12.04.2024 · IWW-Abrufnummer 240854
Oberlandesgericht Frankfurt a. M.: Beschluss vom 01.02.2024 – 1 UF 75/22
1. Im Falle der Verlegung des Aufenthalts des Elternteils in den Bezirk eines anderen Jugendamts geht die Beistandschaft erst mit der Erklärung der Weiterführung der Beistandschaft durch das andere Jugendamt auf dieses über.
2. Bei der Feststellung, ob schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft nach § 1600d Abs. 2 S. 2 BGB vorliegen, reicht ein nur möglicher, aber weder wahrscheinlicher noch bewiesener Mehrverkehr nicht aus, insbesondere aus der Tatsache, dass sich die Mutter des Kindes und der Putativvater über ein Internetportal kennengelernt hatten, drängt sich nicht auf, dass die Mutter in der Empfängniszeit noch mit Anderen geschlechtlich verkehrt hat.
3. Konnten sämtliche väterlichen Allele des Kindes beim Putativvater nachgewiesen werden, so ergibt sich formalgenetisch keinerlei Ausschlusskonstellation, die es erfordern würde, die Möglichkeit von Mutationen in die Wahrscheinlichkeitsberechnung nach der Essen-Möller-Formel einzubeziehen.
Tenor
I. Die Beschwerde des Vaters gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Frankfurt am Main vom 18.3.2022 (Geschäftsnummer 460 F 9180/20 AB) wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Beschwerdeführer zu tragen.
III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird festgesetzt auf 2.000,- €.
Gründe
I.
Im vorliegenden Verfahren geht es um die Feststellung der Vaterschaft für die Antragstellerin, das minderjährige Kind X, geboren am XX.XX.2020.
Die Antragstellerin behauptet, der weitere Beteiligte zu 1. und Beschwerdeführer habe ihrer Mutter, der weiteren Beteiligten zu 2., innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt.
Die Antragstellerin wird im vorliegenden Verfahren vertreten durch den Fachbereich Jugend und Familie des Kreises Stadt1 als Beistand. Die Mutter der Antragstellerin hatte unter dem 13.5.2020 die Beistandschaft für die Aufgabe der Feststellung der Vaterschaft beantragt. In dem Antragsformular heißt es u.a.: „Die Beistandschaft endet ebenfalls, wenn das Kind und sein antragsberechtigter Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, nicht mehr im Kreis Stadt1 wohnhaft sind.“ Unter dem 21.8.2020 wurde das Verfahren bei dem Amtsgericht Stadt1 eingeleitet. Am 1.10.2020 zog die Mutter der Antragstellerin zusammen mit dieser nach Stadt2 um. Mit Beschluss vom 13.11.2020 gab das Amtsgericht Stadt1 das Verfahren an das Amtsgericht Frankfurt am Main ab unter Hinweis auf § 170 Abs. 1 FamFG. Unter dem 25.11.2020 wurde das Verfahren von dem Amtsgericht Frankfurt am Main übernommen.
Dem Familiengericht gelang es lange nicht, dem Vater den verfahrenseinleitenden Antrag ordnungsgemäß zuzustellen. In einem Termin vom 5.3.2021 wurde die Mutter persönlich angehört und der Antrag aus der Antragsschrift seitens der Beiständin gestellt. Auf den Vermerk der Sitzung vom 5.3.2021 wird verwiesen.
