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  • 24.01.2024 · IWW-Abrufnummer 239288

    Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 12.12.2023 – 2 UF 33/23

    1. Eine Stiefkindadoption eines im Ausland rechtmäßig nach Eizellspende und sog. Leihmutterschaft entstandenen Kindes ist im Sinne des § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB für das Kindeswohl erforderlich, wenn das Kind seit geraumer Zeit im Haushalt der Annehmenden und des rechtlichen Vaters des Kindes gemeinsam erzogen wird und keine Anhaltspunkte für eine dem Kindeswohl abträgliche Versorgung erkennbar sind.

    2. Es kommt dann nicht darauf an, ob der rechtliche Vater auch genetischer Vater des Kindes ist und ob die Annehmende selbst die Spenderin der Eizelle war, weil im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGHMR (Beschluss vom 6.12.2022, Beschwerde Nr. 25212/21) in erster Linie auf das Wohl des Kindes abzustellen ist, für das die Bindung zu seinen sozialen Eltern zentral ist.

    3. Die nach § 196a FamFG für die Eltern und den Stiefelternteil vorgeschriebene Beratung bei Stiefkinderadoptionen gem. §§ 9a Abs.1 i.V.m. § 9 Abs. 1 AdVermiG kann im Adoptionsverfahren nachgeholt werden (entgegen OLG Brandenburg, Beschluss vom 4. Januar 2022 - 9 UF 206/21).


    OLG Frankfurt 2. Senat für Familiensachen

    12.12.2023


    Tenor

    I. Der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Stadt2 vom 18. Januar 2023 wird auf die Beschwerde des Vaters und der Annehmenden wie folgt abgeändert.

    Frau Vorname1 V, geborene W, geboren am XX.XX.1968, Standesamt Stadt1, Geb. Reg. Nr. ...,

    Ehefrau von Herrn Vorname2 V, geboren am XX.XX.1960, Standesamt Stadt2, Geb.Reg.Nr. ...,

    Eheschließung am XX.XX.2018 vor dem Standesbeamten des Standesamts in Stadt3/Bundesland1, Heir.Reg.Nr. ...,

    beide wohnhaft Straße1, Stadt3,

    nimmt das minderjährige Kind ihres Ehemanns,

    Vorname3 V, geb. am XX.XX.2020, Standesamt: Abteilung des Standesamtes der staatlichen Registrierung der standesamtlichen Akte im Stadtbezirk A in Stadt4 (Ukraine) bei der überregionalen Zentralverwaltung des Justizministeriums (in Stadt4, Ukraine), Geb.Reg.Nr ..., wohnhaft ebenfalls Straße1, Stadt3,

    als Kind an.

    Die Annahme stützt sich auf die Vorschriften der §§ 1741 Abs. 2 S. 3 i.V.m. §§ 1754, 1755 Abs. 2, 1756 Abs. 1, 2 BGB.

    Mit der Annahme erlangt das Kind die rechtliche Stellung eines gemeinschaftlichen Kindes der Ehegatten (§ 1754 BGB).

    II. Die Kosten des Verfahrens haben der Vater des Kindes und die Annehmende zu gleichen Teilen zu tragen.

    III. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

    Gründe

    I.

    Mit notarieller Urkunde vom 20. August 2020 hat die 1968 geborene Frau Vorname1 V (im Folgenden: die Annehmende) am 16. Dezember 2020 beim Amtsgericht Stadt2 beantragt auszusprechen, dass sie das Kind Vorname3 V als Kind annimmt. Vorname3 (im Folgenden: der Anzunehmende) ist ausweislich der dem Antrag beigefügten Geburtsurkunde (Bl. 7 d.A.), der Sohn von Herrn Vorname2 V, mit dem die Annehmende das zweite Mal verheiratet ist. Die erste Ehe hatten beide am XX.XX.1996 geschlossen, sie sind am XX.XX.2013 geschieden worden. Das zweite Mal heirateten die Annehmende und Herr V am XX.XX.2015.

    Die Annehmende hat ein eigenes - bereits volljähriges - Kind. Dieses hatte Gelegenheit zur Stellungnahme und hat keine Einwände gegen die Adoption vorgebracht.

    Im dem am 16. Dezember 2020 eingeleiteten Verfahren vor dem Amtsgericht konnte geklärt werden, dass Mutter des anzunehmenden Kindes Frau Vorname5 X ist. Die Annehmende und der Vater des Kindes hatten sich an eine in Tschechien und der Ukraine rechtmäßig handelnde Kinderwunschklinik in Stadt5 (Tschechien) gewendet. Dort ist mithilfe einer Eizellspende bei Frau X eine Schwangerschaft eingeleitet worden (sog. „Leihmutterschaft“). Nach der Geburt des Kindes hat Herr V die Vaterschaft für das Kind anerkannt (notarielle Anerkennungsurkunde vom 4. Februar 2020, Bl. 131 d.A.).

    Da das Ehepaar zwei Kinder wollte, ist außerdem noch ein weiteres Kind, Vorname4 V, auch über den Weg einer Leihmutterschaft entstanden. Für die von einer anderen Frau am XX.XX.2020 geborene Vorname4 hat ausweislich des beigezogenen Vorgangs ... des Amtsgerichts Stadt2 ebenfalls Herr Vorname2 V die Vaterschaft anerkannt. In dem erwähnten Verfahren strebt die hiesige Annehmende ebenfalls an, ihr Stiefkind Vorname4 zu adoptieren. In diesem Verfahren ist noch keine Entscheidung des Amtsgerichts ergangen, weil vor dem Hintergrund der schwierigen Frage einer sittlichen Rechtfertigung der Adoption der Ausgang des vorliegenden Verfahrens abgewartet werden soll.

    Das Amtsgericht hat im erstinstanzlichen Verfahren zunächst festgestellt, dass die Mutter des Kindes Vorname3 ihr Einverständnis zur Adoption durch die Annehmende nicht erklärt hat. Außerdem fehlte die Bescheinigung über die Beratung bei einer Adoptionsvermittlungsstelle gemäß § 9 a AdVermiG, § 196 a FamFG. Letztere haben die Annehmende und der Vater des Anzunehmenden am 10. November 2022 in Anspruch genommen und die notwendige Bescheinigung im Verlauf des amtsgerichtlichen Verfahrens beigebracht (Bl. 37 d. A.).

