehemannes dabei gehabt, sei aber nur gefragt worden, ob sie verheiratet sei, was sie verneint habe. Bei H. B. sei dies ebenso gewesen. Bei der Trauung habe man auch Eheringe ausgetauscht, nach ihrer Erinnerung die alten Eheringe aus früheren Ehen. Den in Las Vegas getauschten Ring trage sie immer noch, vor der Trauung habe sie ihn nicht getragen, aber immer in einem Seitenfach ihrer Tasche gehabt. Warum sie der Überzeugung gewesen sei, dass die Ehe nicht gelte, könne sie nicht sagen. Dass die Ehe in Nevada gültig sei, habe sie schon angenommen, nicht aber in Deutschland. Ein Mann, der alles aufgenommen habe, habe damals gesagt, dass die Ehe nicht wirksam sei, wenn man dies nicht beim Standesamt in Stuttgart beantrage.

    Auch wenn er dies nicht gesagt hätte, hätte sie ihn nicht gefragt, sie sei aber durch diese Aussage in ihrer Vermutung bestätigt worden.

    Beide seien sie sich sicher gewesen, dass die Ehe in Deutschland nicht gelte. Man habe sich auch keine Gedanken gemacht, welche rechtlichen Konsequenzen es hätte, wenn die Ehe wirksam wäre. Sich rechtlich beraten zu lassen, habe sie ebenfalls keine Veranlassung gesehen. Man habe Freunden und Bekannten immer gesagt, dass die Ehe nicht gültig sei. Nach der Rückkehr habe man ein Fest gemacht, bei dem der 60. Geburtstag und auch diese Hochzeit mitgefeiert worden sei. Auf Frage, warum sie auf H. B. eingeredet habe, nicht zu heiraten, obwohl sie gewusst habe, dass die Heirat nicht gültig sei, hat sie erklärt, sie habe nicht heiraten wollen, weil sie dies ihren Kindern versprochen habe und auch den Namen H. nicht habe aufgeben wollen. H. B. habe zwar heiraten wollen, sie jedoch auf keinen Fall. Als man zurück gewesen sei in Deutschland habe man auch nie über ein Anerkennungsverfahren zur Anerkennung der Ehe in Deutschland gesprochen. Seit Juli 2016 erhalte sie aus der Versicherung des H.B. eine Rente in Höhe von ca. monatlich 645,00 EUR. Bezüglich der Angaben der Klägerin im Einzelnen wird auf die Sitzungsniederschrift des Termins zur Erörterung des Sachverhalts vom 25. Oktober 2016 verwiesen.

    Wegen des weiteren Vorbringens und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

    Entscheidungsgründe

    Die Berufung der Beklagten ist gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig.

    Nachdem lediglich die Beklagte Berufung eingelegt hat, ist vom Senat nur darüber zu entscheiden, ob die Beklagte befugt war, die Bewilligung von Witwenrente für den Zeitraum vom 1. Mai 2003 bis 31. Juli 2014 aufzuheben und die Klägerin zu verpflichten, den Betrag von 70.602,63 EUR zu erstatten.

    Die Berufung der Beklagten ist begründet. Der die Aufhebung der Bewilligung von Witwenrente vom 3. Juli 1996 aufhebende Bescheid vom 11. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2014 sowie die Verfügung, dass die Klägerin einen Betrag von 70.602,63 EUR (86.811,75 EUR abzüglich der seinerzeit zustehenden Witwenrentenabfindung in Höhe von 16.209,12 EUR) zu erstatten hat, ist rechtmäßig.

    Mit Bescheid vom 3. Juli 1996 hat die Beklagte der Klägerin für die Zeit ab 1. April 1996 Witwenrente aus der Versicherung des am 3. November 1940 geborenen und am 31. März 1996 verstorbenen J.H., mit dem die Klägerin seit 11. November 1960 verheiratet gewesen war, bewilligt.