Mit Beschluss vom 11.3.2021 erhob das Familiengericht Frankfurt am Main Beweis darüber, ob der weitere Beteiligte zu 1., Herr Q, der biologische Vater der Antragstellerin sei, durch Einholung eines Abstammungsgutachtens. Zum Sachverständigen wurde bestellt Herr SV1, Blutspendedienst ..., Straße2, Stadt2. Unter dem 6.10.2021 verfügte das Familiengericht u.a. die Zustellung der Antragsschrift und einer Ausfertigung des Beweisbeschlusses an den weiteren Beteiligten zu 1., und zwar mit Zustellungsurkunde, und forderte diesen auf, sich mit dem Blutspendedienst ..., Straße2, Stadt2, binnen zwei Wochen in Verbindung zu setzen zwecks der angeordneten Probeentnahme. In der Verfügung heißt es weiter:
„Sollte weiterhin keine Mitwirkung Ihrerseits erfolgen, wird das Gericht den Feststellungsantrag der Beteiligten zu 1. Vom 21.8.2020 öffentlich an Sie zustellen und im Beschlusswege aufgrund des bis jetzt festgestellten Sachverhalts, Ihre Vaterschaft feststellen.“
Die Verfügung wurde dem Beschwerdeführer am 8.10.2021 zugestellt. Unter dem 9.12.2021 wurde der Beschwerdeführer zu einem Termin mit dem Sachverständigen zum 4.1.2022 mit Zustellungsurkunde schriftlich geladen. Bei der Ausfertigung der Verfügung unterlief der Geschäftsstelle ein Übertragungsfehler. Es erfolgte eine erneute Ladung zu einem Termin am 17.2.2022. Diese wurde dem Beschwerdeführer am 7.2.2022 zugestellt. Der Termin wurde vom Beschwerdeführer nicht wahrgenommen. Es erfolgte sodann die Anordnung der zwangsweisen Vorführung zur Untersuchung zur Feststellung der Abstammung mit Verfügung vom 23.2.2022 und Termin am 15.3.2022. Dieser Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 25.2.2022 zugestellt, wobei der Geschäftsstelle ein Schreibfehler unterlaufen war, indem als Datum des Termins der 15.3.2021 angegeben wurde. Unter dem 15.3.2022 teilte die Gerichtsvollzieherin, die mit der Vollstreckung beauftragt worden war, mit, sie habe den Schuldner vor Ort nicht angetroffen, eine Vorführung sei daher nicht möglich gewesen.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 18.3.2022 wurde der Beschwerdeführer als Vater der Antragstellerin festgestellt. Zur Begründung führte das Familiengericht aus, es greife die Vermutung des § 1600 d Abs. 2 S. 1 BGB. Danach werde als Vater vermutet, wer der Mutter während der Empfängniszeit beigewohnt hat, wenn nicht schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft bestehen. Nach der Überzeugung des Gerichts bestünden keinerlei schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft. Die Angaben der Mutter im Rahmen der gerichtlichen Anhörung vom 5.3.2021 seien glaubhaft. Die Einholung eines Gutachtens sei aufgrund der Beweisvereitelung durch den Beschwerdeführer unmöglich gewesen. Auf die Folge einer fehlenden Mitwirkung sei der Beschwerdeführer hingewiesen worden.
Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 24.3.2022 zugestellt. Unter dem 12.4.2022 ging die Beschwerde des Beschwerdeführers bei dem Familiengericht Frankfurt am Main ein.
Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, es liege ein wesentlicher Verfahrensfehler vor, weil er auf die Folgen seiner Haltung nicht ordnungsgemäß hingewiesen worden sei (§ 139 ZPO). Dem Beschwerdeführer sei nicht bewusst gewesen, dass er bereits aufgrund nicht wahrer Behauptungen der Mutter als Vater festgestellt werden konnte. Zudem habe der Beschwerdeführer seine Angriffs- und Verteidigungsmittel im ersten Rechtszug nicht geltend machen können, weil er zum Teil gar nicht oder zu spät in das Verfahren involviert worden sei. Auch sei er nicht zu einer Anhörung geladen worden. Wäre der Beschwerdeführer angehört worden, so hätte diese Anhörung seiner Auffassung nach bei dem Familiengericht die angebrachten schwerwiegenden Zweifel an der Vaterschaft hervorgerufen. Eine solche substantiierte Darlegung sei dem Beschwerdeführer jedoch aufgrund des Verfahrensverlaufs nicht möglich gewesen. Des Weiteren habe ein Zwischenverfahren gemäß § 169 Nr. 2 FamFG i.V.m. § 1598 a BGB durchgeführt werden müssen.
