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  • 05.03.2024 · IWW-Abrufnummer 240119

    Oberlandesgericht Hamm: Beschluss vom 21.12.2023 – II-4 UF 36/23

    1. Der Unterhaltsanspruch nach § 1571 BGB besteht auch dann, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte nicht im Laufe einer langjährigen Ehe alt und unterhaltsbedürftig geworden ist, sondern bereits bei Eheschließung altersbedingt einer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen konnte.

    2. § 1571 BGB verlangt keine ehebedingte Bedürfnislage, so dass allein das Vorliegen einer Altersehe bzw. das Fehlen einer ehebedingten Bedürfnislage keine Gründe zur Unterhaltsbegrenzung nach § 1579 Nr. 8 BGB darstellen.

    3. Zur Verminderung seiner Bedürftigkeit ist der Unterhaltsbedürftige nach § 1577 Abs. 1 BGB gehalten, neben seinen Renteneinkünften auch das ihm aus dem Verkauf des zu Ehezeiten bewohnten bebauten Grundstücks zugeflossene Vermögen für Unterhaltszwecke einzusetzen.

    4. Im Rahmen der gebotenen Verwertung des Vermögensstamms, ist der Vermögensbetrag auf die voraussichtliche Dauer der Unterhaltsbedürftigkeit umzurechnen.


    Oberlandesgericht Hamm


    Tenor:

    Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der am 11.01.2023 verkündete Beschluss des Amtsgerichts ‒ Familiengericht ‒ Olpe abgeändert.

    Die Antragstellerin wird verpflichtet, ab Rechtskraft der Scheidung an den Antragsgegner einen nachehelichen Unterhalt i.H.v. monatlich 1.297,00 € zu zahlen.

    Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.

    Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.564,00 € festgesetzt.

    1
    Gründe:

    2
    A.

    3
    Die Beteiligten haben am 00.00.2007 geheiratet. Zu diesem Zeitpunkt war die Antragstellerin 52 Jahre und der Antragsgegner 51 Jahre alt.

    4
    Die Trennung erfolgte im Mai 2020 zunächst in der ehelichen Wohnung, einer Doppelhaushälfte, die die Antragstellerin im Zusammenhang mit der Eheschließung nach dem Verkauf ihrer bestehenden Immobilie und zusätzlicher Aufnahme einer Darlehensverpflichtung zu Alleineigentum erworben hatte.

    5
    Die Renovierung der Doppelhaushälfte, es handelte sich um ein älteres, verwohntes Haus, haben die Beteiligten gemeinsam durchgeführt und dabei Aufwendungen in unterschiedlicher Höhe, wobei Einzelaufträge bis zu rd. 3.000,00 € erteilt wurden, getragen.

    6
    Nach der unwidersprochen gebliebenen Darstellung des Antragsgegners war die Doppelhaushälfte nach den Planungen der Eheleute als Altersversorgung gedacht.

    7
    Im Juli 2020 ist die Immobilie veräußert und der Veräußerungserlös entsprechend einer notariellen Vereinbarung zum Zugewinn vom 15.04.2021 zwischen den Beteiligten hälftig geteilt worden, so dass der Antragsgegner 65.000,00 € erhielt. Seit der Veräußerung leben die Beteiligten auch räumlich getrennt.

    8
    Aufgrund des von der Antragstellerin betriebenen Scheidungsverfahrens ist die Ehe mit Beschluss vom 11.01.2023, rechtskräftig seit dem 22.04.2023, geschieden und der Versorgungsausgleich seitens des Familiengerichts durchgeführt worden.

    9
    Die Antragstellerin befindet sich seit mehreren Jahren im Bezug von Ruhegehalt seitens des Landesamtes für Besoldung und Versorgung NRW (nachfolgend: LBV) sowie im Bezug einer Regelaltersrente der Deutschen Rentenversicherung Bund (nachfolgend: DRV).

    10
    Der Antragsgegner war im Wesentlichen als (..) selbständig und hat im Ergebnis nur geringe Rentenanwartschaften außerhalb der Ehezeit erworben und daneben keine sonstige Altersvorsorge betrieben.