    Wegen der zunächst nur schleppenden Mitwirkung der Beteiligten war das Verfahren zunächst zwischen dem 12. Januar 2021 und dem 2. November 2022 faktisch nicht betrieben worden. Das im Verfahren angehörte und mit der Überprüfung der persönlichen Situation des Kindes betraute Jugendamt konnte erst nach anfänglichen Schwierigkeiten, mit der Familie in Kontakt zu kommen, einen Hausbesuch machen, erst anlässlich dieses Hausbesuches wurden die besonderen Umstände um die Entstehung des Kindes offenbar, die in dem Adoptionsantrag gänzlich unerwähnt geblieben waren. Es zeigte sich, dass die Eheleute in der Zeit, in der beide Kinder von den Leihmüttern ausgetragen wurden, eine Schwangerschaft der Annehmenden vorgetäuscht hatten. Sie wollten nicht, dass jemand von der Beauftragung von Leihmüttern Kenntnis erlangen sollte. Das Jugendamt teilte mit, dass die Kinder als Zwillinge aufgezogen werden. Der „offizielle“ Geburtstag für beide Kinder werde mit dem Geburtsdatum des Kindes Vorname4 angegeben (XX.XX.2020). Am eigentlichen Geburtstag von Vorname3 (dem XX.XX.2020) gehe die Familie in eine Grotte und zünde dort eine Kerze an.

    Das Jugendamt hat außerdem weitere Rahmenumstände der Geburt des Anzunehmenden ermittelt. Die leibliche Mutter des Anzunehmenden hat danach infolge schwerer Blutungen eine Frühgeburt erlitten, in deren Folge die Gebärmutter entfernt wurde. Es habe sich herausgestellt, dass der Anzunehmende die ersten beiden Lebensmonate in einer Klinik verbringen musste. Danach war die geplante Ausreise zum Vater und der Anzunehmenden wegen der COVID-19 - Pandemie nicht möglich. Er sei daher vorübergehend bei der Leiterin der Vermittlungsagentur privat untergebracht gewesen. Erst im … 2020 sei die Übernahme in den Haushalt seines Vaters und der Annehmenden erfolgt.

    Das Klinikum Stadt2 hatte am 29. April 2020 außerdem eine Gefährdungsmeldung nach § 8a SGBVIII an das Jugendamt herausgegeben, weil die Eltern das Kind Vorname4 nach einem Hundebiss dort vorgestellt, aber auffällig wenig mitgearbeitet hatten; außerdem hatten sie die nach dortiger Auffassung medizinisch indizierte Tollwutimpfung zunächst abgelehnt. Das Jugendamt berichtete, dass eine Überprüfung der wirtschaftlichen Situation der Annehmenden und des Vaters des Kindes nicht möglich sei, weil sie keine Verdienstbescheinigungen vorgelegt hätten. Es scheine so, als lebten beide Kinder in geordneten Verhältnissen. Die Familie lebe in einer geräumigen Immobilie, in der für beide Kinder gute Wohnverhältnisse herrschten. Eine Stellungnahme zur Qualität der Partnerschaft der Annehmenden und des Vaters des Kindes sei nicht möglich. Die Annehmende und ihr Mann hätten sich „für eine Leihmutterschaft unter Vortäuschung einer Schwangerschaft der Annehmenden entschieden und es sei nicht einzuschätzen, wie und wann die Aufklärung der Kinder über die Geschichte ihrer Abstammung stattfinden werde.“ Das Jugendamt äußerte daher bezüglich des vorliegenden Adoptionsantrages Skepsis, ohne sich direkt gegen eine Annahme auszusprechen.

    Das Familiengericht hat sodann für die Kinder am 21. November 2022 einen Verfahrensbeistand bestellt. Auch dieser hat die Familie aufgesucht. Er berichtet über einen großen Reiterhof, den die Annehmende betreibt. Das Haus sei wohnlich eingerichtet, die Kinder verfügten jeweils über ein eigenes, großes Zimmer, das altersgemäß eingerichtet sei. Die Eltern könnten nicht nachvollziehen, warum sich das Adoptionsverfahren so lang hinziehe. Sie hätten immer wieder neue Unterlagen vorlegen müssen. Die Idee der Realisierung des Kinderwunsches über eine Kinderwunschklinik in der Ukraine sei 2017/2018 entstanden, weil der Vater „auf natürlichem Wege“ keine Kinder mehr zeugen könne.

    Der Verfahrensbeistand hat berichtet, dass infolge der Geburtskomplikationen bei beiden Kinder eine sehr anspannungsreiche Zeit für die Eltern verstrichen sei. Die Annehmende und der Vater hätten - auch infolge des Krieges in der Ukraine - keinen Kontakt mehr zu der Wunschkindagentur. Sie hätten den Eindruck, dass ihre Vorgehensweise von der Adoptionsbehörde kritisch gesehen werde, da Leihmutterschaft nach deutschem Recht nicht erlaubt sei. Das könnten sie nicht nachvollziehen. Die Annehmende sehe sich als Mutter für die Kinder und strebe vor allem eine rechtliche Absicherung ihrer emotionalen und sozialen Bindung zu den Kindern an. Die aktuelle Situation sei für sie sehr belastend, weil das Adoptionsverfahren nunmehr schon knapp zwei Jahre andauere. Der persönliche Eindruck der Gesamtfamilie sei rundum positiv. Bei seinem Hausbesuch habe er eine glückliche Familie mit glücklichen Kindern erlebt. Der Verfahrensbeistand spricht sich dafür aus, die enge Bindung zwischen den Beteiligten rechtlich abzusichern und die Adoption durchzuführen.

    Am 18. Januar 2023 hat das Amtsgericht ohne persönliche Anhörung der Beteiligten den Adoptionsantrag zurückgewiesen. Es sei nicht aufklärbar, ob die nach § 1746 Abs. 1 S. 1 BGB notwendige Einwilligung des Kindes zur Annahme erfolgt sei. Gemäß § 1746 Abs. 1 S. 2 BGB könne für ein Kind, das geschäftsunfähig oder noch nicht 14 Jahre alt ist, nur sein gesetzlicher Vertreter die Einwilligung erteilen. Zwar habe der Kindesvater in der notariellen Urkunde, mit der er die Einwilligung für das Kind erklärt habe, behauptet, dass er das alleinige Sorgerecht habe. Es liege jedoch kein Dokument zur Sorgerechtserklärung zwischen den Eltern vor. Außerdem sei die Einwilligungserklärung der leiblichen Mutter nicht vorgelegt worden. Der Antrag auf Annahme als Kind sei daher zurückzuweisen.