In der Sache seien die Behauptungen der Mutter nicht glaubhaft. Man habe sich über die Internetplattform WeChat kennengelernt. Es habe lediglich einmal einen Geschlechtsverkehr vor sechs bis acht Jahren gegeben und sodann noch einmal in der zweiten Jahreshälfte 2018. In der Empfängniszeit vom 8.5.2019 bis zum 4.9.2019 habe er der Mutter nicht beigewohnt. Aufgrund der besonderen Umstände hätte sich für das Familiengericht der Verdacht auf Mehrverkehr der Mutter aufdrängen müssen. Zudem habe die Mutter auch weitere unwahre Angaben in ihrer Anhörung gemacht. Schließlich sei das Kind im Verfahren nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen. Spätestens seit dem 13.11.2020 habe keine Beistandschaft mehr vorgelegen, da die Beistandschaft aufgrund des Umzugs der Mutter mit dem Kind nach Stadt2 erloschen sei.
Der Beschwerdeführer hat beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 18.3.2022 aufzuheben.
Die Antragstellerin tritt der Beschwerde entgegen.
Sie trägt vor, es sei seitens des Jugendamts Stadt1 versucht worden, die Akte an das zuständige Jugendamt der Stadt2 abzugeben; dieses habe aber aufgrund des anhängigen Verfahrens die Übernahme der Beistandschaft abgelehnt. Eine Beistandschaft ende im Übrigen gemäß § 1715 BGB nur mit Volljährigkeit des Kindes oder mit der Aufhebung durch den betreuenden Elternteil. Beides sei hier nicht der Fall gewesen.
Mit Beschluss vom 17.10.2022 hat der Senat das Verfahren auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.
Mit Beschluss vom 12.1.2023 erhob der Senat Beweis über die Frage, ob der weitere Beteiligte zu 1. und Beschwerdeführer der biologische Vater der Antragstellerin sei durch Einholung eines Abstammungsgutachtens. Zum Sachverständigen wurde bestellt Herr SV1 c/o Institut ..., Klinik1, Haus ..., Straße3, Stadt2 Es wurde u.a. darauf hingewiesen, dass alle Personen, die in das Gutachten einzubeziehen sind, von dem Sachverständigen oder einem von dem Sachverständigen beauftragten Arzt bzw. Ärztin eine Ladung erhalten würden, der zu folgen sei.
Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 17.1.2023 zugestellt.
Unter dem 24.4.2023 legte der Sachverständige das Gutachten vor. Danach ergibt sich für die biologische Vaterschaft des Beschwerdeführers bzgl. der Antragstellerin eine Vaterschaft mit einem Wahrscheinlichkeitswert von über 99,99 %. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten vom 24.4.2023 verwiesen.
Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, das Gutachten sei mangelhaft und nicht verwertbar.
Zum einen habe die ärztliche Aufklärung gefehlt, zum weiteren fehle es an der Einwilligung zur Datenverarbeitung und ferner sei bei der Probeentnahme ein Arzt nicht gegenwärtig gewesen. Er ist ferner der Auffassung, es fehlten Angaben zu dem biostatistischen Modell, welches für die Ermittlung des Wahrscheinlichkeitswertes angewendet wurde. Es werde lediglich die Essen-Möller-Formel erwähnt. Der Rechenweg der biostatistischen Berechnung fehle komplett. Die Wahrscheinlichkeit, dass bei 16 von 16 komplett übereinstimmenden Merkmalsystemen diese nur aufgrund von Mutationen übereinstimmen, liege massiv unter den vom Gutachter angenommenen 99,99 %. Die Wahrscheinlichkeit, dass 16 von 16 Merkmalsystemen ohne jegliche Mutation überstimmten, liege sogar noch deutlich darunter. Des Weiteren sei nicht erkennbar, wer tatsächlich das Gutachten erstellt habe, da es von drei Professoren unterschrieben worden sei. Schließlich sei die Nullhypothese falsch formuliert worden.
Unter dem 21.6.2023 wurde der Sachverständige aufgefordert, zu diesen Einwänden des Beschwerdeführers sein Gutachten schriftlich erläutern bzw. zu ergänzen. Die Erläuterung und Ergänzung erfolgte unter dem 15.7.2023, auf die verwiesen wird und zu der die Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme hatten.