    11
    In den ersten Ehejahren hat er gut verdient, bis die von ihm geführte Firma im Jahre 2013 insolvent wurde. Seit dem Jahr 2018 geht der Antragsgegner keiner Erwerbstätigkeit mehr nach, wobei die Gründe streitig sind.

    12
    Er hat behauptet, seit 2018 erwerbsunfähig erkrankt zu sein (Herzinsuffizienz) und hat die Ansicht vertreten, die Antragstellerin, die bislang bereits Trennungsunterhalt in Höhe von 1.900,00 € monatlich gezahlt habe, sei auch zur Zahlung von nachehelichen Unterhalt verpflichtet.

    13
    Er hat erstinstanzlich beantragt,

    14
    die Antragstellerin zu verpflichten, an ihn beginnend mit dem 1. auf die Rechtskraft der Scheidung folgenden Monat einen nachehelichen Unterhalt in Höhe von 1.405,00 € zu zahlen.

    15
    Die Antragstellerin hat beantragt,

    16
    den Antrag abzuweisen.

    17
    Sie hat die Ansicht vertreten, mit der Durchführung des Versorgungsausgleichs entfalle ein Unterhaltsanspruch. Der Antragsgegner habe keine ehebedingten Nachteile erlitten, vielmehr durch den Versorgungsausgleich und die Zugewinnausgleichszahlung nur Vorteile aus der Ehe erlangt.

    18
    Das Familiengericht hat mit dem am 11.01.2023 verkündeten Beschluss die Ehe der Beteiligten geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt und den Antrag auf Zahlung von nachehelichen Unterhalt zurückgewiesen.

    19
    Zur Begründung hat es ausgeführt, mit der Durchführung des Versorgungsausgleichs seien die Voraussetzungen für einen nachehelichen Unterhaltsanspruch entfallen. Ansonsten würde der Antragsgegner an den Einzahlungen der Antragstellerin aus der Zeit vor der Heirat partizipieren.

    20
    Gegen den am 20.01.2023 zugestellten Beschluss hat sich der Antragsgegner mit seiner am 09.02.2023 eingegangenen und mit Schriftsatz vom 17.03.2023 begründeten Beschwerde gewandt.

    21
    Er ist der Ansicht, der Versorgungsausgleich führe nicht zum Entfall des Unterhaltsanspruchs.

    22
    Er beantragt,

    23
    abändernd die Antragstellerin zu verpflichten, ab Rechtskraft der Scheidung an ihn einen nachehelichen Unterhalt i.H.v. monatlich 1.297,00 € zu zahlen.

    24
    Die Antragstellerin beantragt,

    25
    die Beschwerde zurückzuweisen.

    26
    Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Ferner ist sie der Ansicht, dass ein etwaiger Unterhaltsanspruch verwirkt, jedenfalls aber zu begrenzen und zu befristen sei.

    27
    Der Senat hat die Antragstellerin angehört und ihr einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, der von ihr aber ‒ anwaltlich beraten ‒ abgelehnt worden ist. Im Übrigen wird auf das Sitzungsprotokoll und auf den Berichterstattervermerk zum Senatstermin am 23.11.2023 Bezug genommen.

    28
    Die Antragstellerin hat mit nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 12.12.2023 beantragt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen und weitere rechtliche Ausführungen zur Verwirkung bzw. Begrenzung und Befristung des Unterhaltsanspruchs gemacht. Wegen der Einzelheiten wird auf den vorgenannten Schriftsatz Bezug genommen.

    29
    B.

    30
    Die Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

    31
    Die Antragstellerin ist gemäß § 1571 Nr. 1 BGB verpflichtet, an den Antragsgegner ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Unterhalt in der beantragten Höhe zu zahlen

    32
    I.Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde bestehen nach den §§ 117 Abs. 1, 2 FamFG i.V.m. den in Bezug genommenen Regelungen zum Berufungsrecht der ZPO nicht, insbesondere ist die Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt worden.

    33
    II.Dem Antragsgegner steht ein Anspruch auf Zahlung von nachehelichen Unterhalt nach § 1571 Nr. 1 BGB gegen die Antragstellerin zu.

    34
    Nach dieser Vorschrift kann ein geschiedener Ehegatte von dem anderen Unterhalt verlangen, soweit von ihm im Zeitpunkt der Scheidung wegen seines Alters eine Erwerbstätigkeit nicht mehr erwartet werden kann.