    Gegen diesen Beschluss wenden sich die Annehmende und der Vater des Kindes mit der fristgerecht eingelegten Beschwerde. Sie haben zur Begründung zunächst angegeben, dass sie die fehlende Einwilligung der Mutter nachreichen werden. Der Senat hat unter dem Aspekt der sittlichen Rechtfertigung der Stiefkindadoption außerdem den Sachverhalt - auch im Hinblick auf die Abstammungsverhältnisse - weiter aufgeklärt. Die Annehmende und der Vater haben deswegen auf Nachfrage des Senats klargestellt, dass die Annehmende nicht die Eizellspenderin gewesen ist. Die mit der Agentur in Stadt5 (Tschechien) am 6. Juli 2017 getroffenen Vereinbarungen sind vorgelegt worden. Ausweislich dieser Vereinbarungen haben die Annehmende und der Vater des Kindes mit der Agentur „B“ in Tschechien einen Vertrag geschlossen, wonach ein Embryo bei einer Frau eingesetzt werden sollte („Surrogat“).

    Die Kosten des Vertrages werden mit 35.000 € beziffert. Die Annehmende und der Vater verpflichteten sich, die beauftragte Frau während der Schwangerschaft mit Kleidung zu versorgen, außerdem sollte die Frau monatliche Zahlungen während der Schwangerschaft erhalten. Im Falle einer durch die Schwangerschaft notwendigen Entnahme der Gebärmutter (Hysterektomie) schuldeten die Auftraggeber eine Entschädigung in Höhe von 5.000 €.

    Der Vater hat ergänzend angegeben, dass es bei der Erfüllung des Vertrages zu Problemen gekommen sei, insbesondere auch wegen einiger Gesetzesänderungen in Tschechien. Deswegen seien sämtliche Behandlungen in der Ukraine vorgenommen worden und auch die Leihmutter und Eizellenspenderin stammten aus der Ukraine. Auch deswegen seien Anerkennung der Vaterschaft und die Übertragung des Sorgerechts ebenfalls in der Ukraine (Stadt4) erfolgt.

    Im Beschwerdeverfahren haben die Beschwerdeführer sodann wie angekündigt eine Erklärung der Mutter des Kindes vorgelegt, insofern wird auf die übersetzte notarielle Urkunde vom 23. Februar 2023 Bezug genommen (Bl. 82 d. A.), die mit einer Apostille versehen wurde. Hier erklärt Vorname5 X, dass sie die Mutter des Kindes Vorname3 V ist. Vater des Kindes sei Vorname2 V. Sie erklärt ihre Einwilligung als leibliche Mutter zur Adoption, gleichzeitig erklärt sie, dass der Vater für Vorname3 allein sorgeberechtigt war. Rein vorsorglich erklärt sie für das Kind als mitsorgeberechtigter Elternteil die Einwilligung in die Adoption.

    Der Ehemann der Annehmenden ist als Vater in der Geburtsurkunde des Kindes Vorname3 eingetragen, nach den Angaben des Vaters und den Angaben der Leihmutter ist er auch der leibliche Vater des Kindes.

    Der Senat hat die Annehmende, den Vater, das betroffene Kind und den Verfahrensbeistand am 19. Juli 2023 persönlich angehört, insoweit wird auf das Protokoll der Anhörung von diesem Tag Bezug genommen.

    II.

    Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige, insbesondere nach § 63 FamFG fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nach dem während des Beschwerderechtzuges zulässig nachgeholten Vortrag begründet, denn nach dem im Beschwerdeverfahren festzustellenden Sachverhalt ist der Adoptionsantrag zulässig und begründet. Gemäß §§ 1741 Abs. 2 Satz 3, 1754 Abs. 1, 1755 Abs. 2 BGB ist die Annahme des Kindes Vorname3 als Kind der Annehmenden auszusprechen.

    Im Einzelnen gilt folgendes:

    1. Zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass für das Adoptionsverhältnis gem. Art. 22 Abs. 1 S. 2 EGBGB i.V.m. Art. 14 Abs. 1 Nr. 1, Art. 5 Abs. 1 S. 2 EGBGB ausschließlich die deutschen Sachvorschriften, mithin auch § 1741 BGB, Anwendung finden, da sowohl die Annehmende als auch ihr Ehemann (der rechtliche Vater des Kindes) jeweils auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen und alle - also auch das anzunehmende Kind - ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. Da auch das Kind - vermittelt durch die rechtliche Vaterschaft des Ehemanns der Annehmenden - die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (§ 4 Abs. 1 S. 1 StAG), kommen auch hinsichtlich der erforderlichen Zustimmungen für die Annahme als Kind ausschließlich die deutschen Sachvorschriften zur Anwendung (Art. 23 S. 1 EGBGB).

    Zwar wird grundsätzlich an den gewöhnlichen Aufenthalt der das Kind austragenden Mutter angeknüpft. Das schließt allerdings an die Vermutung an, dass ein Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt dort hat, wo es seinen Lebensmittelpunkt hat. Dieser befindet sich im Allgemeinen in den ersten Lebensmonaten an dem Ort, an dem es zusammen mit seiner Mutter lebt (Henrich, in: Staudinger, Stand 2022, Rn. 13 zu Art. 19 EGBGB). Der gewöhnliche Aufenthalt von Kindern, die nach einer Leihmutterschaft geboren worden sind, ist gerade wegen der mit der Pandemie und dem Kriegsausbruch in der Ukraine verbundenen Verzögerungen nach besonderen Kriterien zu beurteilen (Kvit/Spickhoff, FamRZ 2023, 653, 658ff., vgl. auch BGH, Beschluss vom 20. März 2019 - XII ZB 530/17 -, juris, Rn. 21-26 ). Steht wie hier bereits mit Geburt des Kindes fest, dass es nicht in der Obhut seiner Mutter bleiben wird, und wechselt das Kind sogleich in die Obhut einer dritten Person, die es nur deswegen nicht - wie von allen Beteiligten beabsichtigt - an seinen Zielort in Deutschland bringen kann, weil eine Pandemie zu Grenzschließungen führt, ist nach Auffassung des Senats jedenfalls dann kein gewöhnlicher Aufenthalt begründet worden, wenn die Verzögerungen nicht zu einem tatsächlichen Aufenthalt beitragen, der einen Zeitraum von sechs Monaten überschreitet. Da vorliegend Vorname3 bereits fünf Monate nach seiner Geburt - nämlich im ... 2020 - nach Deutschland zu seinen Wunscheltern gebracht werden konnte, hat er seinen einzigen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland begründet.