II.
Die gemäß §§ 58 ff FamFG statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde des Beschwerdeführers ist nicht begründet.
1. Der Antrag der Antragstellerin war zunächst zulässig, insbesondere war sie ordnungsgemäß vertreten durch den Fachbereich Jugend und Familie des Kreises Stadt1 als Beistand gemäß §§ 1712 ff BGB. Dies ändert sich auch nicht dadurch, dass es in dem Antragsformular vom 13.5.2020 geheißen hatte, dass die Beistandschaft ende, wenn das Kind und sein antragsberechtigter Elternteil, in dessen Obhut es sich befindet, nicht mehr im Kreis Stadt1 wohnhaft sind. Denn Beginn und Ende der Beistandschaft ergeben sich aus dem Gesetz (sh. § 1715 BGB). Zwar kann eine Beistandschaft gemäß § 1715 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 1712 Abs. 2 BGB inhaltlich beschränkt werden; weitere, über diese Möglichkeiten, die das Gesetz eröffnet, hinausgehende Beschränkungsmöglichkeiten ergeben sich hingegen nicht. Auch war vorliegend die Beistandschaft aufgrund der Verlegung des Aufenthalts der Mutter zusammen mit dem Kind in den Bezirk eines anderen Jugendamts nicht automatisch auf dieses Jugendamt übergegangen. Im Falle der Verlegung des Aufenthalts des Elternteils in den Bezirk eines anderen Jugendamts geht die Beistandschaft nämlich erst mit der Erklärung der Weiterführung der Beistandschaft durch das andere Jugendamt auf dieses über (§ 87c Abs. 5 S. 2, 1. und 2. Hs i.V.m. § 87c Abs. 2 S. 2 SGB VIII). Eine solche Erklärung wurde hier durch das Jugendamt der Stadt Stadt2 nicht abgegeben. Insofern wurde die Beistandschaft vom Jugendamt Stadt1 weitergeführt.
Auch im Übrigen ergeben sich hinsichtlich der Zulässigkeit des Antrags des Kindes keine Zweifel. Insbesondere ist das Kind antragsbefugt. Dies folgt bereits aus dem verfassungsrechtlich geschützten Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung (vgl. Heilmann/Grün, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, 2. Aufl., § 1600 d BGB Rn. 25).
2. In der Sache hat das Familiengericht im Ergebnis zutreffend die Vaterschaft des Beschwerdeführers für das am XX.XX.2020 geborene Kind X festgestellt (§ 1600 d BGB). Der Senat ist aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Beschwerdeführer der Vater der Antragstellerin ist. Vorliegend führt die Übereinstimmung sämtlicher untersuchter genetischer Merkmale von Mutter, Kind und dem als Vater festzustellenden Beschwerdeführer zusammen mit den im Verfahren im Wege der Beweisaufnahme gewonnenen Erkenntnissen im Hinblick auf die Beiwohnung der Mutter seitens des Beschwerdeführers im fraglichen Zeitraum zu einer so hohen Wahrscheinlichkeit der Vaterschaft, dass sich daraus für den Senat ein Grad an Gewissheit ergibt, der Zweifeln an der Vaterschaft Schweigen gebietet (vgl. hierzu Grün, a.a.O., Rz. 391 S. 228 f).