    35
    Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1571 BGB sind hier ‒ im Ergebnis ‒ unstreitig gegeben. Darüber hinaus ist der Unterhaltsanspruch entgegen der Auffassung der Antragstellerin weder verwirkt noch zu befristen oder zu begrenzen.

    36
    1.

    37
    Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Altersunterhalt nach § 1571 Nr. 1 BGB sind gegeben.

    38
    a)

    39
    Die Beteiligten sind seit dem 22.04.2023 rechtskräftig geschiedene Eheleute. Im zeitlich engen Zusammenhang mit dem Einsatzzeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung nach § 1571 Nr. 1 BGB ist der Antragsgegner zum 01.05.2023 verrentet worden.

    40
    Da es sich dabei unstreitig um die Regelaltersrente handelt, kann vom Antragsgegner aufgrund seines Alters keine Erwerbstätigkeit mehr erwartet werden, es liegt eine altersbedingte Unzumutbarkeit der Erwerbstätigkeit vor.

    41
    aa)

    42
    Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass der Antragsgegner als Selbstständiger eine Firma geführt hat, die während der Ehezeit in Insolvenz geraten ist. Zwar kommt es vor, dass freiberuflich Tätige und Selbstständige den Beruf über die Regelaltersgrenze hinaus ausüben. Dies bedeutet aber nicht, dass sie mit Erreichen der Regelaltersgrenze sich nicht auf diese Grenze berufen könnten (BGH FamRZ 2011, 454, 455 Rn. 18).

    43
    Dementsprechend kann sich der Antragsgegner, der im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung 67 Jahre alt war, sich auf den Eintritt der allgemeinen Altersgrenze berufen.

    44
    bb)

    45
    Soweit der Antragsgegner in der Zeit vom 23. bis zum 30.04.2023 keine Rente bezog, andererseits zu dieser Zeit unstreitig keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, führt dies zu keiner anderen Bewertung, da er ‒ wie dargelegt ‒ bereits das allgemeine Rentenalter erreicht hatte.

    46
    Die Bewilligung der Rente erfolgte lediglich deshalb erst im Jahre 2023, da der Antragsgegner selbst kaum eigene Anwartschaften erworben hatte und daher erst mit dem Versorgungsausgleich für die Zeit ab dem 1. des der Rechtskraft der Scheidung folgenden Monats einen Anspruch auf Altersrente hatte.

    47
    Auf die Frage, ob der Antragsgegner aufgrund der von ihm behaupteten Herzinsuffizienz zum Einsatzzeitpunkt nicht erwerbsfähig war, kommt es wegen Erreichens der Regelaltersgrenze dementsprechend nicht an.

    48
    b)

    49
    Da nach dem Wortlaut und dem Gesetzeszweck allein das Alter des Unterhaltsgläubigers ursächlich dafür sein muss, dass von ihm eine Erwerbstätigkeit nicht mehr erwartet werden kann, besteht der Unterhaltsanspruch nach § 1571 BGB auch dann, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte nicht im Laufe einer langjährigen Ehe alt und unterhaltsbedürftig geworden ist, sondern bereits bei Eheschließung altersbedingt einer Erwerbstätigkeit nicht mehr nachgehen konnte. Dies ist darin begründet, dass die Mitverantwortung, die der leistungsfähige Ehepartner gegenüber dem Unterhaltsbedürftigen trägt, eine Folge der Eheschließung und des ehelichen Zusammenlebens ist. Diese Mitverantwortung ist dabei unabhängig von dem Alter der Eheleute, in dem die Ehe geschlossen wurde (BGH FamRZ 1982, 28 Rn. 11).

    50
    Dieser Kausalzusammenhang ist vorliegend unzweifelhaft gegeben, da von dem Antragsgegner ‒ wie dargelegt ‒ zum Einsatzzeitpunkt aufgrund seines Alters keine Erwerbstätigkeit mehr erwartet werden konnte.

    51
    2.

    52
    Als Rechtsfolge gewährt § 1571 BGB den vollen Unterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen im Sinne des § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte ‒ wie hier ‒ wegen seines Alters vollständig an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist.