    2. Die formellen Voraussetzungen der Adoption nach dem danach anzuwendenden deutschen Sachrecht sind erfüllt.

    a) Mittlerweile liegen ein notariell beurkundeter Antrag der Annehmenden (§ 1752 Abs. 1 BGB) und notariell beurkundete Einwilligungserklärungen des rechtlichen Vaters und der Mutter der Anzunehmenden vor (§ 1747 Abs. 1 BGB).

    Die Annehmende hat durch notarielle Erklärung vom 20. August 2020 vor der Notarin C in Stadt3 (Urk.Nr. ...) die Annahme des Kindes beantragt. Das am XX.XX.2020 geborene Kind ist das Kind des Ehemannes der Annehmenden. Dieser hat als Vater, als Ehemann und als gesetzlicher Vertreter des Kindes durch notarielle Erklärung vom 20. August 2020 vor der Notarin C in Stadt3 (Urk.Nr. ...) in die Annahme eingewilligt, §§ 1747, 1749 BGB.

    Der Ehemann der Annehmenden ist als rechtlicher Vater in der - nunmehr mit Apostille vorgelegten - Geburtsurkunde des anzunehmenden Kindes eingetragen. Der Senat hat danach keinen Zweifel an seiner rechtlichen Vaterschaft; nach den Angaben des Vaters und den Angaben der Leihmutter ist er auch der leibliche Vater des Kindes.

    Die Mutter des Kindes - Frau Vorname5 X - hat durch notarielle Erklärung vom 23. Februar 2023 vor der Notarin D, in Stadt6, Ukraine (Urk.Nr. ...) als Mutter des Kindes in die Adoption eingewilligt.

    Nach den im zweiten Rechtszug nachgeholten Ermittlungen ist sicher davon auszugehen, dass diese Frau X die rechtliche Mutter ist und als solche wirksam in die Annahme eingewilligt hat, § 1747 BGB. Frau Vorname5 X, die in der mit einer Apostille versehenen Geburtsurkunde des Kindes als Mutter des Kindes ausgewiesen ist, ist nach deutschem (und ukrainischen) Recht als Mutter des Kindes anzusehen. Soweit die Annehmende und der Vater des Kindes ursprünglich den Eindruck erweckt hatten, dass die Eizellspende von der Annehmenden stammt, hätte sich ein aufklärungsbedürftiger Widerspruch zwischen der in der Geburtsurkunde niedergelegten Mutterschaft und der Rechtslage in der Ukraine ergeben. Denn die Abstammung des Kindes unterliegt nach Art. 19 EGBGB dem Recht des Staates, in dem das Kind zunächst seinen „gewöhnlichen Aufenthalt“ hat; teilweise wird auch auf das Recht abgestellt, dem die allgemeinen Wirkungen der Ehe nach Art. 14 EGBGB unterliegen (Kvit/Spickhoff, FamRZ 2023, S. 653 (S. 657)). Da nach Art. 123, 139 Abs. 2 des Familiengesetzbuchs der Ukraine vom 10. Januar 2002 (VVR 2002 Nr. 21-22, Pos 135; iK 1.1.2004, zuletzt geändert durch ÄndG Nr. 540-IX v. 30.3.2020) eine rechtliche Mutterschaft der Frau entsteht, von der der Embryo abstammt, war nach dem zunächst gehaltenen Vortrag aufzuklären, ob eine rechtliche Mutterschaft der hiesigen Annehmenden entstanden sein konnte. Nachdem nunmehr unstreitig ist, dass es sich um eine Eizellspende einer anderen Frau handelte, bestehen jedoch keine Bedenken mehr an der Richtigkeit der in der Geburtsurkunde für das Kind dokumentierten Mutterschaft der Frau Vorname5 X.

    b) Für das noch nicht 14jährige Kind haben seine gesetzlichen Vertreter die Einwilligung erklärt; der sorgeberechtigte Vater mit notarieller Urkunde vom 20. August 2020 vor der Notarin C in Stadt3 (Urk.Nr. ...), die soeben benannte Mutter durch notarielle Erklärung vom 23. Februar 2023 vor der Notarin D, in Stadt6, Ukraine (Urk.Nr. ...). Vor dem Hintergrund der beiderseitigen Einwilligungserklärungen kann der vom Amtsgericht mit einigem Recht beanstandete fehlende Nachweis einer alleinigen elterlichen Sorge des Vaters des Kindes dahinstehen, denn auch im Falle gemeinsamer elterlicher Sorge hätten nun beide berechtigte Eltern das Kind wirksam bei dieser Erklärung vertreten.

    c) Die Annehmende hat zusammen mit dem Vater des Anzunehmenden ein Beratungsgespräch mit der zuständigen Behörde geführt. Die gemeinsame Adoptionsvermittlungsstelle der Jugendämter des Landkreises Stadt2, der Stadt Stadt2 und des Landkreises E hat der Annehmenden bescheinigt, dass sie am 10. November 2022 gem. § 9a Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 AdVermiG beraten wurde. Das Kind ist in einem so jungen Alter, dass nach Auffassung des Senats eine Beratung über die Folgen einer Stiefkindadoption schlicht ausscheidet, weil es den Sinn eines solchen Gesprächs kaum erfassen dürfte. Die persönliche Anhörung des Kindes im Verfahren vor dem Senat zeigt einen aufgeweckten, aber noch nicht sicher sprachbegabten Dreijährigen, und bestätigt diese Einschätzung. Eine Beratung der Mutter ist, wenn sie wie hier ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hat, gem. § 9a Abs. 3 Nr. 4 AdVermiG nicht vorgeschrieben (Braunroth, Fragen an die praktische Umsetzung der Beratungspflicht bei Stiefkindadoptionen, JAmt 2022, 179 (181)).