    Rechtsgrundlage für die Aufhebung des die Witwenrente bewilligenden Bescheids vom 3. Juli 1996 ist die Bestimmung des § 48 SGB X.
    Nach § 48 Abs.1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt soll nach § 48 Abs. 1 Satz 2 STGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2) oder der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Nr. 4).

    Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt (§ 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB X). Der Betroffene muss schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet haben, was im gegebenen Falle jedem einleuchten muss (vgl. u.a. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19. Februar 1986, 7 RAr 55/84, in [...]). Es ist auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und das Verhalten des Betroffenen sowie die besonderen Umstände des Falles abzustellen (BSG, Urteil vom 19. Februar 1986 a.a.O. und Urteil vom 16. März 2005, B 11a/11 AL 41/03 R, in [...]).

    Gemessen daran war die Beklagte war berechtigt, den Bescheid vom 3. Juli 1996 auch mit Wirkung für die Vergangenheit, also vom 1. Mai 2003 bis 31. Juli 2014, aufzuheben und die Erstattung des geforderten Betrages von 70.602,63 EUR (86.811,75 EUR abzüglich 16.209,12 EUR, die als Abfindung zu zahlen gewesen wären) zu verlangen.

    Hierzu stellt der Senat zunächst fest, dass es sich bei dem die Gewährung von Witwenrente bewilligenden Bescheid vom 3. Juli 1996 um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt, der rechtmäßig war und, da er nicht angefochten wurde, gemäß § 77 SGG bindend geworden ist. Mit ihm wurde der Klägerin Witwenrente auf unbestimmte Zeit gewährt (Dauerverwaltungsakt). Er war zunächst bei seinem Erlass auch rechtmäßig, da die Klägerin als Witwe des J.H. einen Anspruch auf Rente aus dessen Versicherung gemäß § 46 Abs. 1 SGB VI hatte.

    Eine die Beklagte zur Aufhebung des die Witwenrente bewilligenden Bescheids vom 3. Juli 1996 berechtigende wesentliche Änderung der diesem zu Grund liegenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse ist insofern eingetreten, als die Klägerin im April 2003 H.B. geheiratet hat. Ein Anspruch auf Witwenrente besteht - worauf die Klägerin im Rentenbescheid auch hingewiesen worden ist (wörtlich: "Die Rente fällt mit Ablauf des Monats der Wiederheirat weg. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns die Wiederheirat unverzüglich mitzuteilen ... Soweit Änderungen Einfluss auf den Rentenanspruch oder die Rentenhöhe haben, werden wir den Bescheid - auch rückwirkend - ganz oder teilweise aufheben und zu Unrecht erbrachte Leistungen zurückfordern.") - nur so lange und soweit die Witwe nicht wieder heiratet (§ 46 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Die Wiederheirat setzt ihrerseits das Zustandekommen einer neuen, formgültigen Ehe voraus (BSG SozR 2200 § 1291 Nr. 35). Der Anspruch auf Witwenrente entfällt gemäß § 100 Abs. 3 Satz 1 SGB VI mit dem Beginn des Kalendermonats, zu dessen Beginn der Wegfall wirksam ist, und wird bei der ersten Wiederheirat des Berechtigten abgefunden (§ 107 SGB VI). Damit ist der Anspruch der Klägerin auf Witwenrente ab 1. Mai 2003 weggefallen, da sie im April 2003 H.B. geheiratet hat.

    Die im April 2003 in Las Vegas geschlossene Ehe war und ist - entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung - auch in Deutschland formgültig und wirksam, insbesondere bedurfte es einer weiteren Registrierung oder Beglaubigung in Deutschland nicht. Die sachlichen Voraussetzungen des deutschen Rechts für eine wirksame Eheschließung waren bei der Heirat erfüllt. Die Klägerin und H.B. waren bzw. sind deutsche Staatsangehörige, Ehefähigkeit lag vor und Ehehindernisse oder -verbote bestanden nicht. Beide waren nicht (mehr) verheiratet.