    53
    a)

    54
    Unstreitig waren vorliegend die ehelichen Lebensverhältnisse im Zeitpunkt der Trennung dadurch geprägt, dass die Beteiligten von den Einkünften der Antragstellerin gelebt haben. Der Antragsgegner verfügte schon längere Zeit vor der Trennung über keine eigenen Einkünfte mehr.

    55
    Da sich die Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt bereits im Renten- bzw. Ruhegehaltsbezug befand, prägten diese Zahlungen die ehelichen Lebensverhältnisse. Denn nach der Rechtsprechung des BGH gelten Renten- bzw. Ruhegehaltszahlungen unabhängig vom Zeitpunkt des Erwerbs der Anwartschaft als Surrogat für Erwerbseinkommen und prägen damit die ehelichen Lebensverhältnisse (BGH NJW 2002, 436, 439; BeckOGK/ Lettmaier, BGB, Stand: 01.08.2023, § 1571 Rn. 48).

    56
    b)

    57
    Der Antragsgegner muss sich seine Eigeneinkünfte anrechnen lassen, so dass die von ihm nunmehr bezogene Rente als Eigeneinkünfte zu bewerten ist.

    58
    Davon ist die von ihm unstreitig gezahlte private Kranken- und Pflegeversicherung in Abzug zu bringen. Da der Antragsgegner selbstständig tätig und privat versichert war, hat dies die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt. Der Wechsel in die gesetzliche Krankenversicherung ist ihm dagegen unstreitig nicht mehr möglich.

    59
    Soweit die Antragstellerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 12.12.2023 geltend macht, den Antragsgegner treffe eine Obliegenheit im Rahmen der privaten Krankenversicherung in den seit 2009 von den Krankenversicherungsunternehmen verpflichtend anzubietenden sog. Basistarif (§ 152 VAG) zu wechseln, greift dieser Einwand nicht durch. Denn der Basistarif in der privaten Krankenversicherung ist der Höhe nach auf den Höchstbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung gedeckelt. Dieser beträgt ab 1. Januar 2023 807,98 € pro Monat und liegt damit deutlich über dem Betrag, den der Antragsgegner an die Europäische Krankenversicherung L. und an die DKV unstreitig zu zahlen hat.

    60
    Dass der im Basistarif bei den vorgenannten Versicherungsunternehmen zu zahlende monatliche Versicherungsbeitrag geringer als der vom Antragsgegner gezahlte Betrag ist, wird von der Antragstellerin nicht behauptet, obwohl sie für eine Obliegenheitsverletzung des Antragsgegners darlegungs- und beweispflichtig ist.

    61
    c)

    62
    Zur Verminderung seiner Bedürftigkeit ist der Antragsgegner nach § 1577 Abs. 1 BGB gehalten, neben seinen Renteneinkünften auch das ihm aus dem Hausverkauf zugeflossene Vermögen für Unterhaltszwecke einzusetzen.

    63
    Der ihm im Rahmen des Zugewinnausgleichs unstreitig zugeflossene Betrag in Höhe von 65.000,00 € stellt Vermögen im Sinne des § 1571 BGB dar (vgl. BGH FamRZ 1985, 357).

    64
    aa)

    65
    Da beiden Beteiligten ein gleich hoher Betrag zugeflossen ist, müssten die Erträge hieraus bei der Antragstellerin einkommenserhöhend und auf Seiten des Antragsgegners bedarfsmindernd berücksichtigt werden. Allerdings haben beide Beteiligte hierzu nicht substantiiert vorgetragen. Da sich insoweit die zu unterstellenden Erträge im Rahmen der Unterhaltsberechnung aufheben würden, hat der Senat davon abgesehen, fiktive Erträgnisse auf Seiten der Beteiligten zu berücksichtigen.

    66
    bb)

    67
    Allerdings ist der Antragsgegner gehalten, für seinen Unterhaltsbedarf den Vermögensstamm nach § 1577 BGB anzugreifen, da die Verwertungssperren in § 1577 Abs. 3 BGB nicht eingreifen. Weder ist die Verwertung des Vermögens unwirtschaftlich, noch stellt die Verwertung eine unbillige Härte für den Antragsgegner dar.