    Soweit teilweise vertreten wird, dass eine Nachholung der Beratung im laufenden Adoptionsverfahren nicht möglich ist (OLG Brandenburg, Beschluss vom 4. Januar 2022 - 9 UF 206/21; Keuter NZFam 2021, 49, 50; Botthof NJW 2021, 1127, 1129; Braunroth, JAmt 2022, 179, beck-online; Löhnig, in: beck-ok, Stand: 01.07.2023; Rn. 9 zu § 9a AdVermiG; Kukielka, in: Wiesner/Wapler, SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfe, 6. Auflage 2022, Rn. 2 zu § 9a AdVermiG), folgt der Senat dieser Auffassung im vorliegenden Fall mit Auslandsberührung nicht. Diese Auffassung stellt vor allem darauf ab, dass der Elternteil schutzbedürftig ist, der seine Zustimmung zur Stiefkindadoption mit der Folge erteilt, dass die eigene rechtliche Elternschaft entfällt (vgl. dazu Keuter, in: Prütting/Helms, FamFG, 6. Auflage 2023, Rn. 6 zu § 196a FamFG). Da vorliegend wegen des gewöhnlichen Aufenthalts der Mutter im Ausland bereits keine Beratung nach § 9a AdVermiG vorgeschrieben ist, geht dieser auf die Interessen der Mutter als abgebendem Elternteil zugeschnittene Einwand ins Leere. Darauf, dass eine Frau, die sich im Ausland legal als Leihmutter zur Verfügung stellt, bereits nach den Vertragsgestaltungen nicht davon ausgehen dürfte, für das infolge einer Embryonentransplantation geborene Kind jemals rechtlich zuständig zu sein, kommt es dafür nicht an.

    Nach Auffassung des Senats kann die Beratung der Annehmenden und des Vaters des Kindes auch im Adoptionsverfahren nachgeholt werden und eine erst nach Verfahrenseinleitung oder Aufnahme des notariellen Adoptionsantrags ausgestellte Bescheinigung stellt kein Adoptionshindernis dar (so auch Reinhardt, Adoptionsvermittlungsgesetz, 9. Online-Auflage 2021, Rn. 17 zu § 9a AdVermiG; Botthof, NJW 2021, 1127, 1128; so auch der Regierungsentwurf, in dem wörtlich ausgeführt ist, dass ein ohne Nachweis der Beratung gestellter Antrag nicht unzulässig, sondern nur unbegründet ist und danach eine während des Adoptionsverfahrens erfolgte Beratung zu berücksichtigen ist, Regierungsentwurf, BR-Drs. 575/19, 64). Diese Auffassung verhindert im Übrigen auch die für die Beteiligten an einem Adoptionsverfahren in der Regel als unnötige und kostspielige Förmelei verstandene Betrachtung, nach der die Beteiligten einen einmal gestellten Antrag zurücknehmen und nach erfolgter Beratung erneut notariell errichten bzw. einreichen müssen. Gerade in den Fällen, in denen wegen des gewöhnlichen Aufenthalts des abgebenden Elternteils im Ausland keine weitergehende Beratung dieses Elternteiles mehr stattfinden wird, wäre die Zurückweisung des - zuerst gestellten - Antrags kontraproduktiv und auch nicht mit den Interessen eines Kindes an gefestigten Familienverhältnissen mit zwei rechtlichen Eltern im Inland vereinbar. Besteht ein derartiges Interesse ausnahmsweise nicht, wird dies aus materiell-rechtlichen Gründen einer Stiefkindadoption entgegenstehen. Die - verspätete - Beratung bei der Begründetheit eines solchen Adoptionsantrages zu berücksichtigen, kommt daher im Ergebnis dem am Kindeswohl orientierten Sinn des Beratungsgebotes am ehesten entgegen.

    3. Auch die materiell-rechtlichen Voraussetzungen der Stiefkindadoption sind erfüllt.

    a) Die Annahme als Kind ist gemäß § 1741 BGB zulässig, wenn sie dem Wohl des Kindes dient und zu erwarten ist, dass zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht. Die Annehmende erstrebt eine Stiefkindadoption. Dem Wohl des Kindes ist bei einem derartigen Adoptionsantrag dann gedient, wenn der Stiefelternteil, der das Kind bereits faktisch versorgt, rechtlich zur Deckung des Lebensbedarfs des Kindes verpflichtet wird und sein tatsächlicher Erziehungsbeitrag durch ein (Mit-)Sorgerecht verfestigt und aufgewertet wird. Gegen diesen Vorteil sind stets mögliche immaterielle Nachteile abzuwägen. Die Stiefkindadoption dient dem Kindeswohl, wenn eine Prognose ergibt, dass sich die Annahme durch den Stiefelternteil günstiger auf die Entwicklung und Förderung des Kindes auswirken wird als die "soziale Elternschaft" (Maurer, in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Aufl. 2020, Rn. 113 zu § 1741). Im Rahmen der Kindeswohlprüfung bedarf es der Abwägung der rechtlichen und sozialen Situation des Kindes mit und ohne Adoption.

    b) Dies vorangestellt dient die Annahme als Kind vorliegend eindeutig dem Kindeswohl, § 1741 Abs. 1 BGB. Zwischen der Annehmenden und dem Kind ist bereits ein Eltern-Kind-Verhältnis entstanden. Dies ergibt sich bereits aus der Stellungnahme des Jugendamtes und des Verfahrensbeistandes, aber auch aus der persönlichen Anhörung des Kindes und der persönlichen Anhörung der Annehmenden. Das Kind lebt bereits seit dem 29. Juli 2020 in einem Haushalt mit der Annehmenden und seinem Vater, beide betrachtet Vorname3 als seine (einzigen) Eltern. Nach den Mitteilungen des vom Amtsgericht nach § 191 FamFG bestellten Verfahrensbeistandes hat das Kind dort ein eigenes Zimmer und es sind bei einem Hausbesuch völlig normale und glückliche Familienverhältnisse beobachtet worden. Danach wächst Vorname3 bei der Annehmenden und seinem Vater seit seiner Überführung nach Deutschland sowie ein leibliches gemeinsames Kind auf. Auch die persönliche Anhörung des Kindes durch den Senat zeigte, dass er mit seinen beiden (sozialen) Eltern vertraut umgeht und diese ihm herzlich zugewandt sind; auch er zeigte ein natürliches, liebevolles Verhältnis zu den beiden. Das Kind, das unstreitig noch nicht über die besonderen Umstände seiner Geburt aufgeklärt worden ist, hat sich am gemeinsamen Wohnort in der Gegend1 so eingelebt, als handele es sich um einen Aufenthalt bei leiblichen, rechtlichen Eltern. An dem Gelingen einer Eltern-Kind-Beziehung bestehen keinerlei Zweifel.