a) Der Senat ist zunächst aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Beschwerdeführer der Mutter während der gesetzlichen Empfängniszeit, die hier vom 8.5.2019 bis zum 4.9.2019 gedauert hat (§ 1600d Abs. 3 BGB), beigewohnt hat. Insofern besteht bereits gemäß § 1600 d Abs. 2 S. 1 BGB eine Vermutung für die Vaterschaft des Beschwerdeführers. Die hierzu aufgrund des im Termin vom 9.11.2022 ergangenen Beweisbeschlusses förmlich vernommene Mutter der Antragstellerin hat glaubhaft bekundet, dass der Beschwerdeführer und sie am 25.6.2019 in ihrer Wohnung Sex miteinander hatten. Sie sei am 24.6. nach Deutschland gekommen und habe sich zuvor in Land1 aufgehalten. Die Zeugin hat die Entwicklung der Beziehung mit dem Beschwerdeführer im Einzelnen dargestellt. Soweit sie im Termin vom 5.3.2021 angegeben hatte, der Beschwerdeführer sei am 25.5.2019 und nicht am 25.6.2019 zu ihr gekommen, erschüttert dies die Glaubhaftigkeit ihrer Aussage mit Blick auf die im Übrigen übereinstimmenden Angaben, sowohl in der Anhörung als auch in der Beweisaufnahme, nicht. Soweit sie angegeben hatte, wegen des Beschwerdeführers zurück nach Deutschland gekommen zu sein, zugleich aber auch noch ein Haus in Deutschland bewohnte, hat sie diesen vermeintlichen Widerspruch insofern nachvollziehbar erklärt, als sie dargelegt hat, sie habe die Wohnung in Deutschland noch gehalten, während sie sich in Land1 aufgehalten habe, sei sodann aber wegen des Beschwerdeführers früher nach Deutschland zurückgekehrt.
Auch führt der Vortrag des Beschwerdeführers zu keinen schwerwiegenden Zweifeln i.S.v. § 1600d Abs. 2 S. 2 BGB an seiner Vaterschaft. Bei der Feststellung, ob schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft nach § 1600d Abs. 2 S. 2 BGB vorliegen, reicht ein nur möglicher, aber weder wahrscheinlicher noch bewiesener Mehrverkehr nicht aus (OLG Frankfurt am Main v. 17.10.2022 - 6 UF 68/22 = NZFam 2023, 40 unter Verweis auf BGH v. 1.10.1975 - IV ZR 154/74 = FamRZ 1975, 685). Hier drängt sich für den Senat allein aus der Tatsache, dass sich die Mutter der Antragstellerin und der Beschwerdeführer über ein Internetportal kennengelernt hatten, nicht auf, dass die Mutter in der Empfängniszeit noch mit Anderen geschlechtlich verkehrt hat. Insofern fehlt es an genaueren Angaben des Beschwerdeführers dazu, mit welchen Personen wann und wo die Mutter der Antragstellerin Geschlechtsverkehr gehabt haben soll.
b) Aufgrund des gemäß Beweisbeschluss des Senats vom 12.1.2023 zusätzlich eingeholten Sachverständigengutachtens des Sachverständigen SV1 vom 24.4.2023 i.V.m. der schriftlichen Erläuterung vom 15.7.2023 hat der Senat zusätzlich die volle Überzeugung gewonnen, dass der Beschwerdeführer der Vater der Antragstellerin ist. Die von dem Sachverständigen nach Untersuchung von 16 voneinander unabhängigen DNA-STR-Systemen berechnete Wahrscheinlichkeit für die Vaterschaft des Beschwerdeführers von über 99,99 % führt zu der zutreffenden Beurteilung, die Vaterschaft des Beschwerdeführers sei „praktisch erwiesen“. Soweit der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren Zweifel an der Verwertbarkeit des Gutachtens und insbesondere an der korrekten Auswertung der erhobenen Daten geäußert hat, konnte der Sachverständige diese nicht zuletzt durch die Ergänzung des Gutachtens vom 15.7.2023 ausräumen. Auch soweit der Beschwerdeführer formelle Einwände gegen die Erstellung des Sachverständigengutachtens und die Probeentnahme erhebt, führen diese im Ergebnis jedenfalls nicht zu einer Unverwertbarkeit des Gutachtens. Der Senat hat an der Zuverlässigkeit und Verwertbarkeit des erstellten Sachverständigengutachtens weder im Hinblick auf die Probenentnahme und die Aufklärung, noch im Hinblick auf die Gutachtenerstattung und die biostatistische Berechnung begründete Zweifel.