    68
    (1)

    69
    Eine Unwirtschaftlichkeit der Verwertung des Vermögens liegt unzweifelhaft nicht vor, da dies nur anzunehmen ist, wenn die Vermögensverwertung zu einem nicht mehr vertretbaren wirtschaftlichen Schaden zum Nachteil des Unterhaltsgläubigers führen würde (BGH FamRZ 1980, 43), was hier mangels Vortrags und auch ansonsten nicht ersichtlich ist. Zudem ist die Verwertung der 65.000,00 € auf die statistische Lebenserwartung des Antragsgegners auszurichten.

    70
    (2)

    71
    Die Verwertung des Vermögens stellt auch unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls keine unbillige Härte dar.

    72
    Im Rahmen der gebotenen Abwägung ist zunächst zu berücksichtigen, dass beiden Eheleuten ein gleich hoher Betrag zugeflossen ist, was gegen die Zumutbarkeit einer einseitigen Verwertung auf Seiten des Antragsgegners spricht (vgl. BGH FamRZ 2013, 195).

    73
    Dem steht jedoch entgegen, dass nach dem unwidersprochenen Vortrag der Antragstellerin sie den Erwerb der Doppelhaushälfte mit dem Erlös aus dem Hausverkauf sowie der Tragung der Darlehensraten finanziert hat. Die finanzielle Beteiligung des Antragsgegners betraf dagegen die Renovierung des Objekts und machte insoweit nach der unwidersprochen gebliebenen Darstellung der Antragstellerin nicht die Hälfte des Verkaufserlöses aus.

    74
    Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des BGH mit Erreichen der Altersgrenze der laufende Kapitalverbrauch zumutbar ist (BGH FamRZ 2013, 203).

    75
    Hiervon geht der Antragsgegner im Ergebnis auch selbst aus, wenn er vorträgt, die Immobilie sei als Altersversorgung der Beteiligten gedacht gewesen.

    76
    (3)

    77
    Im Rahmen der danach gebotenen Verwertung des Vermögensstamms, ist der Vermögensbetrag auf die voraussichtliche Dauer der Unterhaltsbedürftigkeit umzurechnen (BGH NJW 1985, 907; OLG Karlsruhe FamRZ 2010, 655).

    78
    Ausweislich der aktuellen Sterbetafel hat der Antragsgegner, der im Jahre 1955 geboren ist, im Alter von 65 Jahren (2020) noch eine Lebenserwartung von 17,63 Jahren (Quelle Statistisches Bundesamt, Periodensterbetafel, Stand: 20.12.2023). Dies bedeutet, dass der Vermögensstamm auf einen Zeitraum vom 23.04.2023 bis zum 05.12.2037 umzulegen ist. Dies sind 175,56 Monate, so dass sich ein monatlich einzusetzender Betrag i.H.v 370,24 € ergibt

    79
    3.

    80
    Eine Herabsetzung, zeitliche Beschränkung oder Versagung des Unterhaltsanspruchs nach § 1579 BGB kommt vorliegend nicht in Betracht, da keiner der dort genannten Härtegründe von der Antragstellerin überhaupt vorgetragen worden ist, noch sich aus der Akte ergibt.

    81
    a)

    82
    Soweit die Verfahrensbevollmächtigte im Rahmen der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertrat, die Vorschrift sei von Amts wegen zu berücksichtigen, ist dies zutreffend, bedeutet aber nicht, dass das Gericht eine Amtsermittlung betreibt. Vielmehr ist der Unterhaltsschuldner, der sich auf die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nach § 1579 BGB beruft, gehalten, den einzelnen Härtegrund sowie die die grobe Unbilligkeit begründenden Umstände darzulegen und gegebenenfalls ‒ bei wirksamen Bestreiten der Gegenseite ‒ zu beweisen (allgemeine Meinung: vgl. nur BGH FamRZ 1990, 670; FamRZ 1982, 463; OLG Brandenburg BeckRS 2014, 15889 Rn. 35; MüKoBGB/Maurer, 9. Aufl. 2022, § 1579 Rn. 148).

    83
    Daran fehlt es hier in jeglicher Hinsicht, zumal die Antragstellerin auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung keine substanziellen Erklärungen abgebeben hat.