    Es hat auch ein Ehewille vorgelegen. Der (von der Klägerin geltend gemachte) Irrtum, dass der ausländische Eheschließungsakt in Deutschland keine Wirkung zeige, ist im Rahmen des Ehewillens unbeachtlich. Im Übrigen könnte die Beachtlichkeit eines solchen Irrtums lediglich zur Aufhebbarkeit einer Ehe führen, eine Aufhebung ist jedoch nicht erfolgt. Die Wirksamkeit der Form der Eheschließung beurteilt sich im Übrigen, mangels vorrangiger Staatsverträge zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB a.F. Demgegenüber ist Art. 13 Abs. 3 EGBGB in der Fassung vom 21. September 1994 nach seinem Wortlaut nur auf Eheschließungen in Deutschland ("im Inland") anwendbar. Das Formstatut für die Eheschließung im Ausland bestimmt sich nach der allgemein für die Form von Rechtsgeschäften geltenden Vorschrift des Art. 11 EGBGB. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung ist ein Rechtsgeschäft formgültig, wenn es die Formerfordernisse des Rechts, das auf seinen Gegenstand bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist (Alt. 1) oder das Recht des Staates erfüllt, indem es vorgenommen wurde (Alt.2). Eine in Las Vegas, Nevada nach den dort geltenden Formvorschriften geschlossene Ehe ist daher auch in Deutschland formwirksam und gültig. Unter die Formerfordernisse einer Eheschließung fallen etwa vorbereitende Verfahrensschritte, die Befugnis der Trauungsperson zur Vornahme der Eheschließung, der Ablauf des Trauungsaktes, das Erfordernis von Zeugen sowie das Erfordernis von Registrierungen (vgl. zu alledem Münchner Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2015, Art. 13 EGBGB Rdnr. 120ff, 128 ff, 146ff; Erman Kommentar zum BGB, 14. Aufl., Art 13 EGBGB, RdNr. 56ff; Palandt, Kommentar zum BGB, 76. Aufl., 2017, Art 13 EGBGB, RdNr. 3, 19). Vorliegend ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die formellen Voraussetzungen für die Eheschließung in Las Vegas, Nevada nicht erfüllt waren. Die in Las Vegas in sogenannten Wedding Chaples durchgeführten Eheschließungen betrachten und nutzen amerikanische Staatsbürger wie auch Touristen als ernsthafte, rechtswirksame Eheschließungen. Es handelte sich bei der Trauungszeremonie im April 2003 um "kein reines Schauspiel". Dass auch im Falle der Klägerin kein "Schauspiel" stattgefunden hat, wird durch den Inhalt der Heiratsurkunde bestätigt. Es bestehen keine Zweifel, dass die formellen Eheschließungsvoraussetzungen des Staates Nevada eingehalten wurden. Dies wird auch durch den Inhalt der Heiratsurkunde bestätigt, in der die trauende Person J. F. bestätigt, dass die Klägerin und H.B. auf Grund übereinstimmenden Willens und in Gegenwart des Trauzeugen R. M. C. rechtmäßig und entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen des Staates Nevada in den Ehestand eingetreten sind. Die formellen Eheschließungsvoraussetzungen des Staates Nevada waren eingehalten und die Klägerin und H.B. waren ab April 2003 nach dem Recht des Staates Nevada rechtswirksam verheiratet. Die Aufnahme einer in Deutschland geschlossenen Ehe in das deutsche Eheregister ist für deren Wirksamkeit in Deutschland nicht Voraussetzung. Die Regelung des § 1312 Abs. 2 BGB in der Fassung vom 1. Januar 2002 bestimmt, dass der Standesbeamte die Eheschließung in das Heiratsbuch eintragen "soll". Es handle sich um eine Soll-Vorschrift, deren Nichtbeachtung keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit der Ehe habe ( vgl. Beckscher Online-Kommentar BGB, 37. Ausgabe, Stand 1. November 2015, § 1312 BGB, Rdnr. 1). Nichts anderes kann, mangels anderer gesetzlicher Regelung, für eine im Ausland geschlossene Ehe gelten. Der seit 1. Januar 2009 geltende § 34 Abs. 1 Satz 1 Personenstandsgesetz (PStG) bestimmt, dass die Eheschließung auf Antrag im Eheregister beurkundet werden "kann", wenn ein Deutscher im Ausland die Ehe geschlossen hat (sogenannte Nachbeurkundung). Gemäß dem Wortlaut der Bestimmung handelt es sich auch hier um eine rein deklaratorische Vorschrift, sodass sich an der Rechtslage gegenüber 2003 nichts geändert hat. Es existiert auch keine Rechtsnorm, die für die Wirksamkeit der im Ausland geschlossenen Ehe eine Art "Ratifizierung" oder Anerkennung erfordert. Die Wiederheirat der Klägerin im April 2003 war somit auch in Deutschland wirksam und führte zum Wegfall des Anspruchs auf Witwenrente.

