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  • 28.02.2024 · IWW-Abrufnummer 239991

    Oberlandesgericht Stuttgart: Beschluss vom 12.12.2023 – 18 UF 30/23

    1. Zur Härteklausel des § 1568 Abs. 1 Alt. 1 BGB (kindbezogene Gründe): das Eingreifen des Härtegrundes setzt voraus, dass durch die Scheidung selbst solche atypischen, ungewöhnlichen Folgen verursacht werden, dass die Aufrechterhaltung der Elternehe im Kindesinteresse notwendig ist, und dass sich die Situation des Kindes durch das Absehen vom Scheidungsausspruch verbessert.

    2. Wenn die Scheidung der Ehe ausgesprochen wird, ohne dass über den von Amts wegen durchzuführenden Versorgungsausgleich in der Sache entschieden wurde, handelt es sich beim Scheidungsausspruch um eine unzulässige Teilentscheidung. Die Aufhebung und Zurückverweisung in der Folgesache Versorgungsausgleich führt zur Aufhebung und Zurückverweisung des Scheidungsausspruchs zur Aufrechterhaltung des Verbundes in erster Instanz, da das Gebot der einheitlichen Endentscheidung nach § 142 Abs. 1 Satz 1 FamFG grundsätzlich jeder vorab oder getrennt ergehenden Teilentscheidung entgegensteht und auch in der Rechtsmittelinstanz gilt.

    Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen.


    Oberlandesgericht Stuttgart 

    Beschluss


    In der Familiensache
    Y., Staatsangehörigkeit: türkisch
    - Antragsteller und Beschwerdegegner -
    Verfahrensbevollmächtigter:
    gegen
    Y. Staatsangehörigkeit: griechisch, deutsch
    - Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin -
    Verfahrensbevollmächtigte:

    wegen Scheidung und Folgesachen

    hat das Oberlandesgericht Stuttgart - 18. Zivilsenat - Familiensenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht xxx, den Richter am Oberlandesgericht xxx und die Richterin am Oberlandesgericht xxx am 12.12.2023 beschlossen:

    Tenor:
    1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Albstadt vom 06.06.2023 (AZ 2 F 305/22) aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten beider Instanzen, an das Amtsgericht - Familiengericht - Albstadt zurückverwiesen.
    2. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 12.700,00 € festgesetzt (Ehesache 11.700,00 €, Versorgungsausgleich 1.000,00 €)

    Gründe

    I.

    Die Antragsgegnerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen den Scheidungsverbundbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Albstadt vom 06.06.2023. Sie möchte erreichen, dass der Ehescheidungsantrag zurückgewiesen, hilfsweise der Versorgungsausgleich durchgeführt wird.

    Der Antragsteller und die Antragsgegnerin haben am 27.06.2003 die Ehe geschlossen. Der Antragsteller ist türkischer Staatsangehöriger, die Antragsgegnerin hat die griechische und die deutsche Staatsbürgerschaft. Aus der Ehe der Beteiligten sind die beiden Töchter Di., geb. am 31.10.2004, und D., geb. am 28.07.2008, hervorgegangen. Die Beteiligten leben seit September 2021 getrennt. Zum damaligen Zeitpunkt ist der Antragsteller aus der Ehewohnung ausgezogen. Die minderjährige Tochter D. hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei der Antragsgegnerin.

    Der Antragsteller hat erstinstanzlich vorgetragen, die Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin sei zerrüttet und als unwiderruflich gescheitert anzusehen. Der Antragsteller habe sich von der Antragsgegnerin abgewandt und werde schon aufgrund seiner aktuellen Lebensplanung nicht mehr zu ihr zurückkehren. Die Kinder der Beteiligten würden seinen Scheidungswunsch respektieren. Die Trennung der Eltern habe zu keiner besonderen Belastung bei ihnen geführt. Der Antragsteller wolle, dass die Ehe der Beteiligten geschieden werde.

    Der Antragsteller hat beantragt,

    die am 27.06.2003 vor dem Standesbeamten des Standesamtes Albstadt geschlossene Ehe der Beteiligten zu scheiden.

    Die Antragsgegnerin hat beantragt,

    den Ehescheidungsantrag abzuweisen.

    Die Antragsgegnerin hat erstinstanzlich im Wesentlichen ausgeführt, sie liebe den Antragsteller noch immer und wolle, auch im Interesse der Kinder, an der Ehe festhalten. Sie sei fest davon überzeugt, dass die Ehe nicht endgültig gescheitert sei und glaube, der Antragsteller werde zu ihr zurückkehren. Die Kinder träfen sich mit dem Antragsteller und würden mit ihm reden, falls sie etwas benötigen würden.

    Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Familiengericht die Ehe geschieden und weiter ausgesprochen, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde.

    Zur Begründung führt das Familiengericht im Wesentlichen aus, auf die Ehescheidung finde deutsches Recht Anwendung, da beide Beteiligte zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt hätten. Es könne nicht erwartet werden, dass die Beteiligten ihre eheliche Lebensgemeinschaft wieder herstellen würden, da der Antragsteller glaubhaft bekundet habe, er wolle an der Ehe nicht mehr festhalten. Der Versorgungsausgleich sei nicht durchzuführen, weil die Voraussetzungen nach Art. 17 Abs. 4 Satz 1 EGBGB nicht vorlägen und kein Ehegatte die Durchführung des Versorgungsausgleichs gemäß Art. 17 Abs. 4 Satz 2 EGBGB beantragt habe.

    Gegen die Entscheidung des Familiengerichts, die der Antragsgegnerin am 14.06.2023 zugestellt wurde, hat sie mit Schriftsatz vom 11.07.2023, eingegangen beim Amtsgericht Albstadt am 12.07.2023, Beschwerde eingelegt und dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sowohl der Beschlusstenor Ziff. 1 als auch der Beschlusstenor Ziff. 2 angefochten würden.

    Die Antragsgegnerin trägt im Wesentlichen vor, die minderjährige Tochter D. der Beteiligten leide seit der Trennung an depressiven Verstimmungen. Zudem lehne sie immer wieder jeden Kontakt mit anderen Personen ab und schließe sich in ihrem Zimmer ein. Sofern die Ehe der Beteiligten rechtskräftig geschieden werden sollte, habe dies eine dauerhafte Trennung der Beteiligten zur Folge. Damit gehe eine Kindeswohlgefährdung betreffend das Kind D. einher, weshalb das Familiengericht gehalten gewesen sei, diesbezüglich weitere Ermittlungen anzustellen. Umgänge zwischen dem Antragsteller und D. hätten in den letzten Monaten nicht mehr stattgefunden. Die schulischen Leistungen des Mädchens hätten sich in den letzten Monaten erheblich verschlechtert. D. leide nach wie vor unter der Trennung ihrer Eltern und könne nicht akzeptieren, dass sich der Antragsteller einer anderen Frau zugewandt habe. Besonders belastet habe D. ein Foto, auf welchem zu sehen sei, wie die neue Lebensgefährtin des Antragstellers diesen küsse.

    Sollte der Ehescheidungsantrag nicht abzuweisen sein, sei der Versorgungsausgleich von Amts wegen durchzuführen, da die Antragsgegnerin auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitze und beide Beteiligte deutsche Rentenanwartschaften, unter anderem bei der Deutschen Rentenversicherung, erworben hätten.

    Die Antragsgegnerin beantragt,

    den Beschluss des Familiengerichts abzuändern und den Scheidungsantrag abzuweisen

    hilfsweise für den Fall, dass dem Abweisungsantrag nicht entsprochen werden sollte: den Versorgungsausgleich durchzuführen.

    hilfsweise: das Verfahren unter Aufhebung des vom Amtsgericht Albstadt am 06.06.2023 erlassenen Beschlusses an dieses Gericht zurückzuverweisen, damit weitere Ermittlungen bezüglich der Gefährdung des Kindeswohls durchgeführt würden.

    Der Antragsteller beantragt,

    die Beschwerde zurückzuweisen.

    Er führt im Wesentlichen aus, D. leide weder unter einer depressiven Verstimmung oder der Trennung der Eltern noch lehne sie den Kontakt zu anderen Personen ab. Sie respektiere die Entscheidung des Antragstellers. Das Verhältnis zwischen Vater und Tochter sei sehr herzlich. D. besuche den Antragsteller regelmäßig, sei sehr fröhlich und habe keine Probleme. Der Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs sei nicht fristgerecht vor dem Familiengericht gestellt worden.

    Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten in beiden Instanzen sowie des Ergebnisses der Anhörungen vor dem Familiengericht wird auf die zwischen den Beteiligten in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die erstinstanzlichen Protokolle Bezug genommen.

    II.

    1.
    Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig. Insbesondere wurde sie innerhalb der Beschwerdefrist des § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt.

    2.
    In der Sache selbst ist die gegen den Scheidungsausspruch gerichtete Beschwerde zwar nach materiellem Recht an sich unbegründet, ihr ist aber aus verfahrensrechtlichen Gründen insofern stattzugeben, als das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Entscheidung über die Ehesache und die Folgesache Versorgungsausgleich an das Familiengericht zurückzuverweisen ist. Die gegen die Entscheidung in der Folgesache Versorgungsausgleich eingelegte Beschwerde ist begründet.

    a)
    Gemäß § 1565 Abs. 1 S 1 BGB kann eine Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Gemäß § 1565 Abs. 1 S 2 BGB ist eine Ehe gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen. Diese Voraussetzungen liegen vor, da der Antragsteller und die Antragsgegnerin unstreitig seit September 2021, also nunmehr seit mehr als zwei Jahren, im Sinne des § 1567 Abs. 1 S 1 BGB getrennt leben, die gesetzliche Überlegungsfrist also abgelaufen ist, und der Antragsteller sowohl schriftsätzlich als auch bei seiner persönlichen Anhörung am 25.04.2023 erklärt hat, dass für ihn eine Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft mit der Antragsgegnerin keinesfalls in Frage komme und dass er in einer neuen Partnerschaft lebe.

    Da feststeht, dass die Ehe des Antragstellers und der Antragsgegnerin gescheitert ist und ihre eheliche Lebensgemeinschaft nicht wieder aufgenommen werden wird, käme eine Zurückweisung des Ehescheidungsantrages nur unter den strengen Voraussetzungen des § 1568 BGB in Betracht. Nach § 1568 Alt. 1 BGB soll eine Ehe nicht geschieden werden, obwohl sie gescheitert ist, wenn und solange die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise notwendig ist. Diese Voraussetzungen liegen schon nach dem eigenen Vortrag der Antragsgegnerin nicht vor. Die Härteklausel greift nur ein, wenn bei dem Kind durch die Scheidung selbst solche atypischen, ungewöhnlichen Folgen verursacht werden, dass die Aufrechterhaltung der Elternehe im Kindesinteresse notwendig ist (Johannsen/Henrich/Althammer/Kappler, Familienrecht, 7. Auflage 2020, § 1568, Rn. 15). Alle für ein Kind nachteiligen Folgen, die bereits auf der Trennung der Eltern bzw. auf dem Scheitern der Ehe als solchem beruhen, können nicht unter die Kinderschutzklausel gefasst werden (Staudinger/Rauscher (2018) BGB, § 1568 Rn. 47). Die Kinderschutzklausel greift nicht ein, wenn lediglich vorgetragen wird, das Kind werde durch die Ehescheidung der Eltern seelisch schwer getroffen (OLG Zweibrücken, FamRZ 1982, 294). Die Antragsgegnerin betont in ihrem Vortrag in der Beschwerdeinstanz mehrfach, wie sehr D. unter der Trennung ihrer Eltern und der Aufnahme einer neuen Beziehung durch den Antragsteller leide. Dies habe bei ihr zu depressiven Verstimmungen geführt. Ein solches Leiden des Kindes unter der Trennung seiner Eltern führt aber nicht dazu, dass von der Scheidung der Ehe abzusehen wäre. Zu den Auswirkungen des Scheidungsausspruchs an sich führt die Antragsgegnerin lediglich aus, dieser habe eine dauerhafte Trennung der Beteiligten zur Folge. Letzteres ist unzutreffend, da auch ohne Scheidungsausspruch feststeht, dass die Ehe der Beteiligten gescheitert, ihre Trennung also endgültig, ist, weil der Antragsteller eine Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft endgültig ablehnt. Wenn D. in dem Maß, wie die Antragsgegnerin es schildert, es vom Antragsteller aber bestritten wird, unter der Trennung ihrer Eltern leidet, kann dieses Leid nicht dadurch vermindert werden, dass vom Ausspruch der Ehescheidung abgesehen wird, weil Letzteres nicht zur Folge hätte, dass der Antragsteller zur Antragsgegnerin zurückkehren würde. Die Härteklausel greift damit nicht ein, sodass die Ehe der Beteiligten zu scheiden wäre. Weitere Ermittlungen hätte das Familiengericht insoweit nicht anstellen müssen.

    b)
    Der Scheidung der Ehe zum jetzigen Zeitpunkt stehen aber verfahrensrechtliche Gründe entgegen, da das Familiengericht gehalten gewesen wäre, von Amts wegen den Versorgungsausgleich durchzuführen, und da das Gebot der einheitlichen Endentscheidung in der Ehesache und den Folgesachen nach § 142 Abs. 1 S 1 FamFG auch für die Beschwerdeinstanz gilt (Prütting/Helms/Helms, FamFG, 7. Auflage, § 142, Rn. 3). Hinsichtlich der Folgesache Versorgungsausgleich liegen die Voraussetzungen für eine Aufhebung und Zurückverweisung von Amts wegen gemäß § 69 Abs. 1 S 2 FamFG vor, was eine Aufhebung und Zurückverweisung auch der Ehesache nach sich zieht.

    aa)
    Die Antragsgegnerin ficht in ihrer Beschwerdeschrift vom 11.07.2023 ausdrücklich auch die Entscheidung zum Versorgungsausgleich an und führt in ihrer Beschwerdebegründung vom 25.08.2023 hierzu aus, der Versorgungsausgleich hätte von Amts wegen durchgeführt werden müssen, da die Antragsgegnerin auch deutsche Staatsangehörige sei.

    Dieser Einwand ist rechtlich zutreffend. Gemäß Art. 17 Abs. 4 EGBGB unterliegt der Versorgungsausgleich dem nach der sog. Brüssel II b-Verordnung auf die Scheidung anzuwendenden Recht; er ist nur durchzuführen, wenn danach deutsches Recht anzuwenden ist und ihn das Recht eines der Staaten kennt, denen die Ehegatten im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags angehören. Wie das Familiengericht mit zutreffender Begründung, auf die Bezug genommen wird, feststellt, ist auf die Scheidung der Ehe der Beteiligten deutsches Recht anzuwenden. Die weitere Voraussetzung, nämlich dass das Recht eines der Staaten, denen die Ehegatten im Zeitpunkt des Eintritts der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags angehören, den Versorgungsausgleich kennt, liegt ebenfalls vor. Die Antragsgegnerin ist nicht nur griechische Staatsangehörige, sondern besitzt darüber hinaus auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Gemäß Art. 5 Abs. 1, 2 EGBGB geht die deutsche Staatsangehörigkeit vor, wenn eine Person mehreren Staaten angehört und auf das Recht des Staates verwiesen wird, dem eine Person angehört, wie dies in Art. 17 Abs. 4 EGBGB der Fall ist. Da die Antragsgegnerin auch deutsche Staatsangehörige ist, wäre also der Versorgungsausgleich gemäß Art. 17 Abs. 4 EGBGB von Amts wegen durchzuführen gewesen.

    Zur Durchführung des Versorgungsausgleichs ist die Entscheidung des Familiengerichts in Ziff. 2 des Beschlusses vom 06.06.2023 gemäß § 69 Abs. 1 S 2 FamFG von Amts wegen aufzuheben und die Sache an das Familiengericht zurückzuverweisen, da das Familiengericht zum Versorgungsausgleich noch keine Entscheidung in der Sache getroffen hat.

    Zwar hat das Familiengericht - was es nicht hätte tun dürfen, um den Beteiligten die Möglichkeit offen zu halten, nachträglich einen Antrag gemäß Art. 17 Abs. 4 S 2 EGBGB zu stellen - zum Versorgungsausgleich eine Entscheidung getroffen, nämlich die, dass der Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Hierbei handelt es sich aber nicht um eine Entscheidung in der Sache. Eine solche liegt nur vor, wenn das Gericht eine Entscheidung über das dem Verfahrensgegenstand zugrunde liegende Rechtsverhältnis in umfassender Weise getroffen, sich mit ihm also inhaltlich auseinandergesetzt hat (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 2019, 1741; OLG Hamm, FamRZ 2013, 310). Sinn der Regelung in § 69 Abs. 1 S 2 FamFG ist nämlich, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich der Überprüfung des dem Verfahrensgegenstand zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses nicht eine Tatsacheninstanz verlieren soll (Sternal/Sternal, FamFG, 21. Auflage, § 69 FamFG, Rn. 19). Dies ist aber immer dann der Fall, wenn zwar eine erstinstanzliche Entscheidung ergangen ist, sich diese aber auf die Entscheidung über Formalien beschränkt. Das Familiengericht hat den Versorgungsausgleich nicht durchgeführt, dementsprechend auch keine Auskünfte eingeholt und keine Berechnung vorgenommen. Es hat seine Entscheidung, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfinde, allein auf einen fehlenden Antrag der Beteiligten, also auf ein vom Familiengericht - zu Unrecht - für notwendig erachtetes Formerfordernis gestützt. Würde nun das Beschwerdegericht die Entscheidung des Familiengerichts nicht aufheben und die Sache nicht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen, sondern den Versorgungsausgleich selbst durchführen, würde die Antragsgegnerin und Beschwerdeführerin hinsichtlich der Folgesache Versorgungsausgleich eine Tatsacheninstanz verlieren.

    bb)
    Die Aufhebung und Zurückverweisung in der Folgesache Versorgungsausgleich führt auch zur Aufhebung und Zurückverweisung des Scheidungsausspruchs zur Aufrechterhaltung des Verbundes in erster Instanz. Das Gebot der einheitlichen Endentscheidung nach § 142 Abs. 1 Satz 1 FamFG steht grundsätzlich jeder vorab oder getrennt ergehenden Teilentscheidung entgegen und gilt auch in der Rechtsmittelinstanz (Prütting/Helms/Helms, FamFG, 7. Auflage, § 142). Würde die Beschwerde gegen den Scheidungsausspruch zurückgewiesen, würde dieser rechtskräftig werden, während der Versorgungsausgleich noch zu regeln ist. Dadurch würde ein Zustand entstehen, den die Regelung des § 142 Abs. 1 Satz 1 FamFG gerade vermeiden will, nämlich: die Scheidung der Ehe ohne Entscheidung über die Folgesache Versorgungsausgleich (vgl. OLG Brandenburg, FamRZ 2013, 301; KG, 3 UF 16/18 - juris, beide zur Folgesache nachehelicher Unterhalt). Da es sich bei der Entscheidung des Familiengerichts, die Scheidung der Ehe auszusprechen, ohne über den Versorgungsausgleich in der Sache zu entscheiden, um eine unzulässige Teilentscheidung handelt, erfolgt auch in Bezug auf den Scheidungsausspruch die Aufhebung und Zurückverweisung gemäß § 117 Abs. 2 S 1 FamFG i. V. m. § 538 Abs. 2 S 1 Nr. 7 ZPO von Amts wegen (Sternal/Weber, FamFG, 21. Auflage, § 142 FamFG, Rn.5).

    Da sowohl hinsichtlich des Scheidungsausspruchs als auch hinsichtlich der Entscheidung zum Versorgungsausgleich die Voraussetzungen für eine Aufhebung und Zurückverweisung von Amts wegen vorliegen, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob der von der Antragsgegnerin hilfsweise gestellte Antrag auf Aufhebung und Zurückverweisung, den sie damit begründet hatte, es seien noch Ermittlungen zur Härteklausel des § 1568 BGB durchzuführen, auch zu einer Aufhebung und Zurückverweisung aus anderen Gründen hätte führen können.

    3.
    Das Gericht entscheidet gemäß § 117 Abs. 3, § 68 Abs. 3 S 2 FamFG ohne erneute mündliche Verhandlung, da von einer solchen keine gegenüber dem schriftlichen Vortrag der Beteiligten neuen Erkenntnisse zu erwarten sind. Die Antragsgegnerin und der Antragsteller haben ausführlich schriftsätzlich vorgetragen und wurden vor dem Familiengericht persönlich angehört. Über den Inhalt der Anhörungen wurden Protokolle gefertigt. Auf die Möglichkeit, ohne erneute mündliche Verhandlung zu entscheiden, wurden die Beteiligten mit Verfügung vom 15.07.2023 ausdrücklich hingewiesen. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

    III.

    Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wird das Familiengericht zusammen mit den Kosten der ersten Instanz zu entscheiden haben. Dabei wird zu berücksichtigen sein, dass die Beschwerde gegen den Scheidungsausspruch in der Sache keinen Erfolg gehabt hätte.

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