    84
    b)

    85
    Soweit die Antragstellerin und ihre Verfahrensbevollmächtigte darauf abstellen, dass die Ehe erst im fortgeschrittenen Alter beider Beteiligter geschlossen worden ist und die Bedürftigkeit des Antragsgegners nicht auf einem ehebedingten Nachteil beruht, führt dies zu keiner anderen Beurteilung.

    86
    Denn § 1571 BGB verlangt gerade keine ehebedingte Bedürfnislage, so dass allein das Vorliegen einer Altersehe bzw. das Fehlen einer ehebedingten Bedürfnislage keine Gründe zur Unterhaltsbegrenzung nach § 1579 Nr. 8 BGB darstellen (Grüneberg/v. Pückler, BGB, 83. Aufl. 2024, § 1571 Rn. 7; BeckOGK/Lettmaier, 1.8.2023, BGB § 1571 Rn. 53 mwN).

    87
    4.

    88
    Entgegen der Auffassung der Antragstellerin sind auch die Voraussetzungen des § 1578b BGB vorliegend nicht gegeben, so dass der Unterhaltsanspruch weder herabzusetzen noch zeitlich zu begrenzen ist.

    89
    a)

    90
    Soweit die Antragstellerin und ihre Verfahrensbevollmächtigte darauf abstellen, dem Antragsgegner seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, führt dieser Umstand gerade nicht zur Herabsetzung oder Begrenzung. Denn die Befristung des Altersunterhalts ist auch ohne ehebedingte Nachteile nicht der gesetzliche Regelfall (BGH FamRZ 2010, 1633 Rn. 15 mwN).

    91
    Aus § 1578b BGB ergibt sich, dass die Herabsetzung wie auch die Befristung des Unterhalts nicht die Regel, sondern die Ausnahme darstellen. Dementsprechend ist zu prüfen, ob die fortdauernde unbeschränkte Unterhaltspflicht unbillig ist, nicht aber, ob der Befristung oder Herabsetzung Billigkeitsgründe entgegenstehen (BGH a.a.O., Rn. 29).

    92
    b)

    93
    Entgegen der Auffassung der Antragstellerin und des Amtsgerichts führt die Durchführung des Versorgungsausgleichs nicht zu einer Herabsetzung oder zeitlichen Begrenzung des Altersunterhalts nach § 1571 BGB. Denn grundsätzlich sind die Ansprüche aus dem Versorgungsausgleich vom Unterhaltsanspruch unabhängig mit der Folge, dass beide nebeneinander bestehen (Heiß/Born/Heiß/Heiß, Unterhaltsrecht, 63. EL März 2023, Erster Teil, 1. Kap. Rn. 45).

    94
    Der Versorgungsausgleich kann zwar bei der Frage, ob ehebedingte Nachteile i. S. d. § 1578b Abs. 1 BGB vorliegen, Bedeutung erlangen, da der Ausgleich unterschiedlicher Vorsorgebeiträge vornehmlich Aufgabe des Versorgungsausgleichs ist, durch den die Interessen des Unterhaltsberechtigten regelmäßig ausreichend gewahrt werden (BGH FamRZ 2010, 1633; 2008, 1508; 1325). So liegt der Fall hier aber nicht, da unstreitig ehebedingte Nachteile nicht auszugleichen sind.

    95
    c)

    96
    Im Rahmen der gebotenen Billigkeitsabwägung nach den Absätzen eins und zwei des § 1578b BGB spielen die dort genannten ehebedingten Nachteile keine Rolle, da auf Seiten des Antragsgegners solche unstreitig nicht eingetreten sind.

    97
    aa)

    98
    Wesentliche Bedeutung bei der Bestimmung des gebotenen Maßes an nachehelicher Solidarität kommt dem Aspekt der Ehedauer zu, was der Gesetzgeber insbesondere durch die Aufnahme der Ehedauer als selbstständiges Billigkeitskriterium in Abs. 1 S. 2 klargestellt hat (BGH FamRZ 2013, 853 Rn. 35). Dabei ist besonders die mit der Ehedauer regelmäßig einhergehende wirtschaftliche Verflechtung der Eheleute in den Blick zu nehmen.