aa) Sofern der Beschwerdeführer die Aufklärung gemäß Gendiagnostikgesetz (GenDG) sowie die Quittierung der Kenntnisnahme des Aufklärungsbogens, welcher ihm ausgehändigt worden war, verweigert hat, und ebenso die Quittierung der ausgehändigten Informationen zur Datenverarbeitung, kann er sich auf das Fehlen der Aufklärung nach dem GenDG und hinsichtlich der Datenverarbeitung nicht berufen. Soweit der Beschwerdeführer einwendet, keine Einwilligung zur Untersuchung erteilt zu haben, wird diese durch die im Beweisbeschluss vom 12.1.2023 gemäß § 178 FamFG ergangene Verpflichtung zur Duldung ersetzt.
bb) Soweit der Beschwerdeführer ferner einwendet, in dem Gutachten fehlten der Rechenweg sowie die Modellannahmen und -parameter, so sind auch diese Einwände im Ergebnis nicht erheblich. Nach den Richtlinien für die Vorgehensweise bei genetischen Untersuchungen (III. 8.1 GEKO-RL umfasst die notwendige Dokumentation die Namen an der Untersuchung beteiligten Personen, deren Identität, Art, Ort und Datum der Entnahme des Untersuchungsguts sowie Art und Datum der durchgeführten genetischen Analysen und die Ergebnisse der durchgeführten genetischen Analysen, d.h., die biostatistische Auswertung (Populationsbezug, Softwareprodukte, Tabellen etc.) und sodann die Beurteilung der Ergebnisse (vgl. MüKoBGB/Wellenhofer, 9. Aufl. 2024, § 1600d Rn. 79). Eine genaue Darstellung des Rechenwegs der statistischen Wahrscheinlichkeitsberechnung ist somit auch nach den strengen Vorgaben der GEKO-RL nicht erforderlich.
cc) Auch soweit der Beschwerdeführer einwendet, bei der Probenentnahme sei kein Arzt anwesend gewesen, wird dies widerlegt, nachdem bei der Probenentnahme die ärztliche Sachverständige Frau SV2 durchgehend anwesend war.
dd) Soweit der Beschwerdeführer eingewandt hat, der Sachverständige hätte die Möglichkeit von Genmutationen nicht ausreichend in die Wahrscheinlichkeitsberechnung einbezogen, so überzeugen die nachvollziehbaren Ausführungen, die der Sachverständige jedenfalls in der Erläuterung vom 15.7.2023 vorgenommen hat. Vorliegend waren keinerlei Hinweise auf das Vorliegen von Mutationen gegeben. Mutationen haben im vorliegenden Fall keine Rolle gespielt, und zwar insbesondere deswegen, weil sämtliche väterlichen Allele des Kindes beim Putativvater und Beschwerdeführer nachgewiesen werden konnten und sich somit formalgenetisch keinerlei Ausschlusskonstellation ergeben hatte. Die Möglichkeit von Mutationen ist zwar grundsätzlich in Betracht zu ziehen und hätte auch in die Wahrscheinlichkeitsberechnung nach der Essen-Möller-Formel einbezogen werden können; da jedoch keinerlei Ausschlusskonstellationen beobachtet worden waren, war dies im konkreten Fall nicht angezeigt. Die vom Beschwerdeführer angeführte und kritisierte Essen-Möller-Methode ist vom Bundesgerichtshof als Verfahren der biostatistischen Berechnung der Vaterschaftswahrscheinlichkeit anerkannt (BGH v. 3.5.2006 - XII ZR 195/03 = FamRZ 2006, 1745). Auch soweit der Beschwerdeführer anführt, gemäß § 23 Abs. 2 Nr. 4 und Nr. 2 b GenDG i.d.F. vom 17.7.2012 werde die Berücksichtigung von Mutationen verlangt, wirkt sich dies auf die Verwertung des Gutachtens nicht aus: In der zitierten Vorschrift heiß es, dass bei einem Umfang der genetischen Analysen von 15 STR-Systemen das Vorliegen von vier und mehr Ausschlusskonstellationen die Aussage erlaubt, dass die Abstammung vom Putativvater ausgeschlossen ist. Bei weniger als vier Ausschlusskonstellationen müsse eine biostatistische Würdigung unter Einbeziehung von möglichen Mutationen oder stummen Allelen erfolgen. Dies führt jedoch nicht im Umkehrschluss dazu, dass grundsätzlich auch dann Mutationen zu berücksichtigen sind, wenn keinerlei Ausschlusskonstellation vorliegt (vgl. zu den möglichen Fehlerquellen aufgrund von Mutationen Grün, Vaterschaftsfeststellung und -anfechtung, 2. Aufl., S. 226 Rn. 386).