    Somit war die Klägerin ab April 2003 mit H.B. - auch nach deutschem Recht wirksam - verheiratet, sodass der Anspruch auf Witwenrente mit Ablauf des Monats April 2003 entfallen ist.

    Auf Grund dieser wesentlichen Änderung war die Beklagte auch berechtigt, die Rentenbewilligung für die Vergangenheit ab 1. Mai 2003 aufzuheben, da die Klägerin ihrer Verpflichtung, die Wiederheirat der Beklagten anzuzeigen, nicht nachgekommen ist, sondern die Beklagte erstmals am 25. Juni 2014 über die Wiederheirat informiert hat.

    Die Klägerin bezog von der Beklagten Witwenrente und erhielt damit Sozialleistungen, weswegen sie gemäß § 60 Abs. 2 Nr. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verpflichtet war, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich waren, hier die Heirat in Las Vegas, anzuzeigen. Hierauf war die Klägerin auch im Bescheid vom 3. Juli 1996 hingewiesen worden. Der Rentenbewilligungsbescheid hat den unmissverständlichen Hinweis ("Die Rente fällt mit Ablauf des Monats der Wiederheirat weg. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns die Wiederheirat unverzüglich mitzuteilen ... Soweit Änderungen Einfluss auf den Rentenanspruch oder die Rentenhöhe haben, werden wir den Bescheid - auch rückwirkend - ganz oder teilweise aufheben und zu Unrecht erbrachte Leistungen zurückfordern.") enthalten, dass die Klägerin zur unverzüglichen Mitteilung einer Wiederheirat verpflichtet war. Die Klägerin wusste daher oder hätte wissen müssen, dass eine Wiederheirat zum Wegfall ihres Anspruchs auf Witwenrente führt und sie daher verpflichtet ist, eine solche anzuzeigen.

    Der Hinweis war einfach, klar und für jeden verständlich. Auch einem juristischen Laien muss angesichts dessen einleuchten, dass eine erneute Heirat mit dem Bezug einer Witwenrente nicht vereinbar ist. Dies ergibt sich auch für den Senat aus seinem persönlichen Eindruck in der mündlichen Verhandlung, den er von der Klägerin gewonnen hat. Insofern hat der Senat auch keinen Zweifel, dass der Klägerin dies bekannt war oder zumindest bekannt sein musste und insofern ein Umstand vorlag, der jedem einleuchten musste.

    Da die Klägerin der Beklagten die Wiederheirat nicht unverzüglich mitgeteilt erst nach etwa elf Jahren der Beklagten zur Kenntnis gegeben hat, ist sie ihrer ihr obliegenden Verpflichtung nicht nachgekommen.

    Entgegen der Auffassung des SG hat die Klägerin - auch unter Berücksichtigung des persönlichen Eindrucks des Senats - ihre Mitteilungspflicht grob fahrlässig verletzt. Sie hat die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, da sie schon einfachste, naheliegende Überlegungen nicht angestellt hat und deshalb nicht beachtet hat, was jedem einleuchten muss. Nämlich, dass sie die Heirat der Beklagten anzeigen musste oder sich zumindest durch Einholung von Rechtsrat erforderliche Gewissheit verschaffen musste, ob ihre Wiederheirat in Las Vegas rechtliche Auswirkungen hat, die - wie oben dargelegt - hier auch bestehen.