    99
    Vorliegend ist eine Ehedauer von rd. 14 Jahre gegeben, in denen der Antragsgegner anfänglich im Rahmen seiner selbständigen Tätigkeit ‒ nach den Angaben der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung ‒ gut verdient hat. Nach der Insolvenz seiner Firma im Jahre 2013 und später nach unstreitiger Einstellung der Erwerbstätigkeit im Jahre 2018 lebten beide Beteiligte vom Einkommen der Antragstellerin, was zu einer weiteren wirtschaftlichen Verflechtung bzw. Abhängigkeit des Antragsgegners von der Antragstellerin führte.

    100
    bb)

    101
    Darüber hinaus scheidet eine Herabsetzung oder zeitliche Befristung des Anspruchs auf Altersunterhalt aus, wenn Pflichtiger und Berechtigter ‒ wie im vorliegenden Fall ‒ schon Altersrentner sind, da nicht mehr erwartet werden kann, dass der Berechtigte in der Lage sein wird, sein Einkommen zu erhöhen (OLG Naumburg FamRZ 2008, 2120; BeckOGK/Lettmaier BGB § 1571 Rn. 56).

    102
    Aufgrund dessen ist dem Antragsgegner in seinem nunmehrigen Alter eine Absenkung des Unterhaltsmaßes oder der gänzliche Wegfall des Anspruchs, nachdem er langjährig Teilhabe an einen gehobenen Lebensstandard hatte, nicht zuzumuten.

    103
    cc)

    104
    Dem steht nicht entgegen, dass der Antragsgegner während seiner selbstständigen Tätigkeit keine Altersvorsorge betrieben hat. Dieses Verhalten hat der Antragsgegner bereits vor der Ehe an den Tag gelegt und dieser Umstand war der Antragstellerin nach Aktenlage auch bekannt. Jedenfalls wird von ihr nicht vorgetragen, dass der Antragsgegner ihr vorgegaukelt habe, eine Altersversorgung zu besitzen.

    105
    dd)

    106
    Auch der Umstand, dass die Antragstellerin im Rahmen des Versorgungsausgleichs nicht unerhebliche Anrechte an den Antragsgegner abgeben musste, ändert an dem vorgenannten Abwägungsergebnis nichts. Denn die nunmehrigen Renteneinkünfte des Antragsgegners werden auf seinen Bedarf angerechnet, da es sich insoweit ebenfalls um eheprägendes Einkommen handelt. Dementsprechend erfolgt auch keine doppelte Berücksichtigung des Versorgungsausgleichsbetrages zu Lasten der Antragstellerin, wie diese meint. Denn der der Antragstellerin nach Durchführung des Versorgungsausgleichs verbliebene Teil der während der Ehezeit erlangten Versorgung entspricht der Höhe nach im Wesentlichen den vom Antragsgegner im Rahmen der Unterhaltsberechnung einzusetzenden Renteneinkünfte. Im Rahmen der Unterhaltsberechnung neutralisieren sich die Beträge folglich und ändern an der Höhe des zu zahlenden Unterhaltsbetrages nichts.

    107
    ee)

    108
    Die Regelung zum Zugewinnausgleich, wonach der Antragsgegner 65.000,00 € aus der Veräußerung der Doppelhaushälfte erlangt hat, rechtfertigt ebenfalls keine andere Bewertung, da der Antragsgegner ‒ wie bereits dargelegt ‒ zur Verwertung dieses Vermögensstamms verpflichtet ist.

    109
    Ob die von den Beteiligten insoweit getroffene Regelung zum Ausgleich des Zugewinns einem nach dem Gesetz vorgenommenen Zugewinnausgleich entsprochen hätte, konnte auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht geklärt werden. Sollte die Antragstellerin, was insoweit in der mündlichen Verhandlung anklang, erhebliche Zugeständnisse gemacht haben, rechtfertigt auch dies keine andere Bewertung. Die Regelung des § 1578b BGB dient nicht dazu, etwaige nachteilige vertragliche Vereinbarungen auszugleichen.

    110
    ff)

    111
    Auch die Zahlung von Trennungsunterhalt durch die Antragstellerin rechtfertigt keine andere Gesamtabwägung, da dieser Anspruch nach dem Vortrag der Beteiligten unstreitig in der vereinbarten Höhe bestand. Da der Antragsgegner seinen Unterhalt nicht mehr durch eine Erwerbstätigkeit sichern kann, wirkt sich die Dauer der Zahlung von Trennungsunterhalt vorliegend nicht aus.