    Der Senat folgt hier der Auffassung des OLG Köln, das zur Anerkennungsfähigkeit einer im Ausland - unbegleiteten - Adoption mit Recht ausgeführt hat, dass insgesamt die Grundrechtsposition des Kindes zu berücksichtigen ist (OLG Köln, Beschluss vom 9. Januar 2023 - II-14 UF 126/22 -, juris, Rn. 21). Auch im Rahmen der Absicherung des Elternverhältnisses gegenüber einer Stiefmutter ist das Recht des Kindes auf persönliche Entfaltung in seiner Familie zu achten. Deswegen kommt der beschriebenen persönlichen Bindung des Kindes zu der Annehmenden besonderes Gewicht zu.

    Die Gegenüberstellung der rechtlichen und tatsächlichen Situation des Kindes mit und ohne Stiefkindadoption ergibt eine rechtliche Absicherung seines berechtigten Interesses an einer dauerhaften und gelingenden Mutterbeziehung zu der Person, die Vorname3 jetzt schon als seine (einzige) Mutter ansieht. Die Geburtsmutter Vorname5 X ist im Rahmen eines Leihmuttervertrages schwanger geworden und strebte zu keinem Zeitpunkt die soziale Mutterschaft für das Kind an. Dementsprechend hat sie das Kind nach der Geburt nicht versorgt, sondern Vorname3 zunächst in die Obhut Dritter gegeben. Nur infolge der pandemiebedingten Grenzübertrittsprobleme ist es offenbar dazu gekommen, dass Vorname3 nicht sogleich nach Deutschland zu seinem Vater übersiedeln konnte. Die Geburtsmutter jedoch, die auch nicht die genetische Mutter des Kindes ist, hat sich - erwartungsgemäß - des Kindes zu keinem Zeitpunkt angenommen. Das war vor dem Hintergrund ihrer vertraglichen Verpflichtungen in jeder Hinsicht nachvollziehbar, denn die Entstehung bzw. Verfestigung einer Mutter-Kind -Bindung hätte die Geburtsmutter angesichts ihrer Verpflichtung, das Kind abzugeben, stark belastet, zudem sie infolge der Geburt von Vorname3 und der erforderlichen Hysterektomie keine (weiteren) eigenen Kinder mehr bekommen kann.

    Es ist daher festzustellen, dass Vorname3 anders als andere von einer Stiefkindadoption betroffene Kinder keine (weitere) soziale Mutter hat oder hatte. Die Position der Annehmenden durch den Status einer rechtlichen Mutter abzusichern dient dem Kindeswohl. Denn die Rechte der Annehmenden und des Kindes werden durch das rechtliche Abstammungsverhältnis verbessert: Die Mutter kann die gemeinsame Sorge mit dem Vater ausüben und ist nicht nur auf die Sorge in alltäglichen Angelegenheiten beschränkt, die sie als Stiefelternteil infolge der alleinigen elterlichen Sorge des Vaters ausüben kann (§ 1687 b BGB). Die Annehmende kann auch im Falle des Versterbens des Vaters des Kindes ohne weiteres die elterliche Sorge für das Kind ausüben (§ 1680 BGB), sie könnte im Falle einer Trennung der Eheleute gem. § 1671 BGB im Streit um das Aufenthaltsbestimmungsrecht verlangen, dass Vorname3 weiterhin bei ihr lebt. Das wäre ihr nicht möglich, wenn sie im Falle einer Trennung lediglich die soziale Mutter mit dem unsicheren Status einer Stiefmutter wäre, denn die Alltagssorge entfällt mit der Trennung (§ 1687b Abs. 4 BGB). Eine Verbleibensanordnung zugunsten einer Stiefmutter kommt nur in Betracht, wenn das Kindeswohl durch die Herausnahme aus dem Haushalt gefährdet wäre (§ 1682 S. 1 BGB). Ungeachtet der sozialen Bindungen wäre das Kind daher mit großer Wahrscheinlichkeit eher dem rechtlichen Vater zuzuordnen. Als Stiefelternteil wäre die Annehmende dann auf die Umgangsrechte nahestehender Personen beschränkt, die nur bei Kindeswohldienlichkeit bestehen, § 1685 Abs. 1 BGB. Auch für das Kind kann wegen dieses im Vergleich zum Umgangsrecht von rechtlichen Eltern nach § 1684 BGB strengeren Maßstabs ein Nachteil entstehen, wenn der Kontakt zur Stiefmutter zu regeln wäre.

    Das Kind kann außerdem im Falle eines Versterbens der Annehmenden das gesetzliche Erbe nach ihr nur im Falle einer Adoption antreten. Zwar ist nach einer testamentarischen Erbfolge die Erbschaftssteuerklasse nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG identisch und könnte Vorname3 die Freibeträge nach der günstigen Erbschaftssteuerklasse I Nr. 2 (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) auch als Stiefkind in Anspruch nehmen. Dennoch stellt sich die Absicherung seiner Erbenposition nach der Annehmenden im Wege der gesetzlichen Erbfolge als Vorteil dar, nicht zuletzt wegen der Pflichtteilsansprüche (§ 2303 Abs. 1 BGB).