    Entgegen der Auffassung des SG ist der Senat zum Ergebnis gelangt, dass auch grobe Fahrlässigkeit insoweit vorliegt, als die Klägerin nach ihrer Behauptung verkannt haben will, dass die Heirat in Las Vegas keine anzuzeigende Tatsache ist und keine rechtliche Auswirkung hat. Zumindest wäre die Klägerin gehalten gewesen, sich Rechtsrat einzuholen. Dass die Heiratszeremonie in Las Vegas insofern nicht ohne jede rechtliche Bedeutung war, hätte jedem einleuchten müssen. Für die Heirat waren Gebühren zu entrichten und weitere Formalien zu erfüllen. So benötigte die Klägerin ihren Reisepass und musste Angaben zum Familienstand machen. Ferner führte sie nach eigenen Angaben die Sterbeurkunde ihres verstorbenen ersten Ehemannes mit sich, auch wenn sie diese nicht vorlegen musste. H.B. wollte eine Heirat schon seit langem und schenkte der Klägerin, die erklärt hatte, sie werde "nur in Las Vegas" heiraten deshalb zu Weihnachten 2002 ein Flugticket. Angesichts dessen ist auch nicht glaubhaft und feststellbar, dass die Heirat ohne jegliche Überlegung und unvorbereitet spontan erfolgte, wie dies das SG auf Grund der früheren Angaben der Klägerin noch als glaubhaft angesehen hat. Wie die Klägerin im Erörterungstermin selbst angegeben hat, wollte H.B. die Heirat schon vor der Reise und hat ihr die Reise im Hinblick darauf, dass sie erklärt hatte, sie würde allenfalls in Las Vegas heiraten, geschenkt. Die Klägerin ist auch selbst davon ausgegangen, dass die Heirat, was auch zutrifft, nach dem Recht des Staates Nevada und in den Vereinigten Staaten von Amerika Gültigkeit hat. Gerade deshalb ergibt die naheliegende und einfachste Überlegung, dass die in Nevada geschlossene Ehe auch rechtliche Wirkungen in Deutschland und letztlich auch für den Anspruch auf Witwenrente hat. Weswegen dies dann keinerlei rechtliche Auswirkungen auf ihren Personenstand (Wiederheirat) in Deutschland und nach deutschem Recht haben sollte, ist nicht ersichtlich. Indem sich die Klägerin dem allen verschlossen und von der Einholung einer Rechtsauskunft und der Anzeige der Heirat bei der Beklagten verschlossen hat, handelte sie grob fahrlässig. Sie hat zwar angegeben, sie sei davon mit Gewissheit überzeugt gewesen, allerdings hat sie dem Senat nicht mitzuteilen vermocht, woher sie die Überzeugung genommen hat, dass die Ehe in Deutschland keine Gültigkeit habe. Schlussendlich hat man auch Eheringe getauscht und trägt die Klägerin ihren Ehering immer noch.

    Soweit das SG seine Entscheidung damit begründet hat, dass die Klägerin die Eheschließung gegenüber Freunden, Bekannten und Verwandten offen kommunizierte und offenbar nicht verschweigen wollte, spricht dies für den Senat nicht dafür, dass die Klägerin nicht hätte erkennen können, dass die Eheschließung anzuzeigen war. Die Behauptung, es habe sich um einen "Urlaubsspass" gehandelt, ist für den Senat, anders als das SG, auch nicht nachvollziehbar, widerspruchsfrei und glaubhaft, zumal, wie die Klägerin zuletzt eingeräumt hat, die Heirat eben nicht erst spontan in Las Vegas beschlossen wurde, sondern Diskussionen darüber durchaus vorausgegangen sind. Der Umstand, dass bei der Trauung beide Country-Kleidung getragen haben, spricht ebenfalls nicht gegen ein ernsthaftes "Rechtsgeschäft", ebenso wie auch die Form, in der H.B. das Jawort gegeben haben soll.