ee) Ferner besteht auch an der Qualifikation des vom Gericht bestellten Sachverständigen SV1 kein Zweifel. Er ist Arzt und als solcher, auch aufgrund von Aus- und Weiterbildungen kompetent, biostatistische Berechnungen durchzuführen. Soweit der Sachverständige zur Erstellung des Gutachtens auch die Sachverständige Frau SV2 sowie die Sachverständigen SV3 und SV4 hinzugezogen hat, war dies vom gerichtlichen Gutachtenauftrag umfasst. Darin werden sowohl das Institut für Rechtsmedizin, dessen Direktor SV3 ist als auch die Abteilung forensische Biologie, die von SV4 geleitet wird, benannt.
ff) Schließlich greift auch der Einwand des Beschwerdeführers im Hinblick auf etwaige falsch gestellte Nullhypothesen nicht durch. Wie aus der Erläuterung des Gutachtens vom 15.7.2023, für den Senat überzeugend, hervorgeht, sind Nullhypothesen sowie dazugehörige Gegenhypothesen nur dann zu bilden, wenn Unterschiede in verschiedenen Stichproben auf deren Signifikanz hin geprüft werden sollen, nicht jedoch sind solche Hypothesen im Rahmen der Berechnung einer Vaterschaftswahrscheinlichkeit aufzustellen. Im Rahmen der Begutachtung mit einer Typisierung von Kind, Mutter und Putativvater, dem sog. Terzett, soll die Abstammungsbegutachtung vielmehr die Entscheidung zwischen zwei allein denkbaren und einander ausschließenden Hypothesen ermöglichen, wobei auch zu berücksichtigen ist, dass sich eine Übereinstimmung der genetischen Merkmale, die das Kind vom Vater geerbt haben muss, mit denen des Putativvaters auch daraus ergeben kann, dass ein naher Blutsverwandter des Putativvaters der Erzeuger ist. Deshalb werden der Berechnung der Vaterschaftswahrscheinlichkeit im Standardfall, wie dem vorliegenden, modifizierte alternative Hypothesen zugrunde gelegt: Entweder der Putativvater ist der Erzeuger des Kindes (H1), oder er ist mit dem Kind nicht blutsverwandt (H2). Die zweite Hypothese schließt somit neben dem Putativvater zugleich auch jeden mit ihm nahe verwandten Mann aus (BGH a.a.O., S. 1747). Eine solche Hypothesenbildung wurde vorliegend im Gutachten vorgenommen.
gg) Weitere Beweismöglichkeiten, insbesondere vorliegend die Einbeziehung eines etwaigen Mannes, der als sog. Mehrverkehrer in Frage gekommen wäre, haben sich nicht ergeben. Insofern konnte auch eine Begutachtung unter Einbezug eines solchen Mehrverkehrers nicht vorgenommen werden.
3. Soweit sich der Beschwerdeführer im Übrigen auf Mängel im erstinstanzlichen Verfahren beruft, so greift seine Beschwerde auch insoweit im Ergebnis nicht durch, als sämtliche notwendigen Verfahrenshandlungen einschließlich der persönlichen Anhörung des Beschwerdeführers und der förmlichen Vernehmung der Mutter der Antragstellerin als Zeugin sowie die Gewährung rechtlichen Gehörs zu allen Verfahrensschritten in zweiter Instanz wiederholt bzw. nachgeholt worden sind.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.
Der Beschwerdewert richtet sich nach §§ 40, 47 FamGKG.