    112
    Im Ergebnis muss sich die Antragstellerin daran festhalten lassen, dass eine Folge der Eheschließung und des ehelichen Zusammenlebens die hierdurch begründete Mitverantwortung ist, die der leistungsfähige Ehepartner gegenüber dem Unterhaltsbedürftigen trägt (BGH FamRZ 1982, 28 Rn. 11). Dieser Mitverantwortung im Sinne der nachehelichen Solidarität kann sich die Antragstellerin vorliegend nicht entziehen.

    113
    5.

    114
    Im Rahmen der Unterhaltsberechnung hat der Senat die Berechnung des LBV vom 31.05.2023 zugrunde gelegt, da wegen der Unterhaltszahlungen an den Antragsgegner der Familienzuschlag weiterhin zu zahlen ist. Denn die Unterhaltszahlungen übersteigen die Höhe des Familienzuschlags erheblich, so dass der Familienzuschlag von der Antragstellerin geltend gemacht werden kann.

    115
    Soweit die Antragstellerin im nicht nachgelassenen Schriftsatz behauptet, die vom Senat berücksichtigte Steuererstattung in Höhe von insgesamt 793,00 € stamme noch aus der Zeit der gemeinsamen Veranlagung, ist dies unzutreffend, da es sich um den Steuerbescheid für das Jahr 2021 handelt, in dem eine Zusammenveranlagung gar nicht mehr möglich war.

    116
    Unter Zugrundelegung der vorstehenden Wertungen und Feststellungen des Senats sowie nach Auswertung der von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen ergibt sich folgende Unterhaltsberechnung:

    117
    04./2023 05.-06./2023  ab 07./2023
    Ruhegehalt Astínv2.669,98 € 2.069,47 € 2.069,47 €
    Regelaltersrente ASt.ín 1.407,90 € 1.407,90 € 1.465,72 €
    zzgl. anteilige Steuererstattung 66,08 € 66,08 € 66,08 €
    abzüglich KV-Beitrag -253,36 € -253,36 € -253,36 €
    ergibt: 3.890,60 € 3.290,09 € 3.347,91 €
    Erwerbseinkommen Ag 0,00 € 0,00 € 0,00 €
    Regelaltersrente 0,00 € 793,63 € 793,63 €
    Vermögensstammverwertun 370,24 € 370,24 € 370,24 €
    abzüglich KV-Beitrag -547,97 € -484,68 € -484,68 €
    ergibt: -177,73 € 679,19 € 679,19 €
    Summe beider Einkommen: 3.712,87 € 3.969,28 € 4.027,10 €
    Halbteilung 1.856,44 € 1.984,64 € 2.013,55 €
    abzüglich Eigeneinkommen Ag 177,73 € -679,19 € -679,19 €
    Unterhalt gerundet 2.034,00 € 1.305,00 € 1.334,00 €
    anteiliger Unterhalt für April 2023 542,40 €

    118
    Die errechneten Beträge liegen oberhalb des vom Antragsgegner verlangten Unterhaltsbetrages in Höhe von monatlich 1.297,00 €, so dass dieser zuzusprechen war.

    119
    III.

    120
    Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 91 ZPO.

    121
    Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 51 Abs. 1 S. 1 FamGKG.

    122
    Der Anordnung der sofortigen Wirksamkeit liegt die Regelung des § 116 Abs. 3 S. 3 FamFG zugrunde.

    123
    Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Denn die Rechtssache stellt eine Einzelfallentscheidung dar und hat keine grundsätzliche Bedeutung. Ebenfalls scheidet eine Zulassung nach § 70 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 FamFG aus, da der Senat weder von einer Entscheidung des BGH abweicht, noch seine Entscheidung im Widerspruch zu einer Entscheidung eines anderen OLG steht.

    124
    Entsprechendes wird von der Antragstellerin im Schriftsatz vom 12.12.2023 auch nicht behauptet oder mit Substanz vorgetragen.

    RechtsgebietBGBVorschriften§ 1571 Nr. 1 BGB, § 1578 Abs. 1 S. 1 BGB