    Ferner durfte sich die Klägerin nicht ohne weitere Klärung den Angaben des Bediensteten der Wedding Chaple, den sie, wie sie erklärt hat, von sich aus auch gar nicht danach gefragt hätte, Glauben schenken. Der Umstand, dass dieser in deutscher Sprache erklärt haben soll, dass die Ehe nur dann in Deutschland gültig sei, wenn dies beantragt werde, kann nicht dazu führen, dass sich die Klägerin auf diese Auskunft verlassen durfte. Dass ein Deutsch Sprechender auf Grund dieser Fähigkeit auch mit den rechtlichen Voraussetzungen für die Wirksamkeit einer Ehe in Deutschland hinreichend vertraut ist und rechtlich zutreffende Angaben machen kann, ist in keiner Weise nachvollziehbar, sondern abwegig. Angesichts dessen und unter Berücksichtigung der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit sowie des Einsichtsvermögens der Klägerin ist der Senat zur Überzeugung gelangt, dass diese ohne Zuziehung rechtlichen Rats in Deutschland nicht davon ausgehen konnte und durfte, dass die Eheschließung in Deutschland keinerlei rechtliche Wirkungen, insbesondere bezüglich der Witwenrente, haben würde und der Beklagten anzuzeigen war. Angesichts dessen stellt es eine grobe Fahrlässigkeit der Klägerin dar, wenn sie hier keinen Rechtsrat eingeholt hat, sei es durch einen Rechtskundigen, wie einen Rechtsanwalt, oder aber durch die Inanspruchnahme einer (kostenfreien) Beratung bei einer örtlichen Beratungsstelle der Beklagten oder die schlichte Anzeige gegenüber der Beklagten, die dann den Vorgang bereits rechtzeitig und zu einem früheren Zeitpunkt hätte prüfen können.

    Da die Klägerin - auch nach dem persönlichen Eindruck des Senats von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung - somit grob fahrlässig gegen ihre Verpflichtung zur Mitteilung der Heirat bei der Beklagten verstoßen hat, weswegen die Witwenrente auch zu Unrecht über den 30. April 2003 hinaus gezahlt wurde, liegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Rentenbescheids auch für die Zeit ab 1. Mai 2003 vor.

    Die Aufhebung soll nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse erfolgen, soweit - wie im vorliegenden Falle - insbesondere die Voraussetzungen der Nrn. 2 und 4 dieses Satzes vorliegen. § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X legt damit ein Regel-Ausnahme-Verhältnis fest. Der Regelfall ist die Aufhebung ab Eintritt der Änderung der Verhältnisse, während die Aufhebung (nur) für die Zukunft lediglich in einer besonderen Ausnahmesituation in Betracht kommen soll und nur in diesem Fall nach pflichtgemäßem Ermessen zu prüfen ist, ob von der Rücknahme für die Vergangenheit ganz oder teilweise abzusehen ist. Deshalb ist auch in den Fällen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X neben den Tatbestandsvoraussetzungen auch zu prüfen, ob ein solcher atypischer Fall vorliegt, der in Bezug auf die Sondersituation eine Ermessensentscheidung gebietet; das Vorliegen eines atypischen Falls ist durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit voll überprüfbar (vgl. u.a. Schütze in von Wulffen/Schütze, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 48 Rdnr. 20 m.w.N.). Ein solcher atypischer Fall liegt bei der Klägerin zur Überzeugung des Senats nicht vor. Atypische Lagen sind vielmehr grundsätzlich anzuerkennen, wenn die Umstände des Einzelfalls im Hinblick auf die mit der rückwirkenden Aufhebung verbundenen Nachteile von den Normalfällen der Tatbestände des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 4 SGB X so signifikant abweichen, dass der Leistungsempfänger in besondere Bedrängnis gerät (vgl. u.a. BSGE 59,111 [BSG 06.11.1985 - 10 RKg 3/84]). Insoweit können Einkommens- und Vermögenslosigkeit des Betroffenen nicht ohne weiteres einen atypischen Fall begründen. Auch liegt grundsätzlich kein Ausnahmefall vor, wenn zu bereits bestehenden Schulden weitere hinzutreten.