    Die Nachteile, die das Kind durch den Verlust seiner Geburtsmutter erleidet, treten vor dem Hintergrund der vereinbarten Leihmutterschaft stark in den Hintergrund. Insbesondere ist nicht abzusehen, dass ein irgend geartetes emotionales Band zwischen ihm und Frau Vorname5 X beeinträchtigt wird. Umgangsinteressen sind offensichtlich bereits nicht vorhanden. Ob Erbrechte entstanden sind oder entstehen könnten ist unklar, kann aber vor dem Hintergrund der eindeutig überwiegenden sozialen Aspekte der Durchführung der Adoption dahinstehen.

    c) Die - im Ausland nach den vorgelegten Unterlagen nach dem dortigen Recht legitim durchgeführte, in Deutschland jedoch gem. § 1 I Nr. 7 ESchG, §§ 13 c, 14 b AdVermiG verbotene (vgl. ausführlich Sophie-Marie Humbert, ZRP 2023, 70, beck-online) - Leihmutterschaft spricht nicht gegen die sittliche Rechtfertigung der Stiefkindadoption im Sinne des § 1741 Abs. 1 BGB.

    § 1741 Abs. 1 BGB unterscheidet zwischen zwei Alternativen und lässt im Regelfall eine Annahme als Kind zu, wenn sie dem Kindeswohl dient (§ 1741 Abs. 1 S.1 BGB). Nur wenn die Mitwirkung an einer gesetzes- oder sittenwidrigen Vermittlung oder Verbringung eines Kindes vorliegt, setzt die Annahme als Kind voraus, dass die Annahme für das Kindeswohl erforderlich ist (§ 1741 Abs. 1 S. 2 BGB).

    Es ist bereits streitig, ob der zuletzt genannte § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB auf nach deutschem Recht gesetzwidrige Leihmutterschaften überhaupt anwendbar ist (zum Streitstand OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Februar 2019 - 1 UF 71/18 -, juris, Rn. 22, Löhnig, beck-ok, Stand: 01.07.2023, Rn. 48, 49 zu § 1741 BGB). Das Oberlandesgericht Frankfurt hat in dem Fall eine Anwendbarkeit des strengeren Maßstabes verworfen, wenn ein genetisches Band zwischen der Wunschmutter und dem Kind besteht (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Februar 2019 - 1 UF 71/18 -, juris). Daran fehlt es vorliegend, denn die Eltern haben nunmehr erklärt, die Eizellen stammten von einer anderen Person.

    Auf den Streit kommt es jedoch nur an, wenn festzustellen wäre, dass die Adoption des Kindes nicht zur Wahrung des Kindeswohles erforderlich wäre. Das ist nicht der Fall, denn selbst nach dem strengeren Maßstab der Kindeswohlerforderlichkeit des § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB ist der Adoptionsantrag der Annehmenden begründet, weil die Annahme des Kindes durch sie im Sinne dieser Vorschrift erforderlich ist. Die Annehmende ist 1968 geboren, der Vater 1960. Er war zum Zeitpunkt der Geburt von Vorname3 60 Jahre alt und wird an Vorname3 18. Geburtstag 80 Jahre alt sein. Damit ist - rein statistisch betrachtet - eine durchaus erhöhte Gefahr dafür gegeben, dass der Vater noch während der Minderjährigkeit des Kindes verstirbt. Wie bereits ausgeführt, besteht gerade in diesem Fall für das Kind ein rechtliches Risiko, einem Vormund anvertraut zu werden, weil die Annehmende als Stiefmutter dann auf die Rechte nach §§ 1685, 1682 BGB verwiesen wäre. Dazu kommen die durch eine mögliche Trennung der Eltern entstehenden Risiken. Der Senat geht zwar davon aus, dass die Beziehung der Eltern untereinander aktuell sehr stabil ist. Allerdings hat ein Zerwürfnis der Eltern schon einmal zu einer Scheidung geführt; außerdem ist die Trennungswahrscheinlichkeit - auch statistisch betrachtet - in die Erwägungen mit einzubeziehen.

    d) Mit dem 1. Familiensenat des OLG Frankfurt geht der erkennende Senat außerdem davon aus, dass die Auslegung des § 1741 Abs.1 Satz 2 BGB im Lichte des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK verfassungs- und konventionskonform erfolgen muss und dass generalpräventive Erwägungen hinter das Kindeswohlprinzip zurücktreten. Solche Erwägungen dürfen nicht zulasten der betroffenen Kinder gehen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Februar 2019 - 1 UF 71/18 -, juris, Rn. 34 ff.). Selbst wenn man der Auffassung folgen würde, dass § 1741 Abs. 1 S. 2 BGB auf Leihmutterschaften anzuwenden ist, wäre im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EuGHMR) davon auszugehen, dass das Wohl des Kindes zentrale Bedeutung hat und daher eine Erforderlichkeit im Sinne des § 1741 Abs. 1 S. 2 a.E. BGB anzunehmen ist.

    Nach Auffassung des EuGHMR (Beschluss vom 6. Dezember 2022, Beschwerde Nr. 25212/21, FamRZ 2023, S. 615 ff.) genießt das Kindeswohl auch bei Leihmutterschaften im Rahmen einer Stiefkindadoption eindeutig Vorrang. Der EuGHMR führt dazu aus:

    “Ist ein Kind durch eine Leihmutterschaft geboren und die Vaterschaft des intendierten und genetischen Vaters festgestellt, so gebietet es das Recht auf Achtung des Privatlebens des Kindes nach Art. 8 EMRK, dass auch dann die Möglichkeit zur Etablierung der rechtlichen Elternschaft des anderen Elternteils besteht, wenn es sich um eine im Widerspruch zum nationalen Recht stehende kommerzielle Leihmutterschaft handelt.

    Bei der Abwägung der widerstreitenden Interessen des Kindes auf Achtung seines Privatlebens nach Art. 8 EMRK und des öffentlichen Interesses der Verhinderung kommerzieller Leihmutterschaften wiegt der konkrete Eingriff in die Rechte des Kindes schwerer als das abstrakte Risiko anderer durch kommerzielle Leihmutterschaftsvereinbarungen.“