    Andererseits kann nach der Rechtsprechung des BSG aber in solchen Situationen gelten, in denen ohne die zurückgeforderte Leistung einen Sozialhilfeanspruch hätte bestehen können und nachträglich nicht mehr geltend gemacht werden kann (BSG, SozR 3-1300 § 48 Nr. 37).

    Gemessen daran ist vorliegend kein atypischer Fall festzustellen. Dass die Klägerin einen Anspruch auf andere Leistungen gehabt hätte, die sie nun nicht mehr geltend machen kann, wie z.B. Sozialhilfeleistungen, und deshalb von einem atypischen Fall auszugehen wäre, ist weder dargetan, noch ersichtlich. Insbesondere bezog die Klägerin eine Rente aus eigener Versicherung und war Eigentümerin eines Hauses. Sie wäre zur Überzeugung des Senats ohne die von der Beklagten zu Unrecht gewährte Witwenrente auch nicht sozialhilfeberechtigt gewesen.

    Im Übrigen hat die Beklagte der Klägerin die Witwenabfindung, die dieser zugestanden hätte, von dem Rückforderungsbetrag abgezogen und sie ihr insofern im Ergebnis nachträglich gewährt.

    Im Übrigen hat die Beklagte mit ihrer angefochtenen Entscheidung auch die Fristen des § 48 SGB X gewahrt. So ist die Jahresfrist nach § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X gewahrt, und ebenso sind die Fristen des § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X i.V.m. § 45 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1, Satz 4 SGB X beachtet. Zwischen der Mitteilung der Klägerin vom 25. Juni 2014, mit der die Beklagte erstmals von der Wiederheirat erfahren hat, und dem Erlass des angefochtenen Bescheids vom 11. August 2014 liegt weniger als ein Jahr. Im Übrigen bestimmt der gemäß § 48 Abs. 4 SGB X anwendbare § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X, dass ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach § 45 Abs. 2 SGB X bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden kann, wenn 1. die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 SGB X gegeben sind oder 2. der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde. Nach § 45 Abs. 3 Satz 4 SGB X kann in den Fällen des § 45 Abs. 3 SGB X ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. Dies ist hier der Fall, denn die Witwenrente wurde bis Juni 2014 und damit bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens gezahlt.

    Die Pflicht der Klägerin, die zu Unrecht gewährten Leistungen zu erstatten, ergibt sich aus § 50 SGB X. Auf Grund dessen ist die Klägerin verpflichtet, den von der Beklagten geforderten Betrag, dessen Berechnung weder beanstandet wird, noch nach Prüfung des Senats zu beanstanden ist, und bei dessen Festlegung die Beklagte auch die bei rechtzeitiger Beantragung zustehende Heiratsabfindung in Abzug gebracht hat, zurückzuzahlen.

    Der angefochtene Bescheid vom 11. August 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. Dezember 2014 ist inhaltlich ausreichend bestimmt und im Übrigen von der Beklagten auch verfahrensrechtlich ordnungsgemäß erlassen worden, nachdem die Klägerin zunächst vor seinem Erlass mit Schreiben vom 8. Juli 2014 gemäß § 24 Abs. 1 SGB X angehört worden ist. Der Bescheid ist auch hinreichend bestimmt und lässt klar erkennen, welche Regelungen mit ihm getroffen wurden.

    Da das SG somit zu Unrecht den Bescheid der Beklagten teilweise aufgehoben hat, hebt der Senat das Urteil des SG vom 14. Januar 2016 insoweit auf und weist die Klage insgesamt ab.

    Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

    Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.