    Der erkennende Senat teilt die Auffassung des EuGHMR, dass die durch die Widersprüche nationaler Rechtsordnungen zur Rechtmäßigkeit von Leihmutterschaften entstehenden Wertungsprobleme nicht zu Lasten des Rechts von Kindern auf Achtung ihres Privatlebens gehen können. Ein aus einer Kinderwunschbehandlung durch Leihmutterschaft im Ausland legitim hervorgegangenes Kind muss die Möglichkeit haben, die soziale Bindung zu seinen beiden Wunscheltern auch als rechtliches Band abgesichert zu sehen. Die durch eine soziale Elternschaft entstandenen Bindungen sind im Rahmen des Kindeswohles zu respektieren, auch wenn die Leihmutterschaft in Deutschland aus nachvollziehbaren ethischen Gründen verboten ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. September 2022 - 1 BvR 1654/22, NZFam 2022, 1065). Welche Gründe aus ethischer Sicht gegen eine Legitimierung der Leihmutterschaft sprechen können, wird im vorliegenden Verfahren besonders deutlich, musste doch bei der leiblichen Mutter von Vorname3 nach der Geburt die Gebärmutter entfernt werden und ist gänzlich unklar, ob sie die nicht sehr hohe Geldentschädigung für diese erhebliche Verletzung erhalten hat. Außerdem bleibt völlig im Unklaren, welche „Vergütung“ sie aus den vertraglich zugesagten Kosten der Wunschkindbehandlung beanspruchen konnte. Das sind Aspekte, die in den (in Deutschland anstehenden) Gesetzgebungsverfahren zur Leihmutterschaft und Eizellspende berücksichtigt werden müssen, für die hier anstehende Frage jedoch im Ergebnis nicht ausschlaggebend sein können.

    Nach Auffassung des Senats gilt die vorrangige Berücksichtigung des Kindeswohles auch, obwohl vorliegend nicht aufgeklärt ist, ob der rechtliche Vater des Anzunehmenden auch der genetische Vater ist. Zweifel daran bestehen, weil die Eltern zunächst angegeben hatten, dass sein körperliches Unvermögen Anlass zum Weg in die Kinderwunschbehandlung gegeben hat. Der EuGHMR hatte keinen Anlass zu klären, ob auch bei einem Auseinanderfallen der genetischen und der rechtlichen Vaterschaft das Kindeswohl den Ausschlag geben muss und damit das nach nationalem Recht bestehende Leihmutterverbot weniger bedeutsam wird.

    Nach Auffassung des erkennenden Senats muss jedoch auch im Falle einer rein rechtlichen Vaterschaft das Kindeswohl den Vorrang vor generalpräventiven Aspekten genießen. Grund für diese Auffassung ist, dass der Senat keinen maßgeblichen Unterschied zwischen einer genetischen und einer (nur) rechtlichen Vaterschaft erkennt, zudem wie vom EuGHMR gefordert eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung geboten ist. Die rechtliche und die leibliche Vaterschaft eines Mannes nach § 1592 BGB führt nicht zu unterschiedlichen Rechtsbindungen je nach Entstehung des (gemeinsamen) Kindes durch intime Beziehung mit der Mutter oder nach homologer oder heterologer Insemination. Im Gegenteil sind die Rechtsverhältnisse weitgehend gleichgestellt. Jedenfalls nach einer Kinderwunschbehandlung ist das rechtliche Band zwischen einem minderjährigen Kind und seinem rechtlichen Vater nicht mehr auflösbar, denn eine Anfechtung scheidet während der Minderjährigkeit nach § 1600 Abs. 4 BGB aus und auch der genetische Vater kann nicht als rechtlicher Vater festgestellt werden (§ 1600d Abs. 4 BGB). Der einzige Unterschied zu einem rechtlichen und genetischen Vater besteht darin, dass das aus einer heterologen Insemination hervorgegangene Kind die Vaterschaft unter bestimmten Voraussetzungen nach Volljährigkeit anfechten kann, weil die Beschränkungen des § 1600 Abs. 4 BGB nicht für das Kind gelten. Gleiches gilt sogar bei einer wahrheitswidrigen Anerkennung des Kindes als eigenes Kind (mit Zustimmung der Mutter und des von ihr vertretenen Kindes, §§ 1592 Nr. 2, 1594, 1595 BGB). Das Kind bleibt auch nach einer ärztlich unterstützten künstlichen Befruchtung einer unverheirateten Frau ohne rechtlichen Vater, denn auch hier wird der genetische Vater unter keinen Umständen rechtlicher Vater, § 1600d Abs. 4 BGB. Nach Auffassung des Senats zeigt das geltende Abstammungsrecht daher eine klare Tendenz dazu, die rechtliche Vaterschaft unabhängig von der genetischen Wahrheit als vollwertig anzuerkennen. Das wird auch am Anfechtungshindernis des § 1600 Abs. 2 BGB deutlich, der in den Fällen der erstarkten sozialen Vaterschaft ein Anfechtungsrecht eines leiblichen Vaters ausscheiden lässt. Deswegen ist keine rechtliche Differenzierung nach genetischer oder nur rechtlicher Vaterschaft bei der hier zu entscheidenden Frage geboten, ob dem Makel der im Inland verbotenen Leihmutterschaft eine Stiefkindadoption entscheidende Bedeutung zukommt. Stattdessen ist auf das Kindeswohl abzustellen.

    e) Es ist nicht ersichtlich, dass überwiegende Interessen der Tochter der Annehmenden der Adoption entgegenstehen oder dass die Interessen des Anzunehmenden hierdurch gefährdet werden, § 1745 BGB.

    4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG und trägt dem Umstand Rechnung, dass die Annehmende und der Vater als Beteiligte im Sinne des § 188 FamFG das Adoptionsziel gemeinsam verfolgten und beide Beschwerde eingelegt haben. Eine Kostenauferlegung zu Lasten des Kindes scheidet ebenso aus, wie der Leihmutter Kosten aufzugeben.

    5. Der Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 42 FamGKG. Mangels einer besonderen Wertvorschrift für das Adoptionsverfahren bestimmt sich der Verfahrenswert gemäß § 42 Abs. 1 FamGKG und somit nach billigem Ermessen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. Februar 2019 - 1 UF 71/18 -, juris). Dieses hat sich an den Umständen des Einzelfalls, insbesondere dem Umfang und der Bedeutung der Sache sowie den Vermögens- und Einkommensverhältnissen der Beteiligten zu orientieren. Da der Wert durch die erstinstanzliche Wertfestsetzung begrenzt ist (§ 40 Abs. 2 FamGKG), war der Wert auf 5.000 € festzusetzen.

    6. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nicht in Betracht, weil Beschlüsse, mit denen die Annahme als Kind ausgesprochen wird, gem. § 197 Abs. 3 S. 1 FamFG unanfechtbar sind.

    RechtsgebieteBGB, FamFGVorschriften§ 1741 BGB, § 196a